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Markttrends
Modernisierung und ökologischer Umbau der Landwirtschaft sind wichtige Förderziele der Regierung. Ungarn setzt auf Eigenversorgung in der Nahrungsmittelproduktion.
13.02.2025
Von Kirsten Grieß | Budapest
Ungarns Sommer werden trockener und heißer. Das hat verheerende Folgen für die Ernten. Mit Ausnahme von 2023 wurden jedes Jahr mehr landwirtschaftliche Dürreschäden gemeldet – vor allem im Ackeranbau, speziell in der Getreide- und Maisproduktion.
Dürren sorgen für Ernteausfälle
Gleichwohl wächst der ungarische Agrarsektor stetig. Die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse hat sich seit der Jahrtausendwende preisbereinigt mehr als verdreifacht. Im Jahr 2024 erreichte der Produktionswert nach Daten des nationalen Statistikamts umgerechnet rund 9,5 Milliarden Euro. Die Erträge lagen aber aufgrund dürrebedingter Ernteausfälle und Preisrückgängen um 8,6 Prozent niedriger als 2023 und in etwa auf dem Niveau von 2022.
Die Erzeugung im Pflanzenanbau ist traditionell am stärksten, die Ergebnisse sind allerdings am anfälligsten für Störungen durch Wetterereignisse. Im Jahr 2024 lag die Pflanzenproduktion mit 5,4 Milliarden Euro rund 13 Prozent unter dem Vorjahreswert, während die Erträge in der Tierhaltung nur leicht auf einen Wert von rund 4,1 Milliarden Euro zurückgingen.
Ukrainekrieg erschüttert den Markt
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine setzte die EU 2022 die Zölle auf ukrainische Agrarimporte aus. Im Jahresverlauf brachen die ungarischen Verkaufspreise pflanzlicher Erzeugnisse um 24 Prozent ein. Budapest verhängte daraufhin Mitte April 2023 einen Einfuhrstopp für ukrainische Agrarprodukte, was zunächst zu einem Preissprung vor allem bei Getreide führte. Im Folgejahr blieben die Preise vergleichsweise stabil. Auch die Kosten entwickelten sich 2024 positiv für die Landwirte: In den ersten zehn Monaten gingen die Erzeugerpreise erstmalig seit Kriegsausbruch wieder zurück.
Noch im Februar 2024 hatten Bauern den Grenzübergang zur Ukraine in Zahony blockiert, wofür die ungarische Regierung Verständnis zeigte. Schon in der Coronakrise hatte Ministerpräsident Viktor Orbán die Bedeutung des ungarischen Agrarsektors für das nationale Selbstverständnis betont. Budapest erklärte Eigenversorgung in der Nahrungsmittelproduktion zum strategischen Ziel und legte umfangreiche Förderprogramme auf – vorrangig finanziert über Mittel aus der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP). Ein kleinerer Teil fließt aus dem ungarischen Haushalt.
Agrarbetriebe setzen auf staatliche Förderung
Im Rahmen der GAP erhält Ungarn bis 2027 rund 8,4 Milliarden Euro. Die Vorhaben der Regierung in der laufenden Förderperiode reichen von der Modernisierung von Agrarbetrieben, über die Unterstützung vor allem kleinerer Betriebe bis hin zur Förderung des ökologischen Umbaus der Landwirtschaft. Ausschreibungen dazu werden vom Landwirtschaftsministerium veröffentlicht. Marktakteure berichten, dass ungarische Agrarbetriebe ihre Beschaffungen stark an staatlichen Zuschüssen ausrichten. Gleichzeitig werden angekündigte Programme von der Regierung nicht selten verschoben oder gekürzt.
fließen bis 2027 aus Brüssel.
Nachholbedarf beim ökologischen Landbau
In der ökologischen Landwirtschaft hinkt Ungarn hinterher. Zwar gehen Initiativen dazu auf die 1980er Jahre zurück und ab Mitte der 1990er formierten sich erste Kontroll- und Zertifizierungsstellen sowie Fachverbände. Nach Erhebungen des nationalen Statistikamtes wurden 2023 aber lediglich 320 Tausend Hektar ökologisch bewirtschaftet. Das sind nur etwas mehr als sechs Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Ungarns. Der EU-Durchschnitt lag im gleichen Zeitraum bei zehn Prozent.
Die Anbaufläche für Bio-Produkte hat sich seit 2010 allerdings mehr als verdoppelt, während die landwirtschaftlich bewirtschaftete Gesamtfläche schrumpft. Ökologische Weideflächen und ökologischer Ackerbau dominieren. Nicht so richtig in Gang kommt mit Ausnahme der Geflügelzucht die ökologische Tierhaltung. Die Zahl an Bio-Rindern und Bio-Schweinen ist zuletzt sogar gesunken. Nach Schätzungen des ungarischen Saatgutverbands werden derzeit nahezu alle Bio-Erzeugnisse unverarbeitet exportiert. Marktbeobachter rechnen aber mit einer wachsenden Inlandsnachfrage nach Bioprodukten.
Budapest will Ökobauern gezielt unterstützen
Zum Jahreswechsel 2025 startete die Regierung ein neues Programm zur Unterstützung des ökologischen Landbaus mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Das Landwirtschaftsministerium will damit jährlich 5.500 Landwirte erreichen, die bis zu 275 Tausend Hektar Anbaufläche ökologisch umbauen. Mit Blick auf Nachhaltigkeit und Erzeugerpreise ist auch der Einsatz erneuerbarer Energiequellen im Landbau auf dem Vormarsch: Immer mehr Betriebe setzten Sonnenkollektoren zur Strom- und Wärmeerzeugung ein.
Potenziale beim Einsatz moderner Technologien
Digitalisierung und der Einsatz von Präzisionstechnologien in der Landwirtschaft sind seit Jahren Ziele der ungarischen Agrarpolitik. Eine entsprechende Strategie wurde 2019 verabschiedet. Auch auf landwirtschaftlichen Kongressen werden mögliche Anwendungsfelder intensiv diskutiert. In der Praxis klafft aber eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit: In einer Umfrage des nationalen Statistikamtes aus dem Jahr 2023 gaben nur 10 Prozent der befragten Betriebe an, dass sie etwa neue Bodenüberwachungs- oder Ausbringungstechniken anwenden. Der Einsatz von selbstfahrenden Maschinen lag bei 1,8 Prozent, der von automatisierten Fütterungssystemen bei 3,7 Prozent.
Auch mit Blick auf die knappen Arbeitskräfte in Ungarn – speziell in der Landwirtschaft – wird Automatisierung und Digitalisierung für die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe immer wichtiger. Die Potenziale für den Einsatz von Drohnen, Robotern und künstlicher Intelligenz sind groß, können aber von vielen Betrieben nicht mit eigenen Mitteln gehoben werden.
Förderprogramme für 2025 angekündigt
Die Agrarbranche hofft, dass ein längst angekündigtes Förderprogramm für Präzisionslandwirtschaft im Frühsommer 2025 startet. Nach dem Dürresommer 2024 wird auch der Bau moderner Bewässerungssysteme immer dringlicher. Das Landwirtschaftsministerium veröffentlichte im November 2024 zwei Ausschreibungen für Zuschüsse zu privaten Bewässerungsanlagen. Anträge dafür können voraussichtlich ab Februar eingereicht werden.