Wirtschaftsausblick | Somalia
Projekte trotz Dürre und Politchaos
Somalias Wirtschaft soll wieder etwas stärker wachsen. Vieles hängt aber vom Engagement der Auslands-Diaspora und der Geber ab.
10.05.2022
Von Ulrich Binkert | Bonn
Wirtschaftsentwicklung: Trockenheit hat Folgen für Mensch und Tier
Existenzielles Thema für Somalia ist aktuell die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten. Der Ausfall von drei Regenzeiten in Folge trifft besonders die Nomaden, die 2014 ein Viertel der Bevölkerung stellten, und das weitere Viertel der Somalier, die abseits der Städte vorwiegend von der Landwirtschaft leben. Die gebeutelte Viehwirtschaft, die über zwei Drittel zu Somalias geringen Exporten beisteuert, kann nicht von der besseren Nachfrage in ihren Märkten in den Golfstaaten profitieren. Dies bremst die Wirtschaft in dem drittärmsten Land der Welt, die bereits in den beiden Jahren zuvor wegen der Coronapandemie und einer Heuschreckenplage stagniert hatte. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für dieses und nächstes Jahr immerhin eine Rückkehr zu den 3 Prozent, mit denen die Wirtschaft vor 2020 gewachsen war.
Entscheidend bleibt die Unterstützung aus dem Ausland. Überweisungen von Auslandssomaliern und Leistungen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, die zusammen drei Viertel der Wirtschaftsleistung entsprechen, finanzieren das riesige Defizit in der Handelsbilanz und stehen hinter Investitionen in die Infrastruktur. Die Geduld der Geber bleibt aber gefordert. In einer verworrenen Gemengelage mit Claninteressen, auseinanderdriftenden Bundesstaaten und der Terrorgruppe Al-Shabaab ist nicht absehbar, dass sich demnächst eine stabile und halbwegs anerkannte Zentralregierung etabliert. Der IWF erwägt bei weiteren Verzögerungen des komplexen, sich seit Langem hinziehenden Wahlprozesses sein Programm für Somalia auszusetzen. Auch die Weltbank verweist bei der eigentlich anstehenden Umsetzung eines großen Vorhabens zur Stromversorgung darauf, dies erfordere ein "günstiges Umfeld". Es gibt aber auch Fortschritte beim Aufbau einer funktionierenden staatlichen Verwaltung, etwa die Lizenzen, die den boomenden Telekommunikationssektor zu regulieren beginnen. Die Bundeswehr sieht ihr Ziel der Piratenbekämpfung "eindrucksvoll erreicht" und hatte angekündigt, ihren Einsatz vor Somalias Küsten planmäßig Ende April zu beenden.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
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BIP (nominal, Mrd. US$) | 7,0 | 7,4 | 4.219 |
BIP pro Kopf (US$) | 471 | 487 | 50.709 |
Bevölkerung (Mio.) | 14,8 | 15,2 | 83,3 |
Wechselkurs (Dezember, 1 US$ = ... Somalia-Schilling (So.Sh.)) | 26.070 | 26.091 | - |
Investitionen: Diaspora-Geld für Hafenausbau
Für Investoren ist Somalia zumindest nach den gängigen internationalen Rankings ein Alptraum. Bei Geschäftsumfeld, Korruption oder staatlicher Stabilität liegt das Land stets ganz hinten. Die andauernde politische Krise trägt dazu bei, dass die somalische Diaspora oder ausländische Firmen vorsichtig bleiben. Geld fließt bevorzugt in den Handel und andere Aktivitäten mit kurzem Planungshorizont. Es wird viel gebaut, zum Beispiel in Objekte wie Einkaufszentren, mit relativ schnellem und sicherem Return und dem Vernehmen nach oft auch zur Geldwäsche.
Dabei könnte mehr Geld auch in produktive Sektoren fließen, wenn Somalia anders als bisher ans internationale Bankensystem angeschlossen wird. Im August 2021 war die türkische Ziraat-Bank dabei, eine Niederlassung in Somalia zu eröffnen; dies twitterte zumindest das staatliche Financial Reporting Center. Daneben gibt es Fonds wie den von der Weltbank getragenen Gargaara-Fonds, der somalische Banken günstig finanzieren will, mit dem Ziel, diese Mittel in produktive Investitionen zu leiten.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Anmerkung/Ansprechpartner |
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440 | 2. Phase im Bau | inkl. weitere 600 m Hafenliegeplatz; Konzessionär: DP World; zudem Aufbau einer Freizone, in der 50 (Logistik-) Firmen Flächen gemietet haben sollen und wo das Verwaltungsgebäude im Bau ist | |
Öl-/Gaslagerung Hafen Berbera | 50 | in Planung | Trafigura; Hauptauftragnehmer bestimmt, Bau soll derzeit starten |
150 | in Planung | Finanzierer: Weltbank; erste Ausschreibungen in Arbeit | |
300 | 1. Phase im Bau | Finanzierung von 90 Mio. US$ v.a. durch Diaspora "gesichert"; ausländische Investoren gesucht | |
Straße Berbera - äthiopische Grenze | 275 | im Bau | Umfahrung Hargeisa im Bau, weitere Teilstücke teils im Bau oder fertig; Investitionshöhe unklar, 90 Mio. US$ sollen vom Abu Dhabi Fund for Development kommen |
100 *) | in Planung | Finanzierer Netherlands Enterprise Agency (RVO) beauftragte 8/2022 den Consultant Witteveen+Bos sowie Terre Solidali und Allerod | |
Erdölexploration (onshore) Somaliland | 40 | in Planung | 1. Bohrung, geplant für 2023; Genel Energy/CPC (Taiwan) |
36 | im Bau | Neuvergabe durch KfW (Finanzierer) läuft | |
Wasserversorgung Kismayo | 25 | im Bau | Finanzierer: African Development Bank; soll Ende 2023 fertig sein |
Zementwerk Berbera | 40 | in Planung | aktuell laufen Verhandlungen mit indischen Firmen, die den ursprünglichen Investor Raysut (Oman) ersetzen sollen |
Konsum: Hoffnung auf bessere Zahlungsabwicklung
Der private Konsum wächst nach Prognosen der Weltbank bis 2023 um gut 3 Prozent und damit etwas langsamer als vor der Pandemie. Steigende Preise für importierte Lebensmittel, Treibstoffe und andere Produkte dürften den Verbrauch dämpfen. Die Inflationsrate verdoppelt sich nach Schätzung des IWF 2022 auf knapp 10 Prozent. Die Geldentwertung soll danach aber wieder in Richtung der 4 Prozent sinken, die für die letzten Jahre ausgewiesen wurden.
Während die anhaltende Dürre bremst, könnten zunehmende Überweisungen von Auslandssomaliern den Verbrauch ankurbeln. Die Weltbank stellt in Zeiten der Not generell mehr Zuflüsse von Verwandten im Ausland fest. Ein längerfristiges Plus bei den Auslandsüberweisungen prognostiziert die Economist Intelligence Unit durch mehr politische Stabilität in der Zukunft und durch ein neues Zahlungssystem, das die somalische Zentralbank 2021 angekündigt hatte. Geplant ist dabei eine Clearingstelle, die Überweisungen aus dem Ausland vereinfacht.
Außenhandel: Deutschland liefert fast nur Schnittholz
Somalia importierte 2020 fast siebenmal so viel wie es exportierte. Nahezu einziges Ausfuhrgut sind lebende Tiere, die gut 70 Prozent der Auslandserlöse von gerade einmal 0,54 Milliarden US$ einbrachten. Die Importe bestanden zu fast einem Drittel aus Nahrungsmitteln. Obwohl Somalia praktisch alle Industriegüter aus dem Ausland beziehen muss, sind deren Einfuhren gering, bedingt durch die Armut im Land.
Deutschlands Exporte nach Somalia erreichten 2021 laut Eurostat 23 Millionen Euro. Innerhalb der EU (132 Millionen Euro) lagen sie damit, hinter Italien, auf Platz zwei. Über die Hälfte davon bestand 2021, wie schon 2018, aus Nadelschnittholz. Deutsche Waren dürften auch über Kenia und vor allem die VAE ins Land kommen. Die Emirate sind Somalias wichtigstes Lieferland, so Daten des International Trade Center auf Basis der Angaben der Partnerländer. Umgekehrt verdreifachten sich laut Eurostat die deutschen Einfuhren aus Somalia 2021, sie waren mit 6 Millionen Euro aber immer noch vernachlässigbar.
2019 | 2020 | Veränderung 2020/2019 | |
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Importe (fob) | 3.905 | 3.878 | -1 |
Exporte (fob) | 662 | 549 | -17 |