Wirtschaftsumfeld | Ungarn | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Löhne und Gehälter
Die Lohnkosten in Ungarn gehören zu den geringsten in der EU. Gehalt und Zulagen werden im Wettbewerb um Arbeitskräfte immer wichtiger. Das treibt die Kosten in die Höhe.
05.07.2024
Von Kirsten Grieß | Budapest
Seit 2017 befinden sich die Löhne und Gehälter in Ungarn auf einem kontinuierlichen Wachstumspfad und legten jährlich nominal zum Teil zweistellig zu. Bedingt durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, explodierende Energiepreise, massive Inflation und einen Einbruch des privaten Konsums schrumpfte Ungarns Wirtschaft 2023 um 0,9 Prozent. Im gleichen Zeitraum wuchsen laut staatlichem Statistikamt (KSH) die nominalen Bruttolöhne um durchschnittlich 14,2 Prozent.
Bei einer Inflationsrate von 17,1 Prozent im Jahresdurchschnitt sind die realen Einkommen 2023 um 2,9 Prozent geschrumpft. Angesichts realer Einkommensverluste steigt die Wechselbereitschaft von Arbeitnehmern, um das Lebensniveau zu halten. Gehaltserhöhungen sind für Arbeitgeber in diesem Umfeld das Mittel der Wahl, um Beschäftigte zu binden.
Vorzeitige Erhöhung des Mindestlohns setzt Zielmarke
Mit Blick auf 2024 ist für die Lohnentwicklung die vorzeitige Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns richtungweisend. Statt im Januar traten bereits Anfang Dezember 2023 die neuen Mindestlohnschwellen in Kraft. Der garantierte Mindestlohn für gering Qualifizierte verzeichnete ein Plus von 15 Prozent, der Mindestlohn für Fachkräfte wurde um 10 Prozent angehoben. Im 1. Quartal 2024 setzte sich das durchschnittliche Lohnwachstum in der Dynamik des Vorjahres fort: Die Nominallöhne stiegen um 14,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Lohnwachstum hält an, Unsicherheiten bleiben
Internationale Analysten gehen für 2024 von einer Erholung der ungarischen Konjunktur aus. Die Europäische Kommission prognostizierte zuletzt ein Wachstum von 2,4 Prozent. Für die Löhne erwartet die ungarische Nationalbank (MNB) einen weiteren kräftigen Anstieg. Die durchschnittlichen Nominallöhne sollen 2024 im privaten Sektor um bis zu 11 Prozent wachsen, 2025 um bis zu 8,2 Prozent. Real erwartet die MNB für 2024 ein Zuwachs von bis zu 6,5 Prozent und für 2025 ein Plus von bis zu 5,1 Prozent. Unsicherheiten bleiben aber angesichts schwächelnder Exportmärkte, volatiler Preisentwicklung und einem hohen Haushaltsdefizit bestehen.
Branche | Monatslohn |
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Durchschnittslohn | 1.496 |
Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei | 1.157 |
Verarbeitendes Gewerbe | 1.606 |
Strom-, Gas-, Wärme- und Kälteversorgung | 2.249 |
Wasserversorgung, Abfallwirtschaft | 1.381 |
Baugewerbe | 1.161 |
Groß und Einzelhandel, Reparatur von Kfz | 1.337 |
Transport und Lagerhaltung | 1.367 |
Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie | 962 |
Informations- und Kommunikationsleistungen | 2.400 |
Finanz- und Versicherungswesen | 2.529 |
Arbeitskosten noch im unteren Drittel der EU
Die nominalen Arbeitskosten pro Stunde in der gewerblichen Wirtschaft betrugen in Ungarn 2023 nach Angaben von Eurostat im Durchschnitt 12,80 Euro. Das ist der drittletzte Platz in der EU - vor Bulgarien und Rumänien. Doch das könnte sich bald ändern, denn im EU-Vergleich verzeichnete Ungarn mit einem Plus von 17 Prozent den höchsten Kostenanstieg. Der EU-weite Durchschnitt lag bei 5,3 Prozent Zuwachs. Beim Gehalt sind Frauen nach wie vor deutlich schlechter gestellt als Männer: Das geschlechtsspezifische Verdienstgefälle belief sich 2022 nach Angaben von Eurostat auf 17,5 Prozent.
Position | Monatslohn |
---|---|
Durchschnittslohn | 1.496 |
Führungskraft | 2.313 |
Personal mit akademischer Ausbildung | 2.162 |
Techniker:in | 1.577 |
Unterstützende Bürokraft | 1.301 |
Dienstleistungs- und Verkaufskraft | 1.141 |
Fachkraft in der Land-, Forst- und Fischwirtschaft | 1.010 |
Handwerker:in | 1.301 |
Anlagen- und Maschinenbediener:in, Montagekraft | 1.296 |
Hilfskraft | 838 |
Große regionale Einkommensunterschiede
Landesweit ermittelte das nationale Statistikamt (KSH) einen durchschnittlichen monatlichen Bruttolohn von 571.000 ungarischen Forint. Umgerechnet sind das rund 1.500 Euro. Deutlich über dem Durchschnitt lagen nur die Hauptstadt Budapest und die Region Mittelungarn. Am wenigsten verdienen Arbeitnehmer im Süden und Norden Ungarns. Der westliche, stark industrialisierte Landesteil um die Stadt Győr und Mitteltransdanubien holten in den letzten Jahren indes überdurchschnittlich stark auf.
Weitere Lohnbestandteile
Je nach Branche und Position sind Zusatzleistungen des Arbeitgebers in der ungarischen Arbeitswelt wichtiger geworden. Leistungsprämien oder ein 13. Monatsgehalt sind weit verbreitet. Die Höhe ist abhängig von der Position und der allgemeinen Lohnentwicklung. Laut Marktexperten bewegen sich die gängigen Zuschläge auf den Monat gerechnet zurzeit zwischen 7 und 17 Prozent des Bruttomonatsgehalts.
Eine betriebliche Altersvorsorge ist unabhängig von der Unternehmensgröße gängige Praxis. Das gilt auch für private Krankenzusatzversicherungen. Nach dem sogenannten Cafeteria-System kann der Arbeitgeber jährlich steuerfreie beziehungsweise steuerbegünstigte Zulagen zahlen. Faktisch sind die Zahlungen auf das Szèp-Kártya-System beschränkt. Das ist ein universeller elektronischer Gutschein in Kartenformat, der vom Arbeitgeber mit Guthaben befüllt wird. Die Zulagen von jährlich maximal rund 1.180 Euro gelten für festgelegte Zwecke, beispielsweise Essen, Übernachtungen, Sport- oder Kulturaktivitäten. Sie werden nur vom Arbeitgeber mit 28 Prozent versteuert. Für den Arbeitgeber steuerfrei sind Zusatzleistungen, die er selbst erwirbt, wie etwa Eintrittskarten für Museen oder Kinderbetreuung.
Sehr beliebt sind in Ungarn Dienstwagen. Knapp 50 Prozent aller Führungskräfte und rund 90 Prozent der Geschäftsführungen fahren Firmenwagen. Dienstwagen werden aber auch in Positionen bereitgestellt, für die es in Deutschland eher unüblich ist. Seit der Coronapandemie leisten einige Arbeitgeber auch monatliche Zusatzzahlungen für Energie- und Ausrüstungskosten im Homeoffice. Inflationsbedingt werden solche Leistungen jetzt wichtiger.
Sozialversicherungsbeiträge
Im internationalen Vergleich ist der sogenannte tax wedge, die Abgabenlast als Anteil an den Gesamtarbeitskosten, in Ungarn für die Bezieher von Niedriglöhnen sehr hoch. Die Kennzahl lag 2023 mit 41,2 Prozent deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 34,8 Prozent. Den Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung senkt die Regierung allerdings seit Jahren, 2023 lag der Anteil bei 13 Prozent des Bemessungsgrundlage (Bruttolohn).
Vom Arbeitgeber zu tragende Sozialabgabe (umfasst Arbeitgeberanteile an Rentenversicherung, Krankenversicherung, Abgabe für Lohnfortzahlung bei Krankheit und Mutterschutz sowie Arbeitslosenversicherung) | Pauschaler Satz für alle Sozialbeiträge der Arbeitgeber: 13 Prozent; unter bestimmten Bedingungen sind Ermäßigungen möglich: bei gering qualifizierten Stellen, für Beschäftigte unter 25 Jahren und andere Gruppen. |
Abgabe für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Mutterschutz (Arbeitgeberanteil) | Im Krankheitsfall 70 Prozent, für 15 Tage pro Jahr; keine Lohnfortzahlung bei Mutterschutz |
Beitragsbemessungsgrenzen | Es gibt keine Beitragsbemessungsgrenzen |