Wirtschaftsumfeld | Spanien | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Lohnkosten
Seit Mai 2023 befinden sich die Reallöhne nach einer Inflationswelle wieder im positiven Bereich. Erneut verzeichneten 2022 Hotellerie und Gastronomie die höchste Bruttozunahme.
18.09.2023
Von Oliver Idem | Madrid
Löhne und Gehälter
Die Inflation ist der entscheidende Einflussfaktor bei der Reallohnentwicklung in den Jahren 2022 und 2023. Die durchschnittlichen tariflichen Lohnerhöhungen lagen zwischen Juli 2022 und Juli 2023 relativ konstant zwischen 2,6 und 3,3 Prozent. Im gleichen Zeitraum reduzierte sich das Wachstum der Verbraucherpreise jedoch massiv. So gab von Juli 2022 bis zum gleichen Monat des Folgejahres die Teuerung von 10,8 auf 2,3 Prozent nach.
Seit 2021 nehmen die Arbeitskosten in Spanien erheblich zu. Brutto stiegen die Kosten pro Mitarbeiter 2022 laut dem Statistikamt INE um durchschnittlich 4,2 Prozent auf 34.286 Euro. Im gleichen Jahr betrug die Steigerung im Dienstleistungssektor 4,4 Prozent. Die Bauwirtschaft lag mit plus 4,1 Prozent genau im Durchschnitt. Mit 3,1 Prozent Zuwachs verzeichnete die Industrie die geringste Zunahme.
Von den gesamten Arbeitskosten entfielen 74 Prozent auf das Bruttogehalt. Hinzu kamen 26 Prozent Pflichtabgaben. Zu geringen Anteilen gehen auch freiwillige Leistungen, Entschädigungen bei Entlassungen, Arbeitskleidung sowie Ausbildungs- und Transportausgaben in die Arbeitskosten ein.
Mindestlohn stieg 2023 um 8 Prozent an
Der Mindestlohn in Spanien beträgt monatlich 1.080 Euro und wird 14 Mal im Jahr ausbezahlt. Somit liegt der Bruttolohn bei einer Vollzeitbeschäftigung bei mindestens 15.120 Euro. In den vergangenen Jahren ging der Trend zu deutlichen Anhebungen des Mindestlohns. Im Jahr 2023 betrug die Zunahme gegenüber dem Vorjahr 8 Prozent. Die Lohnuntergrenze wird von der Regierung nach Beratungen mit den Sozialpartnern festgelegt.
Offizielle Angaben bilden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht den gesamten spanischen Arbeitsmarkt ab. Schätzungen zufolge entspricht die Schattenwirtschaft des Landes etwa 23 bis 25 Prozent der Wirtschaftsleistung. Dieses Phänomen betrifft auch den Arbeitsmarkt. Eine Studie der Stellenbörse InfoJobs unter jungen Berufstätigen im Jahr 2021 ergab, dass irreguläre Zahlungen weit verbreitet sind. Unter rund 4.700 Befragten gab ein Viertel an, in den vergangenen drei Jahren zumindest einen Teil des Lohns am Finanzamt vorbei erhalten zu haben. In jedem zweiten Fall habe das Unternehmen keine andere Wahl gelassen. Andere Motivationen waren, den Lohn aufzubessern oder die Arbeitslosenunterstützung nicht zu verlieren.
Sinkende Inflation stärkt die Kaufkraft der Löhne
Die Reallöhne in Spanien steigen dank der nachlassenden Inflation wieder. Im Durchschnitt wuchsen die Gehälter laut Daten des Arbeitsministeriums und des Statistikamts INE von Januar bis Ende Juli um 3,34 Prozent. Die Inflationsrate lag im Juli dagegen nur noch bei 2,3 Prozent.
Der Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum verdeutlicht die Verschiebung zugunsten der Arbeitnehmerseite: In den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 hatten die Löhne um durchschnittlich 2,6 Prozent zugenommen. Die Inflationsrate lag im Juli 2022 jedoch bei 10,8 Prozent.
2019 2) | 2020 2) | 2021 3) | 2022 4) | |
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nominal (in Euro) | 2.033,0 | 2.097,1 | 2.158,1 | 2.218,1 |
Inflationsrate (IPC) | 0,7 | -0,3 | 3,1 | 8,4 |
reale Veränderung (in %) 5) | 0,9 | 3,4 | -0,2 | -5,6 |
Die Hauptstadt Madrid und weitere industrielle Zentren bilden die Hochlohnregionen Spaniens. In diesen legten die Bruttolöhne 2022 nur unterdurchschnittlich zu. Die Regionen mit niedrigen Löhnen holten dank überproportionaler Zuwächse auf. Hier dürfte sich beispielsweise der Tourismusboom in Kombination mit einem wachsenden Fachkräftemangel ausgewirkt haben.
Eine genauere Betrachtung veröffentlichte im August 2023 die Wirtschaftszeitung Expansión. Auf der Basis von Daten der Sozialversicherung wurden die Unterschiede zwischen den Bruttolöhnen in den 50 Provinzen Spaniens deutlich.
Spitzenreiter waren die drei baskischen Provinzen Álava, Guipúzcoa und Vizcaya. Im industriell und technologisch starken Baskenland wurde im März 2023 durchschnittlich rund 20 Prozent mehr verdient als im Landesdurchschnitt. Damit lag die Region noch vor den Wirtschaftsmetropolen Madrid und Barcelona.
Am anderen Ende der Skala befand sich die Region Extremadura. Ihre beiden Provinzen Cáceres und Badajoz sind sehr groß, dünn besiedelt und eher landwirtschaftlich als industriell geprägt. Der Bruttoverdienst pro Kopf lag hier um 15 Prozent unter dem Landesdurchschnitt.
2021 | 2022 | Veränderung 2022/21 2) | |
---|---|---|---|
Landesdurchschnitt | 1.918,6 | 2.008,4 | 4,7 |
Hauptstadt (Madrid) | 2.444,4 | 2.529,0 | 3,5 |
Hochlohnregion (Madrid, Baskenland) | 2.398,4 | 2.474,9 | 3,1 |
Niedriglohnregion (Extremadura, Kanaren) | 1.601,6 | 1.729,9 | 8,0 |
Die von der Coronakrise hart getroffene Hotellerie- und Gastronomiebranche verzeichneten auch 2022 die höchsten Lohnzuwächse. Im Mittel betrug die Zunahme 29,3 Prozent. Bereits im Vorjahr hatten die Löhne in den beiden Sparten um ein Viertel zugelegt.
2021 | 2022 | Veränderung 2022/20212) | |
---|---|---|---|
Insgesamt | 2.020,7 | 2.112,8 | 4,6 |
Bauwirtschaft | 1.934,7 | 2.034,6 | 5,2 |
Bergbau | 3.290,6 | 3.104,2 | -5,7 |
Verarbeitendes Gewerbe | 2.282,9 | 2.373,6 | 4,0 |
Energiewirtschaft (Elektrizität, Gas) | 5.244,2 | 5.256,2 | 0,2 |
Wasser- und Entsorgungswirtschaft | 2.137,7 | 2.298,6 | 7,5 |
Handel, Reparaturen | 1.752,9 | 1.844,2 | 5,2 |
Transport und Logistik | 1.980,4 | 2.092,9 | 5,7 |
Hotellerie und Gastronomie | 978,0 | 1.264,6 | 29,3 |
Information und Telekommunikation | 3.149,6 | 3.161,8 | 0,4 |
Finanzwesen, Banken, Versicherungen | 4.075,7 | 4.199,3 | 3,0 |
Immobilienbranche | 2.035,8 | 2.217,7 | 8,9 |
Wissenschaft und Forschung | 2.541,8 | 2.655,6 | 4,5 |
In den Niederlassungen ausländischer Unternehmen und großer börsennotierter spanischer Gesellschaften ist die Gehaltsstruktur komplexer als in kleineren Unternehmen.
2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 2) | |
---|---|---|---|
Geschäftsführerin einer größeren Niederlassung 3) | 22.783 | 23.364 | 2,6 |
Geschäftsführerin eines kleinen bis mittleren Unternehmens 4) | 17.299 | 17.843 | 3,1 |
Vertriebsleiterin | 6.948 | 7.101 | 2,2 |
Ingenieurin | 5.585 | 5.845 | 4,7 |
Programmiererin | 4.624 | 4.850 | 4,9 |
Sekretärin mit Fremdsprachenkenntnissen | 4.060 | 4.188 | 3,2 |
Buchhalterin | 3.711 | 3.825 | 3,0 |
Kraftfahrerin 5) | 2.378 | 2.478 | 4,2 |
2021 | 2022 | Veränderung 2022/21 2) | |
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Angelernte Arbeiterin (Tätigkeiten, die in wenigen Tagen zu erlernen sind und für die keine spezielle Berufsausbildung notwendig ist) | 1.945 | 2.008 | 3,2 |
Mitarbeiterin, die unter Aufsicht Tätigkeiten ausführt, für die eine mehrjährige Berufsausbildung erforderlich ist 3) | 2.390 | 2.475 | 3,6 |
Ausgebildete Mitarbeiterin mit mehrjähriger, praktischer Berufserfahrung, die Aufgaben zuverlässig ohne Aufsicht durchführen und Fertigungsprozesse einrichten kann 4) | 3.073 | 3.179 | 3,5 |
Mitarbeiterin mit mehrjähriger Erfahrung und Leitungsbefugnis, die als Vorarbeiterin die Arbeit von Produktionsbereichen verantwortet | 3.711 | 3.835 | 3,3 |
Weitere Lohnbestandteile
Bei Führungskräften bestimmen variable Bestandteile immer mehr das Monats- beziehungsweise Jahresendeinkommen. Der Firmenwagen ist im Vertrieb oder im Servicebereich selbstverständlich. Er ist zum Teil auch bei den mittleren Unternehmenshierarchien üblich, ebenso wie Geschäftshandy oder Laptop. Sehr geschätzt wird eine Krankenzusatzversicherung, die die Behandlung als Privatpatient erlaubt.
Zusatzleistungen wie Fahrkarten für den Nahverkehr, Betriebsrenten, kostenlose Betriebsaktien, Essenszuschüsse, Sozialleistungen sind üblich, unterliegen aber durch das Königliche Gesetzesdekret RDL 16/2013 der Sozialversicherungspflicht.
Sozialversicherungsbeiträge
In Spanien existiert für alle Beitragsarten außer der Berufsunfallversicherung eine einzige staatliche Versicherung, die Seguridad Social. Die monatliche Beitragsbemessungsgrenze beträgt 4.495,50 Euro. Die Abgaben summieren sich auf rund 39 Prozent des Bruttolohns. Davon entfallen 6,35 Prozent auf den Arbeitnehmer und der Rest auf den Arbeitgeber.
Arbeitgeber | Arbeitnehmer | Summe | |
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Insgesamt in Prozent des Bruttogehalts, davon | circa 33,0 | 6,35 | circa 39,35 |
Renten- und Krankenversicherung | 23,60 | 4,70 | 28,30 |
Arbeitslosenversicherung | 5,50 | 1,55 | 7,05 |
Berufsausbildungsausgabe | 0,60 | 0,10 | 0,70 |
Lohngarantiefonds | 0,20 | 0,00 | 0,20 |
Arbeitsunfallversicherung *) | circa 3,10 | 0,00 | circa 3,10 |