Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branche kompakt | Slowakei | Chemische Industrie

Markttrends

Der Bedarf an Chemieprodukten stagniert in der Slowakei, weil wichtige Abnehmerbranchen Schwäche zeigen. Perspektivisch wird die Autobranche aber für wachsende Nachfrage sorgen.

Von Gerit Schulze | Bratislava

Die chemische Industrie ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Slowakei. Sie ist stark exportorientiert und zugleich abhängig von importierten Vorprodukten. Das Marktvolumen schwankte in den letzten Jahren wegen der globalen Preisauftriebe und der Konjunkturschwäche. Es lag 2022 nach Berechnungen von Germany Trade & Invest bei über 17 Milliarden Euro und schrumpfte 2023 auf rund 14 Milliarden Euro. Der Rückgang hing vor allem mit den gesunkenen Preisen für Raffinerieprodukte und Agrarchemikalien zusammen.

14 Milliarden Euro

Marktvolumen für chemische Erzeugnisse (2023)

Derzeit steckt die Branche jedoch in einer Krise. Slowakische Hersteller von Chemikalien und chemischen Erzeugnissen verbuchten im 1. Halbjahr 2024 nur noch halb so viele Neuaufträge (gemessen am Auftragswert) wie im gleichen Zeitraum 2022. Immerhin war die Produktion im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr noch leicht um 2 Prozent gestiegen. Die Petrochemie verzeichnete einen Produktionsrückgang um 8 Prozent im 1. Halbjahr 2024. In der Pharmaindustrie ist das Bild durchwachsen: Sie verzeichnete in den ersten sechs Monaten steigende Auftragseingänge, musste ihr Produktionsvolumen aber um 6 Prozent drosseln.

Der slowakische Außenhandel mit chemischen Erzeugnissen (NACE-Kategorien 19 bis 22) erreichte 2023 laut Eurostat ein Volumen von 24,3 Milliarden Euro. Davon entfielen 10,5 Milliarden Euro auf Exporte und 13,8 Milliarden Euro auf Importe. Die wichtigsten Lieferanten waren Tschechien, Deutschland und Polen. In den ersten fünf Monaten 2024 stieg der Importwert im Jahresvergleich um 4 Prozent. Während die Einfuhren aus Deutschland leicht zurückgingen, kletterten die Importe aus Tschechien um 9 Prozent. Das lag vor allem am Zuwachs bei Kunststoff- und Gummierzeugnissen.

Autoindustrie ist wichtigster Kunde für Chemieprodukte

Wichtigster Abnehmer für chemische Produkte in der Slowakei sind die Automobilhersteller, die großen Bedarf an Kunststoff- und Gummiteilen, Lacken, Farben und Schmierstoffen haben. Aktuell werden pro Jahr rund 1 Million Autos montiert. Perspektivisch wird die Produktion von Fahrzeugen im Land eher zunehmen, da derzeit ein fünfter Autokonzern (Volvo) eine Fabrik bei Košice errichtet.

Für Kosmetika, Haushaltschemikalien und Pharmaerzeugnisse ist die Lage zurzeit erfreulich. Nach zwei Jahren mit realen Einkommensverlusten verdienen die Slowaken seit 2024 wieder deutlich mehr. Die Regierung rechnet für 2024 mit einem realen Anstieg des Privatverbrauchs um fast 3 Prozent. Dieser Wert dürfte sich aber schon 2025 wieder halbieren, wenn eine kräftige Anhebung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte die Kauflaune bremst. 

Besonders bei Pharmaerzeugnissen ist das Wachstumspotenzial noch groß. Die Gesundheitsausgaben in der Slowakei liegen bei unter 8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, während der EU-Durchschnitt über 10 Prozent beträgt (Deutschland rund 12 Prozent). Ab 2025 soll die Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf 5 Prozent halbiert werden. Das könnte den Absatz beflügeln.

Geringe Nachfrage aus der Bauwirtschaft

In der Bauwirtschaft ist der Abwärtstrend noch nicht gestoppt, sodass Bauchemikalien, Dämmstoffe und andere Erzeugnisse der Chemieindustrie sich derzeit nur schleppend verkaufen. In den ersten sieben Monaten 2024 schrumpfte das Volumen der slowakischen Bauproduktion um über 4 Prozent. Im Tiefbau war der Rückgang stärker als im Wohnungsbau. Hohe Zinsen und gestiegene Baukosten verderben potenziellen Investoren derzeit die Stimmung.

Bei Düngemitteln ist die Slowakei ein Nettoexporteur. Dem Importvolumen von 230 Millionen Euro stand 2023 ein Exportwert von über 390 Millionen Euro gegenüber. Die meisten Agrarchemikalien gehen nach Tschechien, Ungarn und Deutschland. Die wichtigsten Lieferländer in diesem Segment sind Ungarn, Österreich und Polen. Im Inland ist der Einsatz von Pestiziden zwischen 2020 und 2022 um 13 Prozent auf rund 4.700 Tonnen gesunken. Der Bedarf an Fungiziden verringerte sich laut Statistikamt um 7 Prozent auf 1.150 Tonnen; der von Herbiziden schrumpfte um 8 Prozent auf 2.500 Tonnen.

Das Einfuhrverbot von russischen und belarussischen Düngemitteln in die EU hat die Preise in der Slowakei nach oben getrieben. Davon profitierten zunächst die einheimischen Produzenten. Allerdings gelangen die sanktionierten Güter über Drittländer immer häufiger in die Europäische Union und verschärfen damit den Wettbewerb.

Fachkräftemangel nimmt zu

Ein großes Problem für die chemische Industrie der Slowakei ist der akute Fachkräftemangel. Der Branchenverband ZCHFP verweist auf das geringe Interesse junger Leute an einer Ausbildung in chemischen Berufen. Gleichzeitig stünden viele Beschäftigte kurz vor dem Eintritt ins Rentenalter. Die Zahl der Erwerbstätigen in der Chemieindustrie ist innerhalb eines Jahres um 4 Prozent gesunken. Zugleich nimmt der Lohndruck zu, der Durchschnittslohn in der Chemiebranche beträgt inzwischen mehr als 2.000 Euro pro Monat.

Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in der SlowakeiSumme in Millionen Euro
Vorhaben, Ort

Investitionssumme

Projektstand
Duslo / Maßnahmen zur Dekarbonisierung, Einsatz von Windkraft, Photovoltaik, Batteriespeichern, Elektrolyseur zur Produktion von grünem Wasserstoff, Šaľa

120

Frühstadium; Umweltverträglichkeitsprüfung läuft; Förderung aus dem Modernisierungsfonds zugesagt
Duslo / neue Granulier-Anlage, Šaľa

100

Planungsphase; Projekt wegen der Wirtschaftslage aufgeschoben
Haleon / Erweiterung der Produktion von Zahnpasten und Verlagerung der Produktion aus dem Vereinigten Königreich, neues Forschungs- und Entwicklungszentrum, Levice

19

Übertragung bis 2026 geplant; für Entwicklungszentrum Investitionsanreize beantragt
Slovnaft / Umstellung der Raffinerieanlagen zur Nutzung von nichtrussischem Erdöl, Bratislava

10

Erste Etappe eines Projekts, das Gesamtinvestitionen von 200 Mio. Euro erfordert
Duslo / Druckspeicher für Ammoniak, Šaľa

10

Planungsphase; Projekt wegen der Wirtschaftslage aufgeschoben
SPzO / Wiederverwertung von Kunststoffabfällen für die Chemieindustrie, Šurany

5

Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt; Aufträge von Orlen und Duslo
ShredCo / Wiederverwertung von Lithium-Batterien aus E-Autos, Handys und Laptops, Šuranyk.A.Umweltverträglichkeitsprüfung noch nicht beantragt
Quelle: Pressemeldungen 2024; Recherchen von Germany Trade & Invest 2024.

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.