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Special | Tunesien | Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz | Umsetzungshilfe Risikoanalyse

Verstoß gegen das Verbot von Zwangsarbeit und aller Formen der Sklaverei

Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse Tunesien unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 u. 4 LkSG)

Kurzbeschreibung: Indikatoren für Zwangsarbeit sind das Einbehalten von Löhnen, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Beschäftigten, das Einbehalten von Ausweisdokumenten, die Schaffung unzumutbarer Arbeits- und Lebensverhältnisse durch Arbeit unter gefährlichen Bedingungen, unzumutbare Unterkünfte, exzessives Maß an Überstunden sowie die Anwendung von Drohungen und/oder Gewalt. Beispiele für Zwangsarbeit sind insbesondere Menschenhandel und Schuldknechtschaft. Das Verbot von Sklaverei umfasst sämtliche Formen von Herrschaftsausübung oder Unterdrückung im Umfeld der Arbeitsstätte, wie auch die extreme wirtschaftliche Ausbeutung und Erniedrigung.

Gesetzliche Grundlagen

Tunesien ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO) und hat neun von zehn Kernübereinkommen ratifiziert (Stand: September 2024). Dazu gehören das hier relevante Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit (ILO-Übereinkommen Nr. 29) sowie das Übereinkommen über die Abschaffung von Zwangsarbeit (ILO-Übereinkommen Nr. 105). Das ILO-Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit hat Tunesien hingegen noch nicht ratifiziert. Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country.

Auf nationaler Ebene verbieten zahlreiche Gesetzestexte Zwangsarbeit. Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.

Weiterführende Informationen zu Definition und rechtlichen Instrumenten bezüglich des Verbots von Zwangsarbeit und Sklaverei bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.

Risiken

Tunesien ist nach dem Global Slavery Index 2023, der unter anderem die Verbreitung von Zwangsarbeit und Menschenhandel weltweit bewertet, in der Kategorie Vulnerability to Modern Slavery mit 48/100 Punkten bewertet. Je höher der Wert, desto höher fällt das Risiko in Bezug auf Anfälligkeit für Zwangsarbeit aus. Diese ist in Tunesien laut Index geringer als für den gesamten Kontinent Afrika, der einen Durchschnittswert von 63 von 100 Punkten erzielt. Im Vergleich zu den beiden regionalen Vergleichsländern Marokko (44/100) und Algerien (43/100) liegt Tunesien mit 48/100 Punkten bei der Bewertung auf Platz drei. 

Nach dem Global Slavery Index sind von je 1.000 Personen 2,3 von Zwangsarbeit betroffen; 27.000 insgesamt. Die Anfälligkeit für Zwangsarbeit ist laut Global Slavery Index am höchsten in Bezug auf entrechtete Gruppen. Mit der zunehmenden Einreise von subsaharischen Flüchtlingen/Migranten im Transit zur zentralen Mittelmeerroute entsteht eine neue, für Zwangsarbeit extrem vulnerable Gruppe. Bislang sind jedoch keine systematischen Strukturen extremer Ausbeutung zu beobachten, vielmehr handelt es sich um Einzelfälle und diese eher im Bereich der Landwirtschaft.

Überstunden sind beispielsweise in der Textilindustrie anzutreffen, allerdings sind diese nicht exzessiv. Beschäftigte in der Textil- und Bekleidungsbranche arbeiten häufig unter dem 48-Stunden-Regime. Das führt laut Berichten der Fair Wear Foundation allerdings dazu, dass die Arbeitnehmerinnen teilweise unter der Woche mehr als 8 Stunden pro Tag arbeiteten, um am Samstag einen freien Tag zur Unterstützung der Familie zu haben.

Der gesetzliche Rahmen bietet zwar einen starken Schutz gegen Formen der wirtschaftlichen Ausbeutung aber aufgrund der großen Zahl informell Beschäftigter sind Randgruppen oder besonders gefährdete Arbeitnehmende nicht immer wirksam geschützt. Nach Angaben des Tunesischen Forums für wirtschaftliche und soziale Rechte (FTDES) sind über 90 Prozent der Frauen aus ländlichen Regionen bei ihrer Tätigkeit im Agrarsektor nicht sozialversichert. Präsident Kais Saied hat Ende August 2024 die Schaffung eines Sozialschutzfonds angekündigt, der für Landarbeiterinnen eine Krankenversicherung gegen Arbeitsunfälle sowie eine Rentenversicherung sicherstellen soll.  

Um mögliche Zwangsarbeitsrisiken in anderen Branchen Tunesiens zu ermitteln, können Unternehmen auf den CSR Risiko-Check zurückgreifen.

Präventions- und Abhilfemaßnahmen

Die AHK Tunesien ist Teil des weltweiten Netzwerkes der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) zur Förderung der deutschen Außenwirtschaftsbeziehungen. Sie bietet praxisbezogene Marktinformationen, konkrete Geschäftspartnervermittlungen, umfassende Investitionsberatung sowie Fachveranstaltungen. 

Am 23. April 2024 wurde der Responsible Business Helpdesk (RBH) in Tunesien offiziell eingerichtet. Der Helpdesk wird vom tunesischen Arbeitgeberverband Union Tunisienne de l'Industrie, du Commerce et de l'Artisanat (UTICA) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) betrieben. 

Das Netzwerk wird von der Initiative für globale Solidarität (IGS) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt. Für Beratungen kann die Koordinatorin des Zentralbüros des RBH und Verantwortliche in der Zentraldirektion für soziale Angelegenheiten bei der UTICA, Manel Zawali, kontaktiert werden: +216 98 692 604 beziehungsweise zawalimanel@yahoo.fr.

Für die Identifizierung von Zwangsarbeit vor Ort steht die Eliminating and Preventing Forced Labour: Checkpoints app der ILO zur Verfügung. Für den Austausch von Unternehmen in Lieferketten zur Eliminierung von Zwangsarbeit bietet sich das Global Business Network on Forced Labour an. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots der Beschäftigung von Personen in Zwangsarbeit und Sklaverei können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Zwangsarbeit im Sorgfaltsprozess adressieren und Arbeitszeiten im Sorgfaltsprozess adressieren eingesehen werden.

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