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Branche kompakt | USA | Pharmaindustrie, Biotechnologie

Branchenstruktur

Die erstklassigen Life-Science-Cluster und der hochentwickelte Risikokapitalmarkt in den USA suchen weltweit ihresgleichen. In der Produktion gibt es einige Investitionsprojekte.

Von Heiko Stumpf | San Francisco

Die USA zeichnen sich durch eine hohe Innovationskraft und Forschungsaktivität in der Pharmaindustrie aus. Ein dynamisches Ökosystem aus großen Life-Science-Unternehmen, Start-ups, Venturecapital Fonds sowie renommierten Universitäten und Forschungsinstituten erweist sich als Motor für die Entwicklung von neuen Medikamenten.

Nach dem Boomjahr 2021 sorgten hohe Zinsen und risikoscheue Investoren zuletzt jedoch für ein schwieriges Umfeld bei der Finanzierung der pharmazeutischen Entwicklung. Für das 2024 zeichnet sich die jedoch erhoffte Trendwende ab. Im 1. Halbjahr 2024 sammelten die amerikanischen Start-ups im Bereich Life-Science rund 19,2 Milliarden US-Dollar (US$) an Wagniskapital ein. Das ist ein Plus von 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. 

Gleichzeitig sitzen die Venturecapital-Fonds auf einem Rekordwert an "Dry Powder", ein Begriff, der den Wert des eingesammelten Kapitals beschreibt, das für zukünftige Investitionen bereitgehalten wird. Laut Analysten wartet eine lange Liste an Start-ups auf günstige Bedingungen für einen Börsengang (IPO; Initial Public Offering), wozu insbesondere die im 2. Halbjahr 2024 erwarteten Zinssenkungen der Federal Reserve beitragen dürften. 

Das drohende "Patent Cliff" steigert die Forschungsaktivitäten

Der Drang zur Innovation verstärkt die bevorstehende Welle auslaufender Patente. Bis 2030 sind rund 200 Medikamente von dem sogenannten "Patent Cliff" betroffen, darunter viele umsatzstarke Blockbuster. Wegen der dadurch aufkommenden Konkurrenz durch Generika und Biosimilars drohen den betroffenen Herstellern Einbußen von mehr als 200 Milliarden US$ jährlich.

Als Ausweg bleibt den Pharmaunternehmen deshalb nur, neue Medikamente zu entwickeln und dadurch frische Einnahmequellen zu erschließen. Laut der BDO-Umfrage "2024 Life Sciences CFO Outlook" wollen 77 Prozent der Unternehmen ihre Forschungsausgaben im Jahr 2024 erhöhen.

Im Jahr 2023 steckten die amerikanischen Pharmahersteller bereits rund 18,4 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Im Jahr 2010 lag der Wert noch bei etwa 11 Prozent. Auch das Geschäft mit Mergers and Acquisitions wird in den kommenden Jahren zunehmen. Pharmariesen wie Merck oder Johnson & Johnson kaufen verstärkt Unternehmen zu, die aussichtsreiche Medikamente in der Entwicklung haben.

Die Stärken in der Forschung tragen dazu bei, dass viele innovative Medikamente zuerst in den USA zugelassen werden. In Bezug auf die jährlichen Umsätze halten sich chemische Arzneimittel und Biopharmazeutika mittlerweile die Waage (2023: beide knapp 50 Prozent). Während über 90 Prozent der Rezepte für Generika ausgestellt werden, ging deren wertmäßiger Anteil (ausgehend von 18,5 Prozent 2019) in den vergangenen Jahren zurück. Dies hängt damit zusammen, dass neu zugelassene Medikamente immer teurer werden. 

Ansturm auf Schlankmacher löst große Investitionen aus

In der Pharmaproduktion werden neue Investitionen vor allem durch die große Nachfrage nach Medikamenten zur Gewichtsreduktion angeschoben. Zusammengerechnet stellen Eli Lilly und Novo Nordisk rund 13 Milliarden US$ für neue Anlagen in den USA bereit. Um sich zusätzliche Kapazitäten zu sichern, kaufen die Unternehmen zudem auch Auftragsfertiger auf. Eli Lilly übernimmt Nexus Pharmaceuticals in Wisconsin. Novo Nordisk gab Anfang 2024 den Erwerb des in New Jersey ansässigen Auftragsherstellers Catalent bekannt.

Zudem kommt es zu zahlreichen Investitionen für Zuliefermaterialien wie Glas-und Polymerspritzen oder Peptiden, die für die Herstellung von GLP-1 Abnehmprodukten benötigt werden. Unter anderem investieren Schott Pharma aus Deutschland und Corden Pharma aus der Schweiz in den USA.

 

Ausgewählte Investitionsprojekte der pharmazeutischen Industrie in den USAInvestitionssumme in Millionen US-Dollar
Akteur/ProjektInvestitionssummeProjektstandAnmerkungen
Eli Lilly

9.000

Geplante Fertigstellung bis 2028Bau einer Produktionsstätte für Medikamente zur Gewichtsreduktion auf Basis von GLP-1-Rezeptoragonisten in Lebanon, Indiana.
Novo Nordisk

4.100

Geplante Fertigstellung bis 2029Bau einer Produktionsstätte für Medikamente zur Gewichtsreduktion auf Basis von GLP-1-Rezeptoragonisten in Clayton, North Carolina.
Fujifilm Diosythn Biotechnologies

1.200

Geplante Fertigstellung bis 2028Bau einer Anlage zur Herstellung von Zellkulturen in Holly Springs, North Carolina.
Corden Pharma

450 (Schätzung)

Geplante Fertigstellung bis 2028Schaffung zusätzlicher Peptidkapazitäten am Standort Boulder, Colorado. Soll die steigende Nachfrage nach GLP-1-Therapien bedienen.
Schott Pharma

371

Geplante Fertigstellung bis 2027Bau einer Produktionsstätte für vorfüllbare Glas- und Polymerspritzen in Wilson, North Carolina. Die Anlage soll die Nachfrage nach mRNA, GLP-1 und anderen Therapien bedienen.
AstraZeneca

300

Geplante Fertigstellung bis 2026Bau einer Anlage für Zelltherapien in Rockville, Maryland.
Simtra Biopharma Solutions

250

Geplante Fertigstellung bis 2028Erweiterung einer Anlange für sterile Abfüll- und Fertigprodukte in Bloomington, Indiana.
National Resilience

225

Geplante Fertigstellung bis 2025Erweiterung der Anlagen für Fläschchen, Karpulen und vorgefüllte Spritzen (PFS) in Cincinnati, Ohio und Durham, North Carolina.
Quelle: Recherchen Germany Trade & Invest

Auch auf dem Wachstumsgebiet der Gen- und Zelltherapien sind deutsche Unternehmen aktiv. Der Pharmariese Bayer eröffnete im Oktober 2023 eine Zelltherapie-Produktionsanlage in Berkley, nordöstlich von San Francisco. Mit der Investition von 250 Millionen US$ wird Material für klinische Studien zur Behandlung von Parkinson hergestellt. Die Merck KGaA aus Darmstadt plant für 600 Millionen US$ die Übernahme von Mirus Bio aus Wisconsin, um die Kompetenzen bei der Herstellung von viralen Vektoren für Zell- und Gentherapien zu stärken.

Vielfältige Clusterlandschaft bietet Chancen

Die USA verfügen über die größten und etabliertesten Biopharma-Cluster der Welt. Zu den bedeutendsten Standorten zählen Boston in Massachusetts und die San Francisco Bay Area in Kalifornien. Der Großraum Boston ist mit mehr als 1.600 Unternehmen sowie universitären Aushängeschildern wie Cambridge, Harvard und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) das größte Life-Science-Cluster in den USA. 

In South San Francisco wiederum befindet sich die Geburtswiege der Biotechnologie, unter anderem mit dem Pionier der ersten Stunde Genentech. Bedeutende Cluster für Life Science finden sich auch in San Diego, New York/New Jersey, Washington, D.C/Baltimore, Raleigh/Durham und Philadelphia.

Zurzeit vollzieht sich in den Life-Science-Zentren der USA ein nie dagewesener Bauboom für neue Laborflächen. Mit 1,2 Millionen Quadratmetern hat sich die fertiggestellte Laborfläche 2023 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Weitere 2,5 Millionen Quadratmeter befinden sich im Bau und kommen 2024 und 2025 auf den Markt. Der daraus resultierende Leerstand von rund 15 Prozent dürfte nach Einschätzung von Branchenkennern durch den erwarteten Aufschwung der Branche schnell vom Markt absorbiert werden.

 

Wichtige Branchenunternehmen in den USAUmsatz in Milliarden US-Dollar

Unternehmen

Sparte

Umsatz 2023

Johnson & JohnsonPharma, Medizintechnik

85,1

MerkPharma

60,1

PfizerPharma, Biotechnologie

58,5

AbbVieBiopharma

54,3

Bristol Myers SquibbPharma

45,0

Eli LillyPharma

34,1

AmgenBiopharma

28,2

Gilead SciencesBiopharma

26,9

ViatrisPharma

15,4

Quelle: Fierce Pharma 2024

Importe steigen weiter an

Über ein Drittel der in den USA konsumierten Medikamente wird importiert. Organische Vorprodukte, Wirkstoffe und Antibiotika werden meist aus China geliefert. Bei den Arzneimitteln war Deutschland im Jahr 2023 wertmäßig das zweitwichtigste Lieferland, nach Irland und vor der Schweiz. Indien steht bei den Generika an erster Stelle.

Ausgehend von knapp 168 Milliarden US$ im Jahr 2023 dürften die Importe nach Prognosen von Fitch Solutions bis 2028 um durchschnittlich rund 5,7 Prozent pro Jahr wachsen.

Importe pharmazeutischer Produkte in die USA und Anteil aus DeutschlandIn Millionen US-Dollar
Warengruppe (SITC-Position)

2019

2020

2021

2022

2023

Glykoside; Drüsen und andere Organe und ihre Auszüge; Antiseren, Vakzine und ähnliche Erzeugnisse (541.6)

43.508

53.176

58.898

65.350

82.481

   davon aus Deutschland

8.617

12.281

12.791

8.655

11.748

Arzneiwaren, Hormone oder andere Erzeugnisse der Untergruppe 541.5, jedoch keine Antibiotika enthaltend (542.2)

12.147

12.635

13.909

13.917

13.472

   davon aus Deutschland

1.672

1.392

1.347

1.149

1.325

Arzneiwaren, Alkaloide oder ihre Derivate, jedoch weder Hormone noch andere Produkte der Untergruppe 541.5 oder Antibiotika enthaltend (542.3)

1.674

1.569

1.284

1.302

1.409

   davon aus Deutschland

1.179

1.084

704

681

685

Arzneiwaren, a. n. g. (542.9)

61.401

63.036

65.968

73.930

71.057

   davon aus Deutschland

5.101

4.804

6.597

6.686

4.608

Quelle: U.S. International Trade Commission Data Web (USITC) 2024

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