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Wirtschaftsumfeld | Ungarn | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Löhne und Gehälter

Die Lohnkosten in Ungarn gehören zu den geringsten in der EU. Gehalt und Zulagen werden im Wettbewerb um Arbeitskräfte immer wichtiger. Das treibt die Kosten in die Höhe.

Von Kirsten Grieß | Budapest

Seit 2017 befinden sich die Löhne und Gehälter in Ungarn auf einem kontinuierlichen Wachstumspfad und legten jährlich nominal zum Teil zweistellig zu. Bedingt durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, explodierende Energiepreise, massive Inflation und einen Einbruch des privaten Konsums schrumpfte Ungarns Wirtschaft 2023 um 0,9 Prozent. Im gleichen Zeitraum wuchsen laut staatlichem Statistikamt (KSH) die nominalen Bruttolöhne um durchschnittlich 14,2 Prozent. 

Bei einer Inflationsrate von 17,1 Prozent im Jahresdurchschnitt sind die realen Einkommen 2023 um 2,9 Prozent geschrumpft. Angesichts realer Einkommensverluste steigt die Wechselbereitschaft von Arbeitnehmern, um das Lebensniveau zu halten. Gehaltserhöhungen sind für Arbeitgeber in diesem Umfeld das Mittel der Wahl, um Beschäftigte zu binden.

In den letzten Jahren haben wir einen Wahnsinn durch die Rekordinflation erlebt. Einige Unternehmen mussten sogar zweimal pro Jahr die Gehälter erhöhen und Lohnerhöhungen vorziehen.

András Sághy Country Manager, Kienbaum Hungary

Vorzeitige Erhöhung des Mindestlohns setzt Zielmarke 

Mit Blick auf 2024 ist für die Lohnentwicklung die vorzeitige Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns richtungweisend. Statt im Januar traten bereits Anfang Dezember 2023 die neuen Mindestlohnschwellen in Kraft. Der garantierte Mindestlohn für gering Qualifizierte verzeichnete ein Plus von 15 Prozent, der Mindestlohn für Fachkräfte wurde um 10 Prozent angehoben. Im 1. Quartal 2024 setzte sich das durchschnittliche Lohnwachstum in der Dynamik des Vorjahres fort: Die Nominallöhne stiegen um 14,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Lohnwachstum hält an, Unsicherheiten bleiben

Internationale Analysten gehen für 2024 von einer Erholung der ungarischen Konjunktur aus. Die Europäische Kommission prognostizierte zuletzt ein Wachstum von 2,4 Prozent. Für die Löhne erwartet die ungarische Nationalbank (MNB) einen weiteren kräftigen Anstieg. Die durchschnittlichen Nominallöhne sollen 2024 im privaten Sektor um bis zu 11 Prozent wachsen, 2025 um bis zu 8,2 Prozent. Real erwartet die MNB für 2024 ein Zuwachs von bis zu 6,5 Prozent und für 2025 ein Plus von bis zu 5,1 Prozent. Unsicherheiten bleiben aber angesichts schwächelnder Exportmärkte, volatiler Preisentwicklung und einem hohen Haushaltsdefizit bestehen. 

Durchschnittliche Bruttomonatslöhne für ausgewählte Branchen in Ungarnin Euro, 2023
Branche

Monatslohn

Durchschnittslohn

1.496

Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei

1.157

Verarbeitendes Gewerbe

1.606

Strom-, Gas-, Wärme- und Kälteversorgung

2.249

Wasserversorgung, Abfallwirtschaft

1.381

Baugewerbe

1.161

Groß und Einzelhandel, Reparatur von Kfz

1.337

Transport und Lagerhaltung

1.367

Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie

962

Informations- und Kommunikationsleistungen

2.400

Finanz- und Versicherungswesen

2.529

Umgerechnet zum durchschnittlichen Wechselkurs von 1 Euro = 381,85 Ft (2023).Quelle: Ungarisches Statistikamt (KSH) 2024

Arbeitskosten noch im unteren Drittel der EU 

Die nominalen Arbeitskosten pro Stunde in der gewerblichen Wirtschaft betrugen in Ungarn 2023 nach Angaben von Eurostat im Durchschnitt 12,80 Euro. Das ist der drittletzte Platz in der EU - vor Bulgarien und Rumänien. Doch das könnte sich bald ändern, denn im EU-Vergleich verzeichnete Ungarn mit einem Plus von 17 Prozent den höchsten Kostenanstieg. Der EU-weite Durchschnitt lag bei 5,3 Prozent Zuwachs. Beim Gehalt sind Frauen nach wie vor deutlich schlechter gestellt als Männer: Das geschlechtsspezifische Verdienstgefälle belief sich 2022 nach Angaben von Eurostat auf 17,5 Prozent.  

 

Durchschnittliche Bruttomonatslöhne für ausgewählte Positionen in Ungarnin Euro, 2023
Position

Monatslohn

Durchschnittslohn

1.496

Führungskraft

2.313

Personal mit akademischer Ausbildung

2.162

Techniker:in

1.577

Unterstützende Bürokraft

1.301

Dienstleistungs- und Verkaufskraft

1.141

Fachkraft in der Land-, Forst- und Fischwirtschaft

1.010

Handwerker:in

1.301

Anlagen- und Maschinenbediener:in, Montagekraft

1.296

Hilfskraft

838

Umgerechnet zum durchschnittlichen Wechselkurs: 1 Euro = 381,85 Ft (2023).Quelle: Ungarisches Statistikamt (KSH) 2024

 

Große regionale Einkommensunterschiede 

Landesweit ermittelte das nationale Statistikamt (KSH) einen durchschnittlichen monatlichen Bruttolohn von 571.000 ungarischen Forint. Umgerechnet sind das rund 1.500 Euro. Deutlich über dem Durchschnitt lagen nur die Hauptstadt Budapest und die Region Mittelungarn. Am wenigsten verdienen Arbeitnehmer im Süden und Norden Ungarns. Der westliche, stark industrialisierte Landesteil um die Stadt Győr und Mitteltransdanubien holten in den letzten Jahren indes überdurchschnittlich stark auf.

Weitere Lohnbestandteile

Je nach Branche und Position sind Zusatzleistungen des Arbeitgebers in der ungarischen Arbeitswelt wichtiger geworden. Leistungsprämien oder ein 13. Monatsgehalt sind weit verbreitet. Die Höhe ist abhängig von der Position und der allgemeinen Lohnentwicklung. Laut Marktexperten bewegen sich die gängigen Zuschläge auf den Monat gerechnet zurzeit zwischen 7 und 17 Prozent des Bruttomonatsgehalts.

Eine betriebliche Altersvorsorge ist unabhängig von der Unternehmensgröße gängige Praxis. Das gilt auch für private Krankenzusatzversicherungen. Nach dem sogenannten Cafeteria-System kann der Arbeitgeber jährlich steuerfreie beziehungsweise steuerbegünstigte Zulagen zahlen. Faktisch sind die Zahlungen auf das Szèp-Kártya-System beschränkt. Das ist ein universeller elektronischer Gutschein in Kartenformat, der vom Arbeitgeber mit Guthaben befüllt wird. Die Zulagen von jährlich maximal rund 1.180 Euro gelten für festgelegte Zwecke, beispielsweise Essen, Übernachtungen, Sport- oder Kulturaktivitäten. Sie werden nur vom Arbeitgeber mit 28 Prozent versteuert. Für den Arbeitgeber steuerfrei sind Zusatzleistungen, die er selbst erwirbt, wie etwa Eintrittskarten für Museen oder Kinderbetreuung.

Sehr beliebt sind in Ungarn Dienstwagen. Knapp 50 Prozent aller Führungskräfte und rund 90 Prozent der Geschäftsführungen fahren Firmenwagen. Dienstwagen werden aber auch in Positionen bereitgestellt, für die es in Deutschland eher unüblich ist. Seit der Coronapandemie leisten einige Arbeitgeber auch monatliche Zusatzzahlungen für Energie- und Ausrüstungskosten im Homeoffice. Inflationsbedingt werden solche Leistungen jetzt wichtiger.

Sozialversicherungsbeiträge

Im internationalen Vergleich ist der sogenannte tax wedge, die Abgabenlast als Anteil an den Gesamtarbeitskosten, in Ungarn für die Bezieher von Niedriglöhnen sehr hoch. Die Kennzahl lag 2023 mit 41,2 Prozent deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 34,8 Prozent. Den Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung senkt die Regierung allerdings seit Jahren, 2023 lag der Anteil bei 13 Prozent des Bemessungsgrundlage (Bruttolohn).

Sozialbeiträge in Ungarn 2024 In Prozent, Bemessungsgrundlage ist der Bruttolohn
Vom Arbeitgeber zu tragende Sozialabgabe (umfasst Arbeitgeberanteile an Rentenversicherung, Krankenversicherung, Abgabe für Lohnfortzahlung bei Krankheit und Mutterschutz sowie Arbeitslosenversicherung)Pauschaler Satz für alle Sozialbeiträge der Arbeitgeber: 13 Prozent; unter bestimmten Bedingungen sind Ermäßigungen möglich: bei gering qualifizierten Stellen, für Beschäftigte unter 25 Jahren und andere Gruppen.
Abgabe für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Mutterschutz (Arbeitgeberanteil)Im Krankheitsfall 70 Prozent, für 15 Tage pro Jahr; keine Lohnfortzahlung bei Mutterschutz
BeitragsbemessungsgrenzenEs gibt keine Beitragsbemessungsgrenzen
Quelle: Ungarisches Steuer- und Zollamt (NAV) 2024

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