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Wahlergebnis in Taiwan bietet positive Perspektiven
Lai Ching-te hat die Präsidentschaftswahlen am 13. Januar für sich entschieden. Die ersten Auswirkungen auf Taiwans Wirtschaftspolitik zeichnen sich bereits ab.
16.01.2024
Von Alexander Hirschle | Taipei
Aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist der Ausgang der Präsidentenwahl in Taiwan mit dem Sieg von William Lai (auch Lai Ching-te) keine schlechte Nachricht. Der Kandidat der regierenden Partei DPP (Democratic Progressive Party) steht vor allem für Kontinuität der Politik seiner noch bis Mai amtierenden Vorgängerin Tsai Ing-wen. Dazu zählen der Fokus auf Wirtschaftswachstum und sozialen Ausgleich, Förderung der Halbleiterindustrie und Fortsetzung der 2016 eingeläuteten Energiewende hin zu erneuerbaren Energien.
Die Börse in Taipei reagierte am Montag nach dem Wahlwochenende mit steigenden Kursen für Chiphersteller. Auch bei deutschen Firmen aus der Energiebranche ist ein "Aufatmen" zu hören. In anderen Sektoren sehen deutsche Firmenvertreter im Gespräch mit Germany Trade & Invest (GTAI) das Wahlergebnis nüchtern bis neutral. Weder auf den Absatz von Konsumgütern noch auf den von Industrieprodukten seien elementare Auswirkungen zu erwarten. Taiwan gilt wegen des hohen Wohlstands seiner Bevölkerung und des geplanten massiven Ausbaus von Halbleiterkapazitäten als attraktiver Markt.
Lai schlägt moderate Töne an
Die Wahl signalisiert allerdings auch eine Fortsetzung der Eiszeit mit Beijing; zwischen der DPP und der chinesischen Regierung bestehen keine Gesprächskanäle. Dies könnte zum Beispiel den angeschlagenen Immobilienmarkt treffen. Grundsätzlich sei positiv zu bewerten, dass mit der Wahl von Lai die Unsicherheit über den künftigen wirtschaftspolitischen Kurs Taiwans ausgeräumt sei, so Stimmen. Mit einer dramatischen Eskalation in der Taiwan-Straße rechnet eigentlich kein Beobachter. Als geopolitische Schlüsselstelle für den Containertransport und wichtigsten Lieferanten für Hochleistungshalbleiter kommt Stabilität in Taiwan eine hohe Bedeutung zu.
Lai, der ehemalige Bürgermeister von Tainan, gilt als Verfechter demokratischer Werte und einer liberalen Politik. In der Vergangenheit hatte der derzeitige Vizepräsident auch für eine Unabhängigkeit Taiwans plädiert. Doch im Wahlkampf schlug er deutlich moderatere Töne gegenüber dem großen Nachbarn an.
Denn eine Erklärung der Unabhängigkeit Taiwans dürfte zu einer militärischen Auseinandersetzung mit China führen. Diese hätte einen hohen Preis – auch global. Gemäß einer neuen Studie von Bloomberg würde eine kriegerische Auseinandersetzung in der Taiwan-Straße im ersten Jahr zu einem Rückgang von mehr als 10 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts führen. Der Effekt wäre fast doppelt so hoch wie die Auswirkungen der Corona- oder der Finanzkrise.
Schon im Vorfeld Sanktionen aus China
Da die DPP in der zeitgleichen Parlamentswahl nicht die Mehrheit erringen konnte, muss sie künftig bei Abstimmungen mit einer der beiden Oppositionsparteien koalieren. Bis zur Amtseinführung von Lai im Mai 2024 könnte es nach Einschätzung von politischen Beobachtern noch zu diversen Störfeuern von chinesischer Seite kommen. Dazu zählen leichtere militärische Provokationen, Cyberattacken oder auch wirtschaftliche Sanktionen.
Bereits im Vorfeld hatte sich Beijing wiederholt kritisch gegenüber Lai geäußert und die Wahl als Entscheidung zwischen Krieg und Frieden bezeichnet. China setzte Präferenzzölle für Importe diverser chemischer Erzeugnisse aus Taiwan aus. Taipei reagierte mit der Ankündigung, betroffene Unternehmen mit knapp 600 Millionen US-Dollar (US$) zu unterstützen. Zum Einsatz kamen in der Vergangenheit auch Einfuhrstopps für landwirtschaftliche Erzeugnisse oder Sticheleien bei der Zollabwicklung. China bleibt dabei angewiesen auf elektronische Bauelemente aus Taiwan, daher sind in diesem Bereich keine Einschränkungen zu erwarten.
Ziel: Weniger wirtschaftliche Abhängigkeit von China
Auch die neue Regierung wird darauf setzen, die Abhängigkeit von China zu verringern, die Lieferketten zu stärken und die Handelspartner zu diversifizieren. So hat Lai bereits angekündigt, die Zusammenarbeit mit Europa zu intensivieren, was gerade im wirtschaftlichen Bereich Chancen bietet.
In der Region zielt die sogenannte New Southbound Policy auf engere Handels- und Investitionsbeziehungen vor allem mit Südostasien und Indien. Im Rahmen einer Reshoring-Initiative fördert die Regierung in Taipei taiwanische Firmen bei einer Rückkehr aus China auf die Insel. Das erfolgreiche Programm kurbelt die lokale Investitionstätigkeit an.
Gleichzeitig sinken die Investitionen Taiwans im Reich der Mitte sukzessive. Die größten Zuwächse bei den taiwanischen Investitionen verzeichneten im vergangenen Jahr die Länder der ASEAN-Staatengemeinschaft sowie die USA und Deutschland. Hier investiert der Halbleitergigant TSMC in den Aufbau großer Produktionskapazitäten. In Dresden beispielsweise will das Unternehmen 10 Milliarden Euro in eine Chipfabrik investieren und Ende 2027 mit der Produktion beginnen.
Erneuerbare Energien und Wirtschaftswachstum auf der Agenda
Die Wahl wurde auf der Insel selbst vor allem durch innenpolitische Themen beeinflusst. Insbesondere die junge Generation blickt angesichts hoher Mieten und Immobilienpreisen bei gleichzeitig niedrigen Einkommen kritisch in die Zukunft.
Die Regierungspartei DPP hatte zwar im vergangenen Jahr mit einem schwachen Wachstum von nur noch rund 1,4 Prozent zu kämpfen, dem niedrigsten Wert seit der Finanzkrise 2008. Lai bezeichnete im Wahlkampf die digitale Transformation und den Übergang zu alternativen Energien als Motoren des "zweiten taiwanischen Wirtschaftswunders", das er vorantreiben möchte.
Der größere Teil der Bevölkerung scheint ihm dies auch zuzutrauen und hofft, dass er die versprochenen Programme für "unterprivilegierte" Bevölkerungsgruppen und die Gleichheit bei Bildungsmöglichkeiten umsetzt. Der neue Präsident plant ebenso eine Verbesserung des Ökosystems für Start-ups.