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Slowakische Autoindustrie bleibt in der Spur
Die vier slowakischen Autohersteller zeigen sich bislang nur wenig beeindruckt von der Absatzkrise in Europa. Ihre Produktionszahlen sind stabil und könnten 2025 wieder steigen.
27.01.2025
Von Gerit Schulze | Bratislava
Nach ersten Schätzungen des Branchenverbands ZAP SR erreichte die slowakische Fahrzeugproduktion 2024 einen Wert von 993.000 Einheiten. Das waren rund 8 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Verbandspräsident Alexander Matušek begründete den Rückgang bei einer Pressekonferenz im Januar 2025 mit Modellwechseln bei einem Hersteller. "Eine solche Anlaufphase führt immer zu gewissen Produktionsrückgängen." Er sei aber zuversichtlich, dass der slowakische Pkw-Ausstoß schon 2025 wieder einen neuen Rekordwert von 1,15 Millionen Autos erreichen könne. Ab 2027 erwartet der Verband ZAP SR sogar ein Volumen von knapp 1,3 Millionen Pkw, wenn Volvo als fünfter großer Hersteller im Land seine Produktion in Košice hochfährt.
Branche sieht Warnsignale am Horizont
Trotz der erwarteten Rekorde sieht Verbandspräsident Matušek Warnsignale. Dazu zählt er vor allem die angedrohten Einfuhrzölle in den USA und mögliche Vergeltungsschritte Pekings als Reaktion auf die EU-Zusatzzölle für chinesische Elektroautos.
Auch hausgemachte Probleme schwächen die Wettbewerbsfähigkeit der slowakischen Kernbranche. Der Verbandspräsident nennt die hohen Unternehmenssteuern, die neue Finanztransaktionssteuer, gestiegene Energiekosten und den akuten Fachkräftemangel. Matušek verweist darauf, dass die Kapazitäten der slowakischen Automobilindustrie zurzeit größer sind als die Nachfrage. Daher müssten die Unternehmen ihre Produktion "optimieren". Als Folge sei die Zahl der Beschäftigten in der Branche 2024 um rund 20.000 gesunken.
Eine erhebliche Gefahr sieht der Verband in den strengeren Emissionsvorschriften der EU. Ab 2025 gelten durchschnittliche Flottengrenzwerte für den CO2-Ausstoß von 93,6 Gramm pro Kilometer für Neufahrzeuge. Hersteller, die diesen Wert überschreiten, müssen hohe Strafzahlungen leisten. Ohne einen signifikanten Anstieg der Verkäufe von Elektroautos sind die neuen Grenzwerte kaum einzuhalten.
Kaum Interesse an Elektroautos
In der Slowakei setzt sich die Elektromobilität weiterhin nicht durch. Das Land ist in Europa Schlusslicht bei den Zulassungszahlen, weil es keine systematische Förderung des Staates gibt und das Ladenetz noch große Lücken aufweist. Der Anteil von Batteriefahrzeugen an den Neuwagenverkäufen betrug 2024 nur 2,4 Prozent. Lediglich 2.227 rein elektrisch betriebene Autos wurden neu zugelassen, weniger als im Jahr zuvor. Auch Plug-in-Hybride und Erdgasautos waren weniger gefragt.
Dagegen legte das Geschäft mit neuen Verbrennern stark zu. Insgesamt wuchs der Pkw-Neuwagenmarkt 2024 laut ZAP SR um über 6 Prozent auf 93.000 Fahrzeuge. Das war der beste Wert seit 2019, hing aber nach Verbandsangaben mit einem Sondereffekt zusammen. Denn besonders im Dezember, nach Bekanntgabe einer drastischen Mehrwertsteuererhöhung ab 2025, sind die Autoverkäufe in die Höhe geschnellt. ZAP-Vizepräsident Pavol Prepiak sieht darin vor allem vorgezogene Anschaffungen von Privatkunden.
Bei Nutzfahrzeugen gingen die Verkäufe 2024 zurück. Besonders bei neuen Lkw ab 3,5 Tonnen Gesamtgewicht war das Interesse gering, ihr Absatz schrumpfte zweistellig. Um mehr als zwei Drittel sanken die Busverkäufe.
Kategorie | 2022 | 2023 | 2024 | Veränderung 2024 / 2023 |
---|---|---|---|---|
Pkw (M1) | 78.841 | 88.003 | 93.409 | 6,1 |
Leichte Nutzfahrzeuge (N1) | 7.679 | 9.107 | 9.061 | -0,5 |
Lkw (N2, N3) | 3.160 | 3.939 | 3.412 | -13,4 |
Busse (M2, M3) | 394 | 793 | 252 | -68,2 |
Volkswagen investiert in Energieeffizienz
Für die großen Autohersteller in der Slowakei verlief das Jahr 2024 überwiegend positiv. Volkswagen steigerte seine Produktion im Werk Bratislava um knapp 4 Prozent auf über 340.000 Fahrzeuge. Wie Sprecherin Lucia Kovarovič Makayová mitteilte, hat sich die Situation im Liefernetzwerk stabilisiert. Zudem konnte die interne Logistik verbessert werden. An dem Standort wird die Produktion auf den vollelektrischen Porsche Cayenne umgestellt, der dort voraussichtlich ab 2026 vom Band laufen soll. Volkswagen investiert in Bratislava außerdem in Umwelttechnik, um Wasser einzusparen und das Abfallaufkommen zu reduzieren. Außerdem setzt das Unternehmen Wärmepumpen ein und nutzt die Abwärme von Schweißprozessen zur Energiegewinnung, erklärte Lucia Kovarovič Makayová.
Kia schafft Industrieroboter an
Kia erreichte 2024 in seiner Fabrik im nordwestslowakischen Žilina einen Produktionsrekord von über 350.000 Fahrzeugen. Zwei Drittel davon entfallen auf die Geländelimousine Sportage. Auch die Motorenproduktion an dem Standort stieg auf mehr als 540.000 Antriebseinheiten. Kia hat seine Investitionen in der Slowakei 2024 gegenüber dem Vorjahr auf mehr als 80 Millionen Euro verdoppelt, sagt Unternehmenssprecher Tomáš Potoček. Unter anderem wurden neue Roboter für die Lackiererei und für den Karosseriebau angeschafft.
Jaguar Land Rover installiert neue Lackieranlage
Bei Jaguar Land Rover (JLR), der jüngsten Autofabrik in der Slowakei, wurden 2024 nach ersten Schätzungen rund 120.000 Fahrzeuge produziert. Die Jahreskapazität des Werks in Nitra liegt bei 150.000 Einheiten. Wie Sprecherin Katarína Chlebová bei der Pressekonferenz bestätigte, soll die gesamte Produktion des Werks - also vor allem die Modelle Land Rover Discovery und Defender - bis 2030 als reine Elektroautos vom Band laufen.
Derzeit installiert JLR in Nitra eine neue Lackieranlage, die laut Chlebová unbegrenzte Farbvariationen und hochwertige Fahrzeugveredelung ermögliche. Das Vorhaben kostet 30 Millionen Euro und soll im 2. Halbjahr 2026 in Betrieb gehen.
Bei Stellantis in Trnava läuft die Umstellung der Produktion auf Hybrid- und Elektrofahrzeuge, darunter der Citroën C3 und zwei kleinere SUV-Modelle.
Hersteller / Standort | 2022 | 2023 | 2024 |
---|---|---|---|
Kia / Žilina | 311.000 | 350.000 | 351.000 |
Volkswagen / Bratislava | 268.700 | 329.000 | 341.000 |
Stellantis / Trnava | 312.500 | 265.000 | 181.000 |
Jaguar Land Rover / Nitra | 108.000 | 135.000 | 120.000 |
Zulieferer erweitern ihre Produktion
Auch im Zulieferbereich stehen in der Slowakei neue Investitionen an. Die südkoreanische Hyundai Mobis plant in Nováky ein Werk für E-Auto-Komponenten. Außerdem soll die Fabrik bei Žilina ausgebaut werden.
Ebenfalls im Westen des Landes, in Nová Dubnica, will der niederländische Elektronikhersteller Neways seine Aktivitäten ausweiten und Komponenten für Autos und Medizintechnik produzieren.
Weitere Investitionsvorhaben zielen auf die Produktion von Lenkrädern, Ausrüstungen für Ladestationen und auf Batterierecycling.
Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
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Deren Electronics / Werk zur Produktion von Innenladestationen für E-Autos in Trnava | 128 | Investitionsanreize zugesagt; Produktionsstart für Herbst 2025 und volle Kapazität für 2029 geplant | Deren Electronics |
Mobis / neue Produktionshalle zur Produktion von Airbags und Teilen für Bremsen in Gbeľany bei Žilina | 70 | in Vorbereitung; Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt; Baubeginn für Herbst 2025 und Betrieb ab Mitte 2026 geplant | Mobis Slovakia |
ShredCo / Werk zur Verwertung alter Batterien, unter anderem von E-Autos in Šurany | 30 | Vorbereitung; Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt; Baubeginn für Frühling 2026 geplant | ShredCo |
Jaguar / Erweiterung und Modernisierung der Lackiererei in Nitra | 30 | Umweltverträglichkeit genehmigt; Baubeginn für 2025 und Betrieb für 2. Halbjahr 2026 geplant | Jaguar Land Rover Slovakia |
Neways / neues Werk zur Teileproduktion für die Kfz- und Medizintechnikindustrie in Nová Dubnica | 28 | Bau hat 2024 begonnen; Fertigstellung für Herbst 2025 geplant | Neways Slovakia |
Dhollandia / Erweiterung der Produktion von hydraulischen Hebeflächen für Lkw in Predmier bei Bytča | 8 | Vorbereitung der fünften Etappe; Genehmigungen | Prodcen Dhollandia |
DH Autolead / neues Werk für die Montage von Pkw-Lenkrädern in Krásno nad Kysucou | 4,7 | Vorbereitung; Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt; Baubeginn für 2025 und Betrieb für 2026 geplant | DH AUTOLEAD Slovakia |
MH Invest / öffentliche Beschaffung für ein nationales Netz von Ultraschnellladestationen | k.A. | Auftrag wird vorbereitet; Ausschreibung der Bauarbeiten für Februar 2025 geplant | MH Invest (staatlicher Betreiber von Industrieparks) |
Jiangsu / neues Werk zur Produktion von Kfz-Teilen für den europäischen Markt in Prešov | k.A. | Frühphase; Investitionsentscheidung im Sommer 2024 getroffen | Jiangsu Xinquan Automotive Trim |