Die chemische Industrie ist einer der größten Wirtschaftszweige Spaniens. Ein Umsatzwachstum von fast 20 Prozent im Jahr 2021 war jedoch vor allem auf Preiseffekte zurückzuführen.
Teure Energie und Rohstoffe drücken die Margen der Branchenunternehmen
Die Chemieindustrie zählt zu den größten Wirtschaftszweigen in Spanien. Sie ist wesentlich hinsichtlich ihres Umsatzes und ihrer Bedeutung für den Außenhandel. Bei den Investitionen und den Ausgaben für Forschung und Entwicklung hat die Chemiebranche ebenfalls eine starke Position.
Die rund 3.100 Branchenunternehmen erwirtschafteten 2021 einen Umsatz von rund 77,2 Milliarden Euro. Diese Zahlen errechnete der Branchenverband Feique.
Das Jahresergebnis entsprach einer Zunahme um knapp 20 Prozent gegenüber dem von der Pandemie geprägten Vorjahr 2020. Für Begeisterung in der Branche sorgten diese Zahlen trotz eines deutlichen Anstiegs der Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen jedoch nicht.
Der Rekord beim Umsatzwachstum war nämlich vor allem auf Preiseffekte zurückzuführen. Rohstoffe und Energie verteuerten sich 2021 massiv. Diese Kostensteigerungen dämpften die Gewinnmargen der Branchenunternehmen.
Die Energiekosten befanden sich 2022 auf einem weiterhin besonders hohen Niveau und verteuerten die Produkte insbesondere in energieintensiven Wirtschaftszweigen. Der Trend aus hohen nominalen Ergebnissen und zugleich Druck auf die Margen der Unternehmen dürfte sich erst 2023 abschwächen.
Schwächeres Wachstum der Gesamtwirtschaft 2023 erwartet
Die Aussichten für 2023 sind in vielen Branchen bislang nicht leicht abzuschätzen. Die Wirtschaftsleistung soll 2023 real noch um 1 Prozent wachsen. Diese Erwartung formulierte die Europäische Kommission in ihrer Herbstprognose von Mitte November 2022. Nach einem Zuwachs von circa 4,5 Prozent im laufenden Jahr verschlechtern sich die gesamtwirtschaftlichen Aussichten.
Ein positives Zeichen sendet jedoch mittlerweile die Inflation. Nach ihrem Höchststand von 10,8 Prozent im Jahresvergleich im Juli 2022 zeigt sich eine Entspannungstendenz. Bis November sank die Teuerungsrate auf 6,8 Prozent.
Im September und Oktober ließ zudem der Anstieg der Erzeugerpreise erstmals im Jahresverlauf spürbar nach. Wenngleich die Prognosen für 2023 mit Unsicherheiten behaftet sind, geben die Preissteigerungen für Industrie und Verbraucher erstmals über einen mehrmonatigen Zeitraum deutlich nach.
Damit erscheint auch die Erwartung der Europäischen Kommission von 4,8 Prozent Preisanstieg in Spanien für 2023 als realistisch. Diese Prognose liegt um 3,7 Prozentpunkte unter dem erwarteten Wert für 2022.
Für viele Zweige der spanischen Wirtschaft sind chemische Erzeugnisse unverzichtbar. Der Fachverband Feique schätzt, dass für 96 Prozent der Fertigung im Land Produkte aus der Chemiebranche erforderlich sind. Spanien verfügt beispielsweise über einen großen Komplex aus Landwirtschaft und Nahrungsmittelherstellung. Die Kfz-Branche zählt zu den größten Wirtschaftszweigen des Landes. Die Baubranche fasste nach den Einschränkungen des Corona-Jahres 2020 wieder Tritt und baute ihre Aktivitäten aus.
Chemiebranche wurde 2021 zum Exporteur Nummer eins in Spanien
Die spanische Chemiebranche ist sehr stark international vernetzt. Knapp 64 Prozent der Verkäufe entfielen 2021 auf das Ausland. Mit Exporten von knapp 49,3 Milliarden Euro lösten die Chemieunternehmen sogar die Kfz-Branche als Nummer eins bei den Ausfuhren ab.
Deutschland ist sowohl als Lieferland als auch als Absatzmarkt nicht wegzudenken. Mit Lieferungen von rund 7,9 Milliarden Euro war Deutschland 2021 das wichtigste Lieferland. Bei den Absatzmärkten aus spanischer Sicht befand sich Deutschland auf dem dritten Rang hinter Belgien und Frankreich. Kunden in Deutschland kauften chemische Erzeugnisse aus Spanien im Wert von rund 4,5 Milliarden Euro.
Durch die sehr starke Verflechtung mit anderen großen europäischen Chemiemärkten ist auch die dortige Konjukturentwicklung sehr wichtig für den Chemiesektor in Spanien. Somit spielt neben der inländischen Wirtschaft auch die Lage wesentlicher Abnehmerzweige in Belgien, Frankreich, Deutschland und Italien eine zentrale Rolle.
Forschung und Entwicklung genießen in der spanischen Chemiebranche eine hohe Priorität. Sichtbar wird das in Forschungsausgaben von rund 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2021. Die Chemieunternehmen mobilisieren nach Angaben von Feique mehr Geld für Innovationen als jeder andere Wirtschaftszweig des Landes. Als zentrale Forschungsfelder gelten eine nachhaltigere Produktion, die Senkung von Emissionen und die Wiederverwertung von Rohstoffen.
Die Chemieindustrie in Spanien zählt auch zu den Branchen, die Jahr für Jahr erhebliche Investitionen umsetzen. Seit 2015 wurde jedes Jahr mehr Geld mobilisiert als im Vorjahr. Feique zufolge lagen die Investitionen 2021 bei knapp 2,85 Milliarden Euro. Das entsprach einer Zunahme um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in SpanienAkteur/Projekt | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
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Anlagen für Biokraftstoffe in den Regionen Andalusien und Galicien/ Maersk | 10.000 | In der Planung | Die Großreederei Maersk plant den Aufbau von zwei Anlagen in Spanien zur Produktion nachhaltiger Schiffskraftstoffe (Methanol und vermutlich Ammoniak). Die Standorte sind noch nicht entschieden. Bis 2030 soll die jährliche Produktionskapazität 2 Mio. Tonnen Biokraftstoffe betragen. Damit sollen 10 Prozent des internationalen Gesamtbedarfs von Maersk gedeckt werden. |
Wasserstoff -anlagen, Palos de la Frontera und San Roque/Cepsa | 5.000 | In der Planung; Inbetriebnahme 2026 vorgesehen | Der Erdölkonzern Cepsa plant in Andalusien das bisher größte Vorhaben zur Erzeugung von grünem Wasserstoff in Europa. Geplante Produktionskapazität 300.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr für den Export von grünem Methanol und Ammoniak. |
Fabrik für Biokraftstoffe in Cartagena/ Repsol | 200 | Im Bau; Inbetriebnahme zweites Halbjahr 2023 | Aufbau der Lagerbehälter angefangen. Erwartete Produktion 250.000 Tonnen Biokraftstoffe (Biodiesel, Biokerosin, Biopropan etc.) für das Betanken von Flugzeugen, Schiffen, Lastwagen und weiteren Fahrzeugen. |
Fabrikerweiterung in Malgrat de Mar/ AGG Pharma Chemicals | 91 | Im Bau; Fertigstellung erstes Halbjahr 2023 | Steigerung der Herstellungskapazität für pharmazeutische Wirkstoffe um 30 Prozent |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen
Zum 1. Januar 2023 tritt ein neues Gesetz in Kraft, mit dem Einwegverpackungen aus Kunststoff zurückgedrängt werden sollen. Das Gesetz Ley 7/2022 deckt die Bereiche Abfälle, kontaminierte Böden und Kreislaufwirtschaft ab. Nicht wiederverwendbare Verpackungen aus nicht recyceltem Kunststoff werden mit einer Sondersteuer belegt. Diese beträgt 0,45 Euro pro Kilogramm des nicht recycelten Kunststoffs. Unternehmen insbesondere aus der Nahrungsmittelindustrie hatten sich für eine spätere Einführung der Regelungen ausgesprochen.
Für Verunsicherung in der Wirtschaft sorgt, dass kurz vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes noch keine Ausführungserlasse vorlagen. Damit bleiben viele Einzelheiten ungewiss. Die AHK Spanien hat Details zum neuen Gesetz für Unternehmen zusammengestellt.
Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes begannen zum Beispiel Nahrungsmittel- und Getränkehersteller damit, mehr Recyclingmaterial in Verpackungen einzusetzen. Das gilt zum Beispiel für Getränkeflaschen. Manche reduzierten den Kunststoffanteil in Lebensmittelverpackungen. Plastiktüten bestehen bei den meisten Handelsketten zudem mittlerweile mehrheitlich aus Recyclingmaterial.
Von Oliver Idem
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Madrid