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Der US-Umsatz mit Prestigekosmetik boomt trotz Konjunktursorgen
Für die US-Kosmetikbranche war 2022 ein gutes Jahr, vor allem für Prestige Beauty. Wachstumstreiber in der oberen Preisklasse waren Make-up und andere Produkte für die Lippen.
19.07.2023
Von Heiko Steinacher | San Francisco
Während der US-Massenmarkt für Schönheitsprodukte (Make-up, Parfum, Haut- und Haarpflege) laut dem Marktforschungsunternehmen Circana nur um 4 Prozent auf rund 30 Milliarden US-Dollar (US$) zulegte, verzeichnete das Prestige-Schönheitssegment ein Umsatzplus von 15 Prozent auf 27,1 Milliarden US$. Geht es im Massenmarkt um Produkte, die hauptsächlich in Lebensmittelläden und Drogerien verkauft werden, stehen bei Prestige Beauty Marken im Fokus, die in Kaufhäusern und Kosmetikfachgeschäften erhältlich sind.
In der Pandemiezeit kamen viele neue Schönheitsprodukte auf den Markt, und in sozialen Medien wimmelt es nur so von Anzeigen und Influencern. Besonders Clean-Beauty-Marken wie Ilia, GoopGenes und Jones Road stehen hoch im Kurs. Clean Beauty ist ein noch relativ neuer Trend und steht für den bewussten Verzicht auf umstrittene Inhaltsstoffe wie synthetische Inhaltsstoffe.
Gekauft wurden Prestige-Beauty-Produkte 2022 vermehrt im stationären Einzelhandel, wohingegen im Massenmarkt der Online-Verkaufsanteil zunahm. So hat die US-Warenhauskette Dollar General angekündigt, ihr Angebot an Make-up- und Schönheitsprodukten für Haut, Haare und Nägel in rund 300 Geschäften auszubauen. Target und Kohl's haben sich bereits 2021 mit den Parfümerieketten Ulta Beauty beziehungsweise Sephora zusammengeschlossen und konnten dadurch ihr Angebot im Schönheitsbereich erheblich vergrößern.
Die Videocall-Kultur rückte Augen- und Mundpartien in den Fokus
Angetrieben wurde das Wachstum 2022 im Prestige-Beauty-Bereich von Make-up und Produkten für die Lippen (+18 Prozent). Dadurch, dass sich viele Frauen bei den alltäglich gewordenen Videokonferenzen immer wieder selbst auf dem Bildschirm sahen, erkannten sie schneller kleinere Hautveränderungen an Augen- und Mundpartie und beschlossen, etwas dagegen zu tun. So zog die Nachfrage nach Grundierung, Abdeckstiften, Lidschattenpinseln und Cremes zur Pflege der Augenpartie während der Coronakrise kräftig an. Nicht selten haben US-Verbraucher dadurch an die 1.000 US$ für Schönheitsprodukte im Jahr ausgegeben - das Doppelte bis Dreifache des vor der Pandemie Üblichen.
Doch geht es bei den neueren Trends in der Kosmetik- und Schönheitsbranche nicht nur um ein größeres Selbstwertgefühl. Auch die Grenze zwischen Schönheit und Wellness verwischt immer stärker. Dies sowie der zunehmende Fokus auf geistige Gesundheit führen dazu, dass viele Verbraucherinnen sich auch stärker auf die Haut unterhalb des Halses konzentrieren. So stieg der Umsatz mit hochwertigen Hautpflegeprodukten im Jahr 2022 um 12 Prozent, wobei solche zur Körperpflege deutlich stärker zulegten als jene zur Gesichtspflege. Zudem werden Lippenstift und Feuchtigkeitscreme zunehmend als Notwendigkeit angesehen, auch wenn im Zuge der hohen Inflation gesunkene Realeinkommen dazu zwingen, den Gürtel an anderer Stelle enger zu schnallen.
Mit 22 Prozent erzielten Haarpflegeprodukte im Prestige-Beauty-Bereich im letzten Jahr das höchste Umsatzplus. Wesentlicher Grund hierfür war die hohe Nachfrage nach Haarmasken und gezielten Pflegeprodukten für bestimmte Probleme wie Haarausfall, mangelnder Glanz und empfindliches Haar. Weitere Wachstumstreiber sind Produkte mit haaraufbauenden und -stärkenden Eigenschaften. Im Gegensatz dazu entwickelten sich die Absatzmengen auf dem Massenmarkt bei Haarprodukten wie Shampoo, Spülung und Haarfarbe rückläufig. Ein wichtiger Aspekt bei der Kaufentscheidung ist der Geruch: Mehr als drei Viertel der weiblichen US-Käufer von Schönheitsprodukten riechen laut Befragungen vor dem Kauf immer oder meistens an ihren Haarpflegeprodukten.
Start-ups sammeln trotz allgemein schlechterem Finanzierungsumfeld viel Geld ein
Das Wachstum lockt Investoren an. So hat Arey bei seiner Startkapitalrunde im November 2022 mehr als 4,1 Millionen US$ eingesammelt und damit gut das Doppelte seines ursprünglichen Finanzierungsziels. Das Haarpflege-Start-up aus Los Angeles will das Wachstum grauer Haare verlangsamen oder gar verhindern. Nur wenig später erzielte die Haarpflegelinie Dae Hair in einer Serie-A-Finanzierungsrunde 8 Millionen US$. Das Start-up aus Arizona bietet unter anderem Shampoos, Pflegespülungen und Styling-Produkte an.
Nach einem fulminanten Zuwachs um 49 Prozent auf insgesamt 6,3 Milliarden US$ (Circana-Daten) legte der Umsatz mit Premium-Parfums und -Düften 2022 in den USA nur noch um 11 Prozent zu. Das stärkste Wachstum verzeichneten Eau de Parfums mit höherer Duftstoffkonzentration und hochwertige, handwerklich hergestellte Parfums. Am häufigsten werden Parfums bei Kosmetikketten wie Sephora und Ulta Beauty gekauft. Ulta Beauty erzielte 2022 einen Nettoumsatz von mehr als 10 Milliarden US$ und einen Nettogewinn von gut 1 Milliarde US$ - beides Unternehmensrekorde. Die Kosmetikladenkette hat im letzten Jahr nach eigenen Angaben 48 neue Filialen eröffnet. Die Online-Einzelhandelsplattform Amazon, wichtiger Vertriebskanal für Haut-, Haarpflege- und Make-up-Produkte, spielt bei Parfums und Düften dagegen nur eine Nebenrolle.
Seit 2023 gelten in den USA branchenweit neue Vorschriften
Mit dem Ende letzten Jahres verabschiedeten "Modernization of Cosmetics Regulation Act of 2022" (MoCRA) erhält die US-Regulierungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) umfangreiche Befugnisse zur Regulierung von Kosmetika und Körperpflegeprodukten. Sie kann bei Sicherheitsbedenken veranlassen, dass Produkte vom Markt genommen werden. Ferner sind künftig für eine Reihe von Branchenprodukten Inhaltsstoffe offen- und Sicherheitsnachweise vorzulegen. Des Weiteren müssen sich in- und ausländische Hersteller von Schönheitsprodukten im Laufe dieses Jahres bei der FDA registrieren; das soll gegebenenfalls erforderliche Rückrufaktionen erleichtern.
Die größten Auswirkungen dürfte das neue Gesetz auf unabhängige, kleinere Kosmetikmarken haben. Sie müssen sicherstellen, dass sie und ihre Vertragshersteller alle erforderlichen Standards einhalten. Die meisten Marken und Hersteller dürften diese aber bereits erfüllen.
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | |
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Kosmetik | 17,0 | 13,6 | 14,8 | 18,0 | 19,4 |
Parfum | 8,2 | 7,5 | 7,7 | 8,4 | 8,7 |
Persönliche Pflege 2) | 39,2 | 39,0 | 39,7 | 40,8 | 42,2 |
Hautpflege 3) | 18,5 | 17,6 | 18,1 | 19,9 | 21,1 |
Insgesamt | 82,9 | 77,7 | 80,2 | 87,1 | 91,4 |