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Südafrika: Vertragsrecht
Das südafrikanische Vertragsrecht basiert auf ungeschriebenen Rechtsprinzipien. Umso wichtiger ist es, Verträge präzise zu formulieren und Ereignisse in der Zukunft einzubeziehen.
29.11.2024
Von Katrin Grünewald | Bonn
Das südafrikanische Vertragsrecht basiert auf ungeschriebenen Rechtsprinzipien des römisch-niederländischen Rechts. Ein umfassendes geschriebenes Gesetz existiert nicht. Voraussetzung für einen wirksamen Vertragsabschluss ist, dass ein Angebot (offer) und eine Annahme (acceptance) vorliegen. Ein Angebot muss beabsichtigen, durch die Annahme rechtlich gebunden zu werden, alle wesentlichen Vertragsbedingungen enthalten, nicht vage sein und dem Empfänger mitgeteilt werden. Eine Annahme hingegen muss beabsichtigen, einen rechtsverbindlichen Vertrag zu schließen, durch den Angebotsempfänger erfolgen, unmissverständlich sein und dem Anbietenden mitgeteilt werden, und zwar bevor das Angebot erloschen ist. Außerdem müssen sich die Vertragsparteien auf die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag und auf die Vertragsparteien einigen. Die Vertragsparteien müssen geschäftsfähig sein und der Vertrag darf nicht gegen ein Gesetz verstoßen. Darüber hinaus muss er objektiv erfüllbar sein. Ein Vertrag muss nach südafrikanischem Recht nicht zwingend schriftlich geschlossen werden, auch mündlich geschlossene Verträge können rechtswirksam sein, sind aber im Streitfall schwieriger zu beweisen.
Höhere Gewalt-Klauseln
Falls ein Vertrag aufgrund von unvorhergesehenen Ereignissen nicht erfüllt werden kann, sind möglicherweise die Regeln zur höheren Gewalt anwendbar. Zu prüfen ist zunächst, ob der Vertrag eine höhere Gewalt-Klausel, auch force majeure-Klausel genannt, enthält. Als Orientierungsbeispiel für die Formulierung einer höheren Gewalt-Klausel dient die Musterklausel der Internationalen Handelskammer (ICC Force Majeure Clause 2020), deren Geltung vertraglich vereinbart werden kann. Die Formulierung einer höhere Gewalt-Klausel kann aber auch von der ICC-Klausel abweichen.
Bei der Formulierung von höhere Gewalt-Klauseln sollte daher darauf geachtet werden, dass die Klausel präzise formuliert ist. Sie sollte weder zu allgemein noch zu eng formuliert sein, denn anderenfalls ist womöglich genau das eingetretene unvorhersehbare Ereignis nicht von der Klausel umfasst. Darüber hinaus sollten die Umstände der Vertragsschließung berücksichtigt werden. Insbesondere die Branche, für die der Vertrag gelten soll, die Umstände zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sowie die Sitten und Bräuche sollten beachtet werden. Wichtig ist auch, wer die verhandelnden Parteien bzw. Unternehmen sind.
Da das südafrikanische Recht wirtschaftliche Notlagen (economic hardship), hervorgerufen beispielsweise durch einen starken Wertverfall der südafrikanischen Währung, Herabstufungen durch Ratingagenturen oder drastische Änderungen der Zinssätze, nicht als force majeure betrachtet, kann es umso wichtiger sein, das Eintreten derartiger Situationen in eine Vertragsklausel aufzunehmen. Es kann überdies vereinbart werden, dass bei einer bestimmten Dauer eines Ereignisses höherer Gewalt den Vertragsparteien die Möglichkeit der vollständigen Vertragsbeendigung zusteht.
Eine höhere Gewalt-Klausel ist darüber hinaus nur dann anwendbar, wenn die Partei, die sich auf die höhere Gewalt beruft, nachweisen kann, dass das Ereignis nicht in ihrer Kontrolle lag, es nicht in angemessener Weise hätte verhindert werden können und nicht auf vorsätzlichem oder fahrlässigem Verhalten der betroffenen Partei beruht. Dabei muss zwischen dem Ereignis höherer Gewalt und der Unmöglichkeit der Vertragserfüllung ein Zusammenhang bestehen.
Verträge ohne höhere Gewalt-Klausel
Unternehmen, die keine force majeure-Klausel in ihrem Vertrag haben, können auf die nach südafrikanischem Recht geltende Doktrin der supervening impossibility zurückgreifen. Danach werden die Vertragsparteien von den Haftungsfolgen für die Nichterfüllung eines Vertrags freigestellt, wenn die Unmöglichkeit bei Vertragsschluss nicht absehbar war.
Voraussetzung ist, dass die Vertragserfüllung nach Vertragsschluss objektiv unmöglich wurde und die Vertragsparteien die Unmöglichkeit nicht zu verschulden haben. Objektive Unmöglichkeit bedeutet zwar grundsätzlich, dass die Vertragserfüllung tatsächlich nicht mehr möglich ist. Es gibt aber Situationen, in denen die Vertragserfüllung zwar tatsächlich noch möglich ist, aber dennoch als unmöglich eingestuft wird, beispielsweise, wenn sie gegen das Gesetz verstößt. Nichtsdestotrotz wendet das südafrikanische Recht für das Vorliegen der objektiven Unmöglichkeit hohe Hürden an. So fallen veränderte wirtschaftliche Voraussetzungen, unter denen die Vertragserfüllung für ein Unternehmen eine wirtschaftliche Härte bedeutet, nicht unter diesen Begriff. Ein dem deutschen Recht vergleichbares Prinzip des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gibt es nach südafrikanischem Recht nicht.
Die Anwendbarkeit dieser Doktrin führt nicht nur dazu, dass die sich darauf berufende Vertragspartei von der Erfüllung ihrer Vertragspflichten freigestellt wird, sondern auch alle weiteren Vertragsparteien von der Erfüllung ihrer Pflichten befreit sind. Die Befreiung gilt, solange das Ereignis höherer Gewalt anhält. Anschließend sind die Parteien wieder zur Erfüllung verpflichtet. Anders als bei einer Vertragsklausel kann ohne eine solche Regelung keine endgültige Vertragsbeendigung erreicht werden, unabhängig von der Dauer des Ereignisses höherer Gewalt.