Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Krieg in der Ukraine
Finanzielle Unterstützung für die Ukraine bleibt ungebrochen
Nach einem Jahr Krieg schnüren internationale Geber weiter milliardenschwere Hilfspakete für die Ukraine. Nun hofft das Land auf den Abschluss eines neuen IWF-Programms.
21.03.2023
Von Verena Matschoß | Bonn
Das Ausmaß der Zerstörung in der Ukraine ist ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs verheerend. Bis Dezember 2022 wurden laut Kyiv School of Economics (KSE) knapp 150.000 Wohngebäude, 1.131 Gesundheitseinrichtungen und 195.000 Fahrzeuge beschädigt oder zerstört.
Die Infrastrukturschäden werden auf 36 Milliarden US-Dollar (US$) geschätzt, bei Industrie- und Unternehmensanlagen auf 13 Milliarden US$. Insgesamt erreichten die Kriegsschäden laut KSE bis Februar 2023 einen Wert von 140 Milliarden US$.
Die Kosten für den Wiederaufbau wird die Ukraine nicht alleine stemmen können, schon jetzt ist sie stark auf internationale Unterstützung angewiesen. Und die Welle der Hilfsbereitschaft für die Ukraine ist groß. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) erhielt das Land bis zum 15. Januar 2023 Hilfszusagen in Höhe von 144 Milliarden Euro. Die USA haben der Ukraine bereits über 73 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten folgen mit 55 Milliarden Euro.
"Die Amerikaner sind in der Unterstützung der Ukraine der Taktgeber."
So bilanziert Christoph Trebesch die finanzielle Unterstützung nach einem Jahr Ukrainekrieg. Der Ökonom leitet das Team, das den Ukraine Support Tracker erstellt, und meint: "Die Zögerlichkeit der Europäer im ersten Kriegsjahr ist ein bemerkenswertes Phänomen, zumal finanzielle Ressourcen schnell mobilisierbar sind." Das zeige etwa der Umfang der Finanzhilfen, die Regierungen zum Dämpfen des Energiepreisschocks im eigenen Land bereitstellten, fügt Trebesch hinzu.
Deutschland ist innerhalb Europas zum größten Geber aufgestiegen. Zusammen mit den Zusagen, die über die EU gemacht wurden, steht die Bundesrepublik für Unterstützung im Wert von 13,3 Milliarden Euro. Estland und Lettland sind allerdings Spitzenreiter gemessen an ihrer Wirtschaftskraft. Sie haben schon etwa 1 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die Ukraine zugesagt, Deutschland etwa 0,2 Prozent. Die EU-Hilfen hinzugerechnet, liegt der Anteil für Deutschland bei 0,36 Prozent.
Kiew muss riesiges Haushaltsloch stopfen
Bei sinkenden Steuereinnahmen und höheren Staatsausgaben reißt der Krieg ein riesiges Loch in den ukrainischen Staatshaushalt. Finanzminister Serhij Martschenko kalkuliert für 2023 mit einem Haushaltsdefizit in Höhe von 38 Milliarden US$. Gleichzeitig hofft die Regierung auf weitere Finanzhilfen von internationalen Partnern, wie den USA, der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF).
Sie dürfte dabei nicht enttäuscht werden, denn seit Ende 2022 haben die Finanzzusagen noch einmal an Fahrt aufgenommen. Die Finanzminister der sieben führenden Industrienationen (G7) haben am 23. Februar 2023 nach ihrem Treffen im südindischen Bengaluru mitgeteilt, dass sie der Ukraine in diesem Jahr 39 Milliarden US$ an wirtschaftlicher und Budgethilfe zur Verfügung stellen werden. Das Geld soll der Regierung helfen, den Staatsbetrieb aufrechtzuerhalten, staatliche Dienstleistungen weiter anbieten zu können, aber auch beschädigte Infrastruktur zu reparieren und die Wirtschaft zu stabilisieren.
Der Löwenanteil der Hilfen wird aus den USA kommen. Die Vereinigten Staaten haben in ihrem Staatshaushalt für 2023 knapp 45 Milliarden US$ für die Ukraine vorgesehen, rund 13 Milliarden US$ davon für Wirtschaftshilfe.
Von der Europäischen Union wird die Ukraine 18 Milliarden Euro in Form zinsgünstiger Kredite erhalten. Die erste Tranche über 3 Milliarden Euro wurde am 17. Januar 2023 ausgezahlt.
Abschluss eines neuen Programms mit dem IWF rückt näher
Allerdings wird das Geld vermutlich nicht ausreichen, um den Finanzbedarf der Ukraine dieses Jahr zu decken. Der Abschluss eines neuen IWF-Programms könnte hier Abhilfe schaffen. Nach einem Treffen mit IWF-Chefin Kristalina Georgieva am 20. Februar 2023 in Kiew hofft Premierminister Denys Schmyhal auf ein Unterstützungsprogramm in Höhe von 15,6 Milliarden US$ und mit einer Laufzeit von vier Jahren. Das Programm wird aus zwei Teilen bestehen - einer Soforthilfe und einer Unterstützung des Wiederaufbauprogramms der Ukraine. Am 21. März 2023 erzielte das IWF-Team darüber mit den ukrainischen Behörden eine Einigung auf Stabsebene, die noch der Genehmigung durch das Exekutivdirektorium des IWF bedarf.
Laut Bundesfinanzministerium hat Deutschland am 14. September 2022 mit der ukrainischen Regierung und anderen staatlichen Gläubigern ein Memorandum of Understanding zur koordinierten Schuldendienstaussetzung beschlossen. Dadurch werden die Zahlungsverpflichtungen der Ukraine bis Ende 2023 ausgesetzt. Kiew erhält damit zusätzlichen Liquiditätsspielraum. Die Entscheidung war die Antwort auf eine entsprechende Bitte der ukrainischen Regierung. Die bilaterale Gläubigergruppe besteht neben Deutschland aus Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Japan, Kanada und den USA. |
Entwicklungsbanken sichern Liquidität
Die Finanzzusagen einzelner Länder fließen teilweise in die Budgets multilateraler Geber, die sich ebenfalls um die Stärkung der Ukraine kümmern. So will die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) der ukrainischen Wirtschaft 2022 und 2023 mit rund 3 Milliarden Euro unter die Arme greifen. Die Gelder dienen unter anderem dazu, ukrainische Unternehmen mit Liquidität auszustatten. EBRD-Kredite erhalten beispielsweise die ukrainische Bahn Ukrzaliznytsya, der Arzneimittelhersteller Farmak, das Gasunternehmen Naftogaz und der Stromnetzbetreiber Ukrenergo. Pressemeldungen zufolge will sich die Bank im Jahr 2023 verstärkt auf die Transportlogistik und kommunale Infrastruktur konzentrieren. In einen Industriepark in Lwiw sollen etwa 25 Millionen US$ fließen.
Ebenfalls sehr aktiv in der Ukrainehilfe ist die Weltbank. Sie hat fast 21 Milliarden US$ für die Ukraine mobilisiert, von denen 18 Milliarden US$ bereits überwiesen wurden. In der Summe sind Hilfszahlungen von den Regierungen unterschiedlicher Geberländer enthalten. Das Geld der Weltbank verwendet die ukrainische Regierung unter anderem, um wichtige staatliche Dienstleistungen weiter erbringen zu können.
EU-Hausbank schnürt zwei Hilfspakete
Die Europäische Investitionsbank (EIB) hatte gleich nach Kriegsausbruch 668 Millionen Euro Soforthilfe für Kiew zugesagt, damit Zahlungsverpflichtungen erfüllt werden können. Ein zweites Hilfspaket in Höhe von 1,59 Milliarden Euro schnürte die Bank im Juli 2022; davon wurden bis Oktober 2022 schon 1,05 Milliarden Euro ausgezahlt. Rund 540 Millionen Euro soll die Ukraine im Jahr 2023 erhalten.