Wirtschaftsumfeld | China | Außenhandel
Chinas Außenhandel mit der Europäischen Union wächst langsamer
Die Volksrepublik will trotz westlicher Sanktionen enger mit Russland zusammenarbeiten. Beim deutsch-chinesischen Warenhandel rücken Abhängigkeiten stärker in den Fokus.
01.09.2022
Von Katharina Viklenko | Bonn
Das Wachstum von Chinas Außenhandel hat sich in den ersten sechs Monaten 2022 deutlich abgeschwächt. Hatte die Volksrepublik bei der Aus- und Einfuhr 2021 noch Zuwächse von jeweils rund 30 Prozent verbucht, so legten die Exporte von Januar bis Juni 2022 nur um etwa 14 Prozent zu. Bei den Importen ließ die Dynamik noch stärker nach: Sie stiegen im genannten Zeitraum um weniger als 6 Prozent.
Aus der Europäischen Union importierte das Reich der Mitte im 1. Halbjahr 2022 rund 7,6 Prozent weniger Waren als noch im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Hingegen wuchs die Bedeutung von Russland als Importmarkt. China steigerte die Einfuhren aus dem Land um nahezu 50 Prozent.
2021 | Veränderung | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung | |
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Einfuhr gesamt, darunter aus | 2.688 | 30,1 | 1.347 | 5,7 |
USA | 180 | 32,7 | 91 | 3,6 |
EU(27) | 310 | 19,9 | 143 | -7,6 |
ASEAN(10) | 395 | 30,8 | 195 | 5,3 |
Russland | 79 | 37,5 | 51 | 48,2 |
Ausfuhr gesamt, darunter nach | 3.364 | 29,9 | 1.732 | 14,2 |
USA | 576 | 27,5 | 293 | 15,8 |
EU(27) | 518 | 32,6 | 277 | 19,1 |
ASEAN(10) | 484 | 26,1 | 263 | 16,6 |
Russland | 68 | 33,8 | 30 | 2,1 |
China intensiviert Warenaustausch mit Russland
Die Volksrepublik und Russland rücken nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich enger zusammen. Das gilt auch für den Warenhandel, wo China die Lücke der westlichen Handelspartner zu füllen sucht. Das Reich der Mitte beteiligt sich zwar nicht an den Sanktionen, die europäische und zahlreiche weitere Staaten infolge des Angriffskrieges auf die Ukraine gegenüber Russland verhängt haben. Aber die Volksrepublik scheint die Isolierung Russlands auf der Handelsbühne zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Schon zu Jahresbeginn 2022 vereinbarten die Regierungen beider Staaten umfangreiche Investitionsprojekte und Handelsgeschäfte. So sieht eine Roadmap vor, den bilateralen Handel bis 2024 auf 200 Milliarden US-Dollar (US$) zu steigern. Zum Vergleich: Der deutsch-chinesische bilaterale Handel betrug 2021 rund 290 Milliarden US$. Nach Angaben des chinesischen Zolls erzielte das Handelsvolumen zwischen Russland und China 2021 einen Rekordwert von mehr als 145 Milliarden US$. Gegenüber dem Vorjahr kam dies einer Steigerung von 36 Prozent gleich.
Nach einem kurzen Einbruch in den ersten Monaten 2022 legten die chinesischen Einfuhren aus Russland im gesamten 1. Halbjahr 2022 deutlich zu, was vermutlich auf höhere Energieimporte zurückzuführen ist. Für China ist Russland nach Saudi-Arabien traditionell der zweitwichtigste Bezugsmarkt von Erdöl. Zugleich schränkt Beijing die Publikation von Handelsdaten ein. Seit Januar 2022 hat die chinesische Zollbehörde die Veröffentlichung von Daten eingestellt, die die monatlichen Erdgasimporte per Pipeline aus Russland zeigen. Die Behörde verwies auf die Notwendigkeit, "legitime kommerzielle Interessen der Im- und Exporteure" zu schützen.
Symbolisches Muskelspiel im Taiwan-Konflikt
Auf den Besuch der US-Politikerin Nancy Pelosi Anfang August 2022 reagierte China mit aggressiver Rhetorik. Neben militärischen Manövern belegte Beijing Taiwan vereinzelt mit Sanktionen. So wurde der chinesische Export von Sand nach Taiwan eingeschränkt, ein wichtiges Vorprodukt für die Baubranche. Hinzu kamen Importverbote für diverse Nahrungsmittel. Insgesamt haben die Maßnahmen aber einen symbolischen Charakter. Beide Länder sind über den Außenhandel eng miteinander verbunden. Taiwan bezieht mehr als ein Fünftel seiner Einfuhren und liefert fast 30 Prozent seiner Ausfuhren nach China. Für die Volksrepublik ist die Insel ein bedeutender Lieferant von Halbleitern.
China immer häufiger Konkurrent
Im Jahr 2021 war China schon das sechste Jahr in Folge Deutschlands größter Partner im Außenhandel. Zuletzt wurden immer neue Rekordsummen mit dem Reich der Mitte gehandelt. Während der Coronapandemie stieg die Volksrepublik zum zweitwichtigsten Abnehmer deutscher Waren auf. Für den Wohlstand der Bundesrepublik, der in hohem Maße vom Export abhängt, nehmen die Risiken deutlich zu. Zudem will die politische Führung in Beijing die Abhängigkeit von ausländischen Zulieferungen minimieren und durch die Entwicklung eigener Technologien immer mehr Produkte im eigenen Land herstellen.
Zugleich laufen chinesische Konkurrenten deutschen Exporteuren auf Drittmärkten in immer mehr Kernbranchen den Rang ab. Im Jahr 2020 hat die Volksrepublik erstmals Deutschland als Exportweltmeister im Maschinenbau überholt. Für deutsche Unternehmen wird der Umgang mit China zu einem Balanceakt.
Deutschlands Abhängigkeit im Außenhandel auf Rekordhoch
Insbesondere auf der Importseite ist die Bundesrepublik stark von China abhängig. Dabei hat die Bedeutung in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Mit 13 Prozent erreichte der chinesische Lieferanteil im 1. Halbjahr 2022 einen neuen Spitzenwert. Aus keinem anderen Land führt Deutschland mehr Waren ein. Bei zahlreichen Vorprodukten bestehen zudem einseitige Interdependenzen. Ein Beispiel ist der Bezug von seltenen Erden: Laut Experten kontrollieren chinesische Firmen mehr als 70 Prozent der weltweiten Produktion und über 90 Prozent der Verarbeitung.
Gemäß einem aktuellen Kurzbericht des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) vom August 2022 ist Deutschlands Abhängigkeit von dem asiatischen Land auch bei den Direktinvestitionen weiter gewachsen. Im 1. Halbjahr 2022 flossen so viel deutsche Investitionen wie noch nie in die Volksrepublik.
Alternativen zu China sind nicht immer einfach zu finden, sodass Firmen beim Verlagerungsprozess an Grenzen stoßen. Mehr Diversifizierung bei Handels- und Investitionsbeziehungen steht aber im Fokus von Firmen, etwa zu anderen Volkswirtschaften in Asien oder Südamerika.
Ex- und Importe aus China divergieren immer stärker auseinander. Deutsche Einfuhren aus der Volksrepublik wuchsen von Januar bis Juni 2022 um mehr als 46 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Lieferungen ins Reich der Mitte legten hingegen mit einem Plus von 2,9 Prozent nur leicht zu. Betrachtet man die Daten auf US-Dollar-Basis, gingen deutsche Exporte nach China sogar um 6,6 Prozent zurück. Damit rutschte die Volksrepublik auf Rang vier der größten deutschen Abnehmermärkte ab.
Bei den wichtigsten Lieferpositionen "made in Germany" verzeichneten in den ersten sechs Monaten 2022 lediglich Straßenfahrzeuge ein zweistelliges Wachstum. Ausfuhren von Maschinen, zweitwichtigstes Exportgut nach China, sanken um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Warengruppe | SITC-Position | 2021 | Veränderung | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung |
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Gesamt | 0 bis 9 | 103,7 | 8,2 | 54,0 | 2,9 |
Straßenfahrzeuge | 78 | 26,7 | 9,4 | 15,7 | 11,0 |
Maschinen | 71 bis 74 | 21,7 | 6,9 | 10,6 | -4,0 |
Chemische Erzeugnisse | 5 | 12,2 | 17,3 | 6,5 | 9,1 |
Elektrotechnik | 77 minus 776 | 12,8 | 10,3 | 6,4 | 2,3 |
Mess- und Regeltechnik | 87 | 7,7 | 10,6 | 3,9 | 3,6 |
Elektronik | 75, 76, 776 | 5,1 | 1,1 | 2,7 | 9,3 |
Sonstige Fahrzeuge | 79 | 4,5 | 21,4 | 2,0 | -7,1 |