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Wirtschaftsumfeld | Thailand | Mindestlohn

Thailand erhöht Mindestlöhne

Arbeitskräfte im Eastern Economic Corridor erhalten jetzt mindestens 400 Baht am Tag.

Von Frank Malerius | Bangkok

Seit dem 1. Januar 2025 gelten in Thailand neue Mindestlöhne. Das zuständige Regierungskomitee hat die Mindestlöhne pro Arbeitstag in 74 der 77 Provinzen zwischen 2,0 und 2,5 Prozent angehoben. In den drei Provinzen des wichtigen Industriezentrums Eastern Economic Corridor (EEC) gab es jedoch deutlich höhere Steigerungen: in Chonburi und Rayong um jeweils 10,8 Prozent und in Chachoengsao sogar um 14,3 Prozent. Im EEC ist ein großer Teil der ausländischen Unternehmen tätig.

Arbeiter und Angestellte haben nun in diesen drei Provinzen Anspruch auf einen täglichen Mindestlohn von 400 Baht. Das entspricht nach dem Jahresdurchschnittswechselkurs von 2024 genau 11,34 US-Dollar (US$) oder 10,53 Euro.

Industrie fehlen Arbeitskräfte

Grund für die starke Mindestlohnanhebung im EEC ist der dortige Personalmangel. Die höheren Untergrenzen sollen Anreize setzen, vor allem für einfachere sowie Hilfstätigkeiten. In der anspruchsvolleren Industrieproduktion wird vielerorts bereits deutlich über dem Mindestlohnniveau gezahlt. 

Neben einem Mangel an Fachkräften zeichnet sich auch ein struktureller Arbeitskräftemangel ab. Die Bevölkerungsgröße Thailands hat ihren Scheitelpunkt erreicht, sodass von Jahr zu Jahr geburtenschwächere Jahrgänge in den Arbeitsmarkt einsteigen. Die Geburtenraten befinden sich auf einem Rekordtief. Studien prognostizieren, dass sich die Bevölkerungszahl in den kommenden 60 Jahren halbieren wird. 

In wenig attraktiven Branchen wie der Landwirtschaft oder der Fischverarbeitung ist Thailand längst auf ausländische Arbeitsmigranten angewiesen. Sie kommen aus den armen Nachbarländern Laos und Kambodscha, aber insbesondere aus Myanmar. In dem westlichen Nachbarland herrscht Bürgerkrieg.

Wenig regionale Differenzierung

Angesichts der regional unterschiedlichen Entwicklungsstände im Land haben die thailändischen Mindestlöhne eine erstaunlich geringe Spreizung. Die höchste Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung wird im EEC und im Großraum Bangkok erzielt. Über 60 Prozent des thailändischen Bruttoinlandprodukts (BIP) entstehen dort zusammengerechnet. Dennoch unterscheidet sich die Höhe der Mindestlöhne in den ärmeren ländlichen Südprovinzen Yala oder Narathiwat um nicht einmal 20 Prozent von denen im EEC. 

Selbst in der Metropolregion Bangkok, wo die Lebenshaltungskosten landesweit am höchsten sind, liegen die Mindestlöhne kaum über denen abgelegener agrarisch geprägter Regionen. Zum Vergleich: Auf Indonesiens Hauptinsel Java sind die Mindestlöhne in urbanen Zentren bis zu zweieinhalb mal so hoch wie in der Peripherie.

Gedämpfte Wirtschaftsentwicklung zwingt zur Zurückhaltung

Die aktuellen Mindestlohnerhöhungen liegen in den meisten Provinzen bei 7 bis 9 Baht, das entspricht 20 bis 26 Dollar-Cent. Der eher gemäßigte Anstieg korrespondiert mit der gedämpften Wirtschaftsentwicklung und einer niedrigen durchschnittlichen Inflation von nur 0,8 Prozent. 

Thailands Wirtschaftsschwäche zwingt die Regierung zur sozialpolitischen Zurückhaltung. Denn in Thailand ist Arbeitskraft vielerorts teurer als beim regionalen Wachstumschampion Vietnam. Das Nachbarland ist der größte Konkurrent um ausländische Direktinvestitionen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich dort mehr verarbeitende Industrie angesiedelt als in Thailand. Um die Jahrtausendwende war die thailändische Wirtschaft noch viermal größer als die vietnamesische. Bereits 2030, also innerhalb nur einer Generation, könnte diese gleichziehen.

Auf US-Dollar-Basis nahezu stabiler Mindestlohn

Arbeitgeber in Thailand kritisieren die Erhöhung der Mindestlöhne. Insbesondere Industrieunternehmen klagen über die dadurch steigenden Produktionskosten. Auch das Hotel- und Gastronomiegewerbe zeigt sich verärgert. Die Arbeit müsse nun auf weniger Angestellte verteilt werden. In Touristenzentren wie Phuket wurde der Mindestlohn in manchen Distrikten ebenfalls auf 400 Baht erhöht. Auch in einigen Metropolregionen gab es auf Distriktebene überdurchschnittliche Anhebungen.

Bis 2016 galt im ganzen Land ein einheitlicher Mindestlohn von 300 Baht. Die ursprünglich von der Regierung geplante Anhebung des Mindestlohns auf landesweit 400 Baht haben die Interessenvertretungen der Arbeitgeber verhindert. Sie dürften auch gegen die Erhöhung auf 600 Baht auf die Barrikaden gehen, die bis zum Jahr 2027 angedacht ist.

Allerdings kompensiert der Wertverlust des Baht - aus Sicht internationaler Firmen - schon seit längerer Zeit die Anhebungen weitgehend: Auf US-Dollar-Basis stieg der tägliche Mindestlohn im EEC zwischen 2013 und 2024 lediglich um knapp 50 Cent. In anderen Provinzen sank er teilweise sogar.

Mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte ist informell beschäftigt

Jenseits der Konkurrenz um Investitionen aus dem Ausland hat der Mindestlohn in Thailand eine beschränkte Bedeutung. Sehr viele Menschen sind informell beschäftigt, ein großer Teil davon ist in der Landwirtschaft tätig. Die offizielle Lohnuntergrenze kommt für sie nicht zum Tragen. Das betrifft 51 Prozent der insgesamt 40 Millionen Werktätigen im Land. 

Der Durchschnittslohn ist statistisch schwer zu bestimmen. Er dürfte in Thailand aufgrund der umfangreichen informellen Beschäftigung jedoch nur wenig über dem Mindestlohn liegen. Überträfe der Anstieg der gesetzlichen Lohnuntergrenze die Produktivitätssteigerung, würde das dem informellen Sektor weiteren Zulauf verschaffen.

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