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Branchen | Türkei | Chemische Industrie

Schwierige Marktbedingungen für die türkische Chemieindustrie

Das Wirtschaftswachstum in der Türkei schwächt sich ab. Inflation und internationale Konkurrenz setzen die chemische Industrie im Land unter Druck.

Von Katrin Pasvantis | Istanbul

Die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen in der Türkei wird durch ein schwaches Wirtschaftswachstum gebremst. Besonders in den Abnehmerindustrien Bau und Textil verzeichnen Chemieunternehmen deutliche Einbußen, da beide Branchen derzeit eine schwierige Phase durchlaufen. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen kämpfen aufgrund der restriktiven Geldpolitik der Zentralbank damit, Kapital für den fortlaufenden Produktionsprozess aufzubringen.

Unter der Annahme, dass die türkische Regierung ihre Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung fortsetzt, könnte das Wirtschaftswachstum im Jahr 2025 weiter zurückgehen. Daher rechnet die Chemiebranche auch für das kommende Jahr mit einer nachlassenden Inlandsnachfrage. Weitere Risiken sind die hohe Inflation, die Entwicklung der Rohstoff- und Energiepreise, steigende Zinsen und eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in wichtigen Exportmärkten wie der EU und den USA.

Ein wesentlicher Einflussfaktor wird auch der Wechselkurs der Türkischen Lira (TL) sein. Während eine schwache Lira die Exporte fördert, verteuert sie gleichzeitig die Importe. Rund 70 Prozent der in der türkischen Chemieproduktion eingesetzten Rohstoffe stammen aus dem Ausland. 

Steigende Konkurrenz aus China und Russland 

Türkische Anbieter stehen zunehmend unter Druck, denn sie müssen mit Chemieimporten aus China und Russland konkurrieren. Da die Türkei keine Sanktionen gegen Russland verhängt hat und auch keine plant, zählt sie zu den Märkten, in denen russische Anbieter ihre Präsenz weiter ausbauen. Gleichzeitig beobachten türkische Chemiehersteller eine zunehmende Konkurrenz aus China – und das nicht nur im Inland, sondern auch in der EU. Branchenkennern zufolge profitieren chinesische Anbieter von Investitionen in bedeutende europäische Häfen, die ihre Transportlogistik verbessern.

Exportprognosen sind optimistisch

Ein bedeutender Anteil der türkischen Chemieproduktion wird exportiert. Im 1. Halbjahr 2024 stiegen die Exporte chemischer Erzeugnisse aus der Türkei um 8 Prozent auf 15,8 Milliarden US-Dollar (US$) (Jahreswert 2023: -9 Prozent). Trotz der aktuellen Herausforderungen bleibt der Istanbuler Fachverband der Exporteure von Chemie und chemischen Erzeugnissen, İKMİB (İstanbul Kimyevi Maddeler ve Mamulleri İhracatçıları Birliği), optimistisch und prognostiziert für das Jahr 2024 eine Erholung der Exporte auf 35 Milliarden US$. Bis zum Jahr 2028 rechnet der Verband mit einem weiteren Anstieg auf 48 Milliarden US$.

Die umsatzstärksten Chemieunternehmen in der Türkei 2023Umsatz in Millionen US-Dollar

Unternehmen

Sparte

Umsatz *)

PetkimPetrochemie

2.515

SasaIndustriechemikalien

1.927

Aksa AkrilikAcrylfaser

995

BASFIndustrie und Bau Chemikalien

877

Akkim KimyaIndustriechemikalien

564

Betek BoyaFarben und Lacke

462

Altin Ates KimyaAgrarchemikalien, Düngemittel

415

Indorama VenturesPET

403

DYOFarben und Lacke

355

Akdeniz ChemsonIndustriechemikalien

345

* umgerechnet zum durchschnittlichen Wechselkurs 2023: 1 US$ = 24,032 TL.Quelle: Wirtschaftsmagazin "Capital", Nr. 8/2024

Pharmaproduktion nimmt zu

Die lokale Produktion von Arzneimitteln in der Türkei wächst, auch die Exporte legen zu. Die größten Absatzmärkte 2023 waren Südkorea, Ungarn und Georgien. Die wichtigsten Lieferländer waren dagegen Deutschland, die USA und China. Ende 2023 gab es 109 Produktionsstätten, die Arzneimittel nach internationalem Standard herstellen, vier für Diätnahrung für besondere medizinische Zwecke und 13 Produktionsstätten für Rohstoffe. 

Der Inlandsabsatz auf dem türkischen Pharmamarkt ist gestiegenIn Milliarden Stück Verpackungen
 

2020

2021

2022

2023

Inlandsabsatz 

2,2

2,4

2,6

4,0

Produktion

2,4

2,6

2,8

2,9

Importe

0,3

0,3

0,2

0,2

Quelle: Türkischer Verband der Pharmahersteller IEIS 2024; Türkische Staatsagentur für Arzneimittel und Medizinprodukte TITCK 2024

Auch wertmäßig entwickelt sich der Inlandsabsatz der Pharmaindustrie steil nach obenIn Milliarden US-Dollar
 

2020

2021

2022

2023

Inlandsabsatz

6,8

6,9

6,6

8,9

Produktion

3,5

3,6

3,6

5,1

Exporte

1,8

 1,9

1,9

2,2

Importe 

5,6

7,5 

5,3

3,7

Durchschnittlicher Wechselkurs 1 US$ = … TL

7,02

8,89

16,58

24,03

Quelle: IEIS 2024; TITCK 2024

Farbenindustrie auf Wachstumskurs

Die türkische Farbenindustrie wird 2024 voraussichtlich um 20 Prozent wachsen, prognostizierte Kenan Baytaş, der Vorstandsvorsitzende des Fachverbands BOSAD Ende April. Die Branche exportiert bislang vor allem in Entwicklungsländer. Die Investitionen der großen Farbenhersteller konzentrieren sich auf die Verbesserung der Produktqualität und die Erhöhung der Produktvielfalt. Damit könnten die Absatzmöglichkeiten in den Industrieländern steigen. Die lokale Fertigung beläuft sich laut Baytaş auf 600.000 Tonnen, doch 70 Prozent der Rohstoffe werden importiert. Zehn Unternehmen dominieren 85 Prozent der lokalen Produktion und Exporte.

Investitionen der Kunststoffindustrie gehen zurück

Der Kunststoffverband PAGEV rechnet für 2024 mit einer starken Zunahme der Inlandsnachfrage nach Kunststoffen. Gleichzeitig erwartet er jedoch einen drastischen Rückgang der Exporte, so dass die Produktion im Gesamtjahr mengenmäßig leicht sinken wird. 

Die Investitionen in Maschinen dürften ebenfalls rückläufig sein. Im 1. Halbjahr 2024 sanken die Inlandsverkäufe um 7 Prozent. Für das Gesamtjahr wird ein Rückgang um 26 Prozent auf 1,2 Milliarden US$ erwartet. Die lokale Produktion von Maschinen zur Kunststoffverarbeitung könnte um 32 Prozent auf 755 Millionen US$ sinken sowie die Importe um 15 Prozent auf 790 Millionen US$.

Türkei importiert voraussichtlich weniger KunststofferzeugnisseNach Menge in 1.000 Tonnen; Veränderung in Prozent

Messgröße

1.HJ 2024

Veränderung *)

Prognose Veränderung Gesamtjahr 2024 *)

Produktion

5.026

-5,3

-3,2

Import

374

-3,1

-1,8

Export

1.295

2,9

-55,3

Inlandsnachfrage

4.105

-7,4

53,5

* Veränderung im Vergleich zur Vorjahresperiode.Quelle: Kunststoffverband PAGEV 2024

Die Inlandsnachfrage nach Kunststofferzeugnissen hingegen steigt wertmäßig drastisch anNach Wert in Millionen US-Dollar; Veränderung in Prozent

Messgröße

1.HJ 2024

Veränderung*)

Prognose Veränderung Gesamtjahr 2024*)

Produktion

26.834

-7,1

53,0

Import

1.997

-5,0

-4,3

Export

3.615

-1,4

-2,4

Inlandsnachfrage

25.216

-7,7

58,4

* Veränderung im Vergleich zur Vorjahresperiode.Quelle: Kunststoffverband PAGEV 2024

Düngemittelindustrie könnte sich außerhalb der EU orientieren

Die Exporte für Düngemittel verzeichneten im 1. Halbjahr 2024 eine Steigerung von fast 60 Prozent. Die höchsten Ausfuhren gingen nach Rumänien, mit deutlichem Abstand gefolgt von der Ukraine, Aserbaidschan, Iran und Kenia. Die Einführung der CO2-Bepreisung auf Düngemittelimporte in die EU im Rahmen des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) ab dem Jahr 2026 wird erhebliche Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit türkischer Exporte im rumänischen Markt haben. Die CBAM-Abgabe wird die türkischen Exporte nach Rumänien und in andere EU-Länder verteuern. Deshalb könnten türkische Unternehmen künftig alternative Absatzmärkte außerhalb der EU anstreben.

Neue Investitionen stärken die lokale Produktion und verringern die Importabhängigkeit. Mit diesem Beispiel geht einer der größten türkischen Düngemittelhersteller İGSAŞ mit der Eröffnung einer Betriebsstätte im Juli 2024 in Samsun voran. Die Branche sieht Chancen im Ausbau neuer Märkte und der Erhöhung der Produktionskapazitäten.

Digitale Expansion der Kosmetikbranche trifft auf gedämpfte Kauflust

Die Beauty-Branche erlebt einen Boom im digitalen Geschäft, getrieben durch starkes Wachstum im E-Commerce und auf Social Media. Die Branche nutzt die Digitalisierung, um neue Zielgruppen zu erreichen und die Markenbekanntheit zu steigern. Zu den führenden Onlinehändlern zählen Gratis, Watsons, Sephora und Rossmann. Allerdings wird die Kauflaune der Konsumenten durch hohe Inflation und sinkende reale Haushaltseinkommen gedämpft. Erste Berichte deuten darauf hin, dass die Nachfrage nach Körperpflegemitteln und dekorativer Kosmetik ebenfalls nachlässt.

Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in der TürkeiIn Millionen US-Dollar
AkteurProjekt

Investitionssumme

Anmerkungen
SOCARMercury Petrochemie Komplex in Izmir, Kapazität: 1,25 Mio. tpa PTA, 840.000 tpa PX, 340.000 tpa Benzol

2.000

Das Projekt ist pausiert
Bayegan, Sonatrach, RonesansPolypropylen Produktion in der Ceyhan Industriezone in Ceyhan; 450.000 tpa

1.900

Geplante Fertigstellung: Dezember 2027
Merinos Halı Sanayi ve Ticaret Bau einer Polyethylenterephthalat Anlage mit einer Kapazität von 36.000 Tonnen pro Jahr

240

Geplante Fertigstellung: Dezember 2026
Maleik Anhidrit Uretim A.Ş. Dilovasi Bau einer Produktionsanlage in Dilovası für Maleinsäureanhydrid mit einer Kapazität von 50.000 Tonnen 

120

Geplante Fertigstellung: Dezember 2027
Quelle: Meed Projects 2024; Pressemeldungen 2024

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