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Wirtschaftsumfeld | Türkei | Außenhandel

Deutschland ist nicht mehr wichtigster Handelspartner der Türkei

Russland wird wohl neuer Spitzenreiter für das Jahr 2022. Das zeigen die Daten bis November. China könnte ebenfalls an Deutschland vorbeigezogen sein.

Von Katrin Pasvantis | Istanbul

Deutschland war über viele Jahre hinweg der wichtigste Handelspartner der Türkei. Sowohl bei Import- als auch Exportware. Im Jahr 2022 hat Russland diese Position erobert. Das geht aus den vorläufigen Daten des türkischen Statistikamts TÜIK zum Außenhandel für Januar bis November hervor. In diesem Zeitraum hat Russland Deutschland bereits mit deutlichem Vorsprung überholt.

Spannend wird es bei China. Die Volksrepublik hat rasant aufgeholt und könnte Deutschland im Dezember auch noch vom zweiten Rang gestoßen haben. 

Ringen um den zweiten Platz

Von Januar bis November 2022 wurden zwischen der Türkei und Russland Waren im Wert von 62 Milliarden US-Dollar (US$) gehandelt, meldet TÜIK. Mit Deutschland im- und exportierte das Land am Bosporus im gleichen Zeitraum insgesamt 40,9 Milliarden US$. Ohne die türkischen Energieimporte aus Russland dürfte Deutschland indes weiter der wichtigste Handelspartner sein.

Aber Russland ist nicht das einzige Land, das Deutschland die Top-Position unter den Handelspartnern der Türkei streitig macht. Der Handel mit China zog bis November rasant auf 40,6 Milliarden US$ an und ist nun nahezu gleichauf mit Deutschland. 

Bei Russland waren es vor allem die Energieimporte, die das Handelsvolumen stark erhöht haben. Dazu haben wesentlich Preiseffekte beigetragen. Die türkischen Exporte nach Russland haben von Januar bis November 2022 im Vorjahresvergleich um rund 55 Prozent zugelegt, sie haben aber einen geringeren Anteil am bilateralen Handel (Importe: 54 Milliarden US$ ; Exporte: 8 Milliarden US$). Die Türkei plant bislang keine Sanktionen gegen Russland.

Bei China sind ebenfalls die türkischen Importe für den Anstieg des gemeinsamen Handels ausschlaggebend (Importe: 37,7 Milliarden US$; Exporte: 2,9 Milliarden US$). Aber der Produktfächer ist viel breiter als bei Russland aufgestellt und stärker auf gefertigte Waren und Erzeugnisse ausgerichtet. Bei vielen Importgütern dürften die chinesischen Anbieter in direkter Konkurrenz zu den deutschen Lieferungen stehen. 

Deutschland bleibt wichtigste türkische Exportdestination

Anders als beim bilateralen Handel mit Russland oder China fallen beim Handel zwischen der Türkei und Deutschland auch die türkischen Exporte nach Deutschland ins Gewicht (Import: 21,6 Milliarden US$; Exporte: 19,3 Milliarden US$). Der Handel war im betrachteten 11-Monats-Zeitraum 2022 recht ausgeglichen.

Für die Türkei ist Deutschland seit Jahren das mit Abstand wichtigste Exportland. Viele deutsche Unternehmen beziehen Waren und Zulieferungen aus der Türkei oder produzieren selber vor Ort. Die Türkei hat durch die Nearshoring Bestrebungen im Zuge der Coronapandemie als Zulieferstandort weiter an Bedeutung gewonnen. Zudem sind die türkischen Lieferungen durch die schwache türkische Lira attraktiver geworden.

Aus deutscher Sicht ist die Türkei deshalb auch ein wichtiger Handelspartner, wenngleich im weltweiten Vergleich weniger hervorstechend. In der deutschen Außenhandelsstatistik liegen die jüngsten Daten zur Rangfolge der Handelspartner für 2021 vor. Hier rangiert die Türkei nach Handelsumsatz auf Rang 17 (Rang deutscher Importe: 18; Exporte: 16).

Türkei: Top-Lieferländer (in Milliarden US-Dollar; Veränderung in Prozent)

Januar-November 2022

Veränderung1)

Russland2)

54,3

112,4

China

37,7

29,7

Deutschland

21,6

9,2

USA

14,0

20,1

Schweiz

12,9

348,9

Italien

12,7

21,5

Indien

10,1

39,9

1 gegenüber Januar bis November 2021; 2 Zum Vergleich: Türkische Gasimporte 2022 insgesamt: 331,1 Milliarden US$, Anstieg im Vorjahresvergleich: 36,6 Prozent Quelle: Türkisches Statiskamt Türk İstatistik Kurumu (TÜİK) 2023

Importe aus Deutschland wachsen langsamer 

Die deutschen Lieferungen in die Türkei haben in den ersten elf Monaten 2022 der türkischen Statistik zufolge um 9 Prozent zugelegt. Andere wichtige Lieferländer verzeichneten jedoch deutlich höhere Zuwächse. Die schwache Lira verteuert die Importe aus Deutschland und schwächt die Wettbewerbsposition. Das gilt indes auch für die Konkurrenz. Insgesamt legten die türkischen Importe um knapp 37 Prozent zu. Deutschland konnte an diesem Anstieg nur unterdurchschnittlich partizipieren und verlor deshalb Lieferanteile.

Türkische Importe aus Deutschland nach Warengruppen (in Millionen US-Dollar; Veränderung in Prozent)

SITC

Warengruppe

Januar-November 2022

Veränderung*)

Insgesamt

21.564

9,2

78

Kfz

3.461

7,1

71-74

Maschinen

4.462

-0,2

79240

Flugzeuge (> 15 Tonnen)

1.197

195,6

77

Elektrische Maschinen

1.119

7,9

57

Kunststoffe

1.083

12,3

54

Arzneimittel

889

-27,6

59

Chemische Erzeugnisse

691

11,6

69

Metallerzeugnisse

600

10,1

87

Mess-, Prüf- und Kontrollinstrumente

593

-4,5

*gegenüber Januar bis November 2021Quelle: Türkisches Statistikamt TÜİK 2023

Autos und Maschinen sind deutsche Exportschlager

Die wertmäßig wichtigsten türkischen Importe aus Deutschland waren TÜIK zufolge Straßenfahrzeuge, insbesondere Pkw und Kfz-Teile, außerdem Maschinen, Flugzeuge (Airbus Auslieferungen über Hamburg) sowie Kunststoffe. Bei Arzneimitteln gingen die Lieferungen von Januar bis November 2022 im Vorjahresvergleich stark zurück. Ein wichtiger Grund könnte das türkische Preismodell mit fixierten Wechselkursen für Importmedikamente sein. Branchenberichten zufolge war der Euro-Lira Wechselkurs zuletzt so deutlich unter dem Marktpreis fixiert, dass der Verkauf vieler Medikamente in die Türkei für deutsche Hersteller zum Minusgeschäft wurde. Sie stellten Lieferungen ein. Mit Gültigkeit ab Dezember 2022 wurde der Wechselkurs nach oben angepasst und spiegelt derzeit in etwa den Marktkurs wider. Damit könnten auch die deutschen Medikamentenlieferungen wieder anziehen.

Russland dürfte im betrachteten Zeitraum vorwiegend Energieträger in die Türkei geliefert haben, insbesondere Gas, Erdöl und Steinkohle. Allerdings weist die türkische Statistik nur noch einen geringen Teil der türkischen Erdöl- und Gas-Importe explizit als solche aus. Andere wichtige Einfuhrgüter waren Eisen und Stahl sowie Nichteisenmetalle (NE-Metalle) und Weizen.

Bei China waren Maschinen die wertmäßig größte Lieferposition. Es folgten Eisen und Stahl, organische chemische Produkte, kabelgebundene Telefon- und Telegrafengeräte sowie textile Produkte.

Die USA lieferten im betrachteten Zeitraum wertmäßig vor allem Metallerze und Schrott sowie Textilfasern, Erdgas und stromerzeugende Maschinen. Aus der Schweiz importierte die Türkei vornehmlich Gold. Aus Italien kamen hauptsächlich Maschinen und Teile dafür, raffinierte Erdölprodukte sowie Eisen und Stahl. Indien lieferte insbesondere raffinierte Erdölprodukte, mit deutlichem Abstand gefolgt von Eisen und Stahl, textilen Produkten und NE-Metallen.

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