Branchen | Tschechische Republik | Bauwirtschaft
Branchenstruktur
Das Baugeschäft in Tschechien teilen sich ausländische und einheimische Unternehmen auf. Der Wettbewerb ist groß, auch viele Selbstständige bieten Baudienstleistungen an.
08.11.2023
Von Gerit Schulze | Prag
Tschechiens Bauwirtschaft hatte in den letzten Jahren einen konstanten Anteil von 5,6 Prozent an der Bruttowertschöpfung im Land. Sie hat damit für die Wirtschaftsleistung eine ähnliche Bedeutung wie der Transport- und Logistiksektor. Die Zeit der großen Wachstumsraten, die nach dem EU-Beitritt 2004 einsetzten, ist aber vorerst vorbei. Andere Branchen wie der IT-Sektor, der Fahrzeugbau oder die Logistikbranche entwickeln sich viel dynamischer.
Trotzdem bleibt die Bauwirtschaft ein attraktiver Wirtschaftszweig. Das gilt besonders für Handwerker, die sich selbstständig machen wollen. Nach Angaben des Statistikamtes ČSÚ waren Ende September 2023 über 200.000 wirtschaftlich aktive Subjekte in Tschechiens Bausektor registriert. Das waren rund 5.000 mehr als zwei Jahre zuvor. Da es derzeit einen Boom bei der Installation von Solaranlagen, Wärmepumpen und anderen energetischen Maßnahmen an Gebäuden gibt, drängen viele Einzelunternehmer in den Markt. Das Segment "Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe" (NACE 43) ist das umsatz- und wachstumsstärkste innerhalb der Baubranche. Dazu gehören der gesamte Innenausbau, Elektroinstallationen, Dämmarbeiten, aber auch der Dachausbau und Fassadenarbeiten.
Nur wenige Großbetriebe am Markt
Häufig sparen sich die Baufirmen Steuern und Sozialabgaben, indem sie selbstständige Handwerker als Subunternehmer beschäftigten. Die Zahl größerer Bauunternehmen ist überschaubar. Laut Eurostat gab es 2021 in Tschechien 558 Baubetriebe mit mehr als 50 Beschäftigten. Davon hatten 58 Unternehmen 250 und mehr Mitarbeitende.
Bei den Großaufträgen für umfangreichere Vorhaben teilen sich ausländische Konzerne und starke einheimische Player den Markt auf. Auf die zehn größten Baufirmen entfielen 2022 rund 17 Prozent aller Umsätze in der Baubranche. Unter ihnen sind vier tschechische Unternehmen, die vor allem bei öffentlichen Aufträgen für den Infrastrukturbau erfolgreich sind.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2022 1) | Veränderung 2022 / 2021 |
---|---|---|---|
Metrostav | Infrastrukturbau, Tiefbau, Industriebauten, Verkehrsbauten, unterirdische Bauten | 895,4 | 14,0 |
Strabag | Verkehrsbauten, Tiefbau, Hochbau | 732,2 | 14,2 |
Eurovia CS | Verkehrsbauten, Tiefbau, Infrastrukturbau | 706,8 | 6,2 |
Ohla ŽS | Verkehrsbauten, Tiefbau, Technologiebauten, Wasserbauten | 415,1 | 11,1 |
Skanska | Eisenbahnbauten, Verkehrsbauten, Tiefbau, Hochbau, Beton- und Steinproduktion | 366,1 | 20,6 |
Imos Brno 2) | Hochbau, Wasserbauten, Asphaltproduktion, Entwicklungszentrum, akkreditiertes Testlabor und Zertifizierung für Baustoffe | 362,4 | 36,8 |
Subterra | Infrastrukturbau, Tiefbau, Hochbau, Verkehrsbauten, unterirdische Bauten | 327,3 | 22,4 |
Porr | Hochbau, Verkehrsbauten, Tiefbau, Gebäudezertifizierung | 305,4 | 7,3 |
Swietelsky stavební 2 | Hochbau, Tiefbau, Verkehrsbauten | 295,5 | 4,8 |
Colas CZ | Verkehrsbauten, Tiefbau, Beton- und Steinproduktion, Testlabor für Baustoffe und Straßenbauten | 285,2 | 20,3 |
Hochtief CZ | Hochbau, Verkehrsbauten | 195,1 | 15,9 |
Keine Pleitewelle absehbar
Die aktuelle Flaute beim Auftragseingang hat bislang nicht zu einer Pleitewelle in der Bauwirtschaft geführt. Unter den 559 Handelsgesellschaften, die in Tschechien im 1. Halbjahr 2023 Insolvenz anmelden mussten, waren nur acht aus der Baubranche. Sie waren meist im Wohnungsbau beschäftigt, der zurzeit schwächelt. Das zeigen Zahlen des Czech Credit Bureau (CRIF). Außerdem wurden 126 selbstständige Bauunternehmer zahlungsunfähig. Laut CRIF lag die Insolvenzquote unter den Einzelunternehmen in den vergangenen zwölf Monaten bei 0,4 Prozent.
Hohe Investitionen in Ausrüstungen
Die Baubranche hat in den letzten Jahren ihre Anlageinvestitionen kräftig ausgeweitet. Seit 2017 stiegen die Investitionen um zwei Drittel auf umgerechnet 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2022. Ein Grund dafür könnte der Personalmangel sein, der zu einem höheren Automatisierungsgrad der tschechischen Bauwirtschaft führt.
Die Löhne im Bausektor liegen am unteren Ende der Skala im Land. Im 1. Halbjahr 2023 betrug der Durchschnittslohn im Baugewerbe 35.700 Kronen (Kč, 1.450 Euro, Wechselkurs der EZB am 18. Oktober 2023: 1 Euro = 24,68 Kč). Das war ein nominaler Anstieg um 8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, während die Inflationsrate in der gleichen Periode 10 Prozent erreichte. Allerdings führen die Engpässe bei bestimmten Gewerken dazu, dass spezialisierte Handwerker deutlich höhere Löhne verlangen.
Baustoffhersteller kämpfen mit sinkender Nachfrage
Während der Coronapandemie erlebten Tschechiens Baustoffhersteller ebenso wie die Bauindustrie insgesamt eine Sonderkonjunktur. Der Boom verschaffte vielen Herstellern Rekordgewinne. Inzwischen sieht die Realität trüber aus, weil vor allem der Wohnungsbau eingebrochen ist. Marktteilnehmer sprechen von 30 Prozent weniger Nachfrage nach Grundbaustoffen. Bei Zement, Beton, keramischen Fliesen, Steinen und Ziegeln seien Produktion und Umsätze in den ersten sieben Monaten 2023 erheblich gesunken, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands der Bauunternehmer SPS. Die Branchenvereinigung warnte im September 2023, dass der Produktionsrückgang alarmierend sei und eine Krise auslösen könnte. Zugleich kämpfen die Hersteller mit steigenden Kosten.
Produkte (NACE-Code) | 2022 *) | September 2023 *) |
---|---|---|
Glas und Glaswaren (23.1) | 9,5 | 7,6 |
Keramische Baumaterialien (23.3) | -6,5 | -8,3 |
Zement, Kalk, gebrannter Gips (23.5) | 23,7 | 22,6 |
Erzeugnisse aus Beton, Zement und Gips (23.6) | 11,1 | 11,1 |
Naturstein (23.7) | 0,1 | 0,1 |
Stahlrohre, Rohrverbindungsstücke aus Stahl (24.2) | -18,5 | -16,6 |
Allerdings findet der Preisanstieg nicht auf breiter Front statt. Während sich vor allem Glas, Beton und Zement aufgrund der hohen Energiepreise verteuern, sanken die Erzeugerpreise für keramische Baumaterialien und für Stahlprodukte bis Herbst 2023.
Als starkes Industrieland kann sich Tschechien bei den wichtigsten Baustoffen selbst versorgen, entweder durch eigene Hersteller oder über ausländische Unternehmen, die eine Produktion im Land aufgebaut haben. Dabei sind deutsche Unternehmen stark präsent. Zur Heidelberg Materials AG gehören zum Beispiel Tschechiens größter Zementhersteller Českomoravský cement, die Betonwerke Českomoravský beton sowie der Kies- und Schotterproduzent Českomoravský štěrk.
Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen nötig
Wegen der ambitionierten Klimaschutzziele der EU muss auch die energieintensive Baustoffproduktion in Tschechien ihren Kohlendioxidausstoß senken. Die Zementindustrie plant bis 2030 einen Rückgang um 30 Prozent gegenüber dem Stand von 2020. Dafür sind erhebliche Investitionen notwendig. Ein großes Vorhaben realisiert Českomoravský cement derzeit in seinem Prager Werk Radotín. Dort sollen rund 12 Millionen Euro in die Anschaffung eines neuen Mahlwerks und andere emissionssenkende Maßnahmen investiert werden.
Sparte (NACE-Code) | 2021 | Veränderung 2021 / 2020 |
---|---|---|
Konstruktionsteile, Fertigbauteile, Ausbauelemente und Fertigteilbauten aus Holz (16.23) | 1.502 | 13,8 |
Baubedarfsartikel aus Kunststoff (22.23) | 1.174 | 16,6 |
Glas und Glaswaren (23.1) | 2.215 | 25,4 |
Keramische Baumaterialien (23.3) | 431 | 15,8 |
Sonstige Porzellan- und keramische Erzeugnisse (23.4) | 224 | 12,6 |
Zement, Kalk und gebrannter Gips (23.5) | 586 | 54,1 |
Erzeugnisse aus Beton, Zement und Gips (23.6) | 2.507 | 20,9 |
Be- und Verarbeitung von Naturwerksteinen und Natursteinen (23.7) | 114 | 16,6 |