Brasiliens Kosmetikindustrie expandiert

Mit einem Branchenumsatz von 24,6 Milliarden US-Dollar (US$) verfügte Brasilien 2023 über den fünftgrößten Markt für Kosmetika weltweit. Dies zeigen Zahlen von Statista Markets Insights. Übertroffen wurde das Marktvolumen nur von den USA, China, Japan und Indien.

Für das Jahr 2024 prognostiziert Statista ein Umsatzwachstum um nominal 8,4 Prozent auf 26,6 Milliarden US$. Dabei ist das höchste Wachstum im Bereich Kosmetika (+10,9 Prozent) zu erwarten, gefolgt von dem Segment Parfum und Deo (+9 Prozent) sowie Hygiene- und Körperpflegeartikel (+8,2 Prozent). Der Absatz mit Hautpflegeprodukten wird voraussichtlich um 6,3 Prozent steigen, der im Bereich Beauty Tech um 3,7 Prozent.

Brasilien ist Wachstumstreiber in Lateinamerika

In Lateinamerika steigt der Kosmetikaabsatz. Laut Marktforschungsunternehmen Kantar treibt Brasilien das Wachstum der Region an. Im Jahr 2024 soll das Marktvolumen in Brasilien um 10 Prozent zulegen. Die Bevölkerung kauft mehr Produkte, obwohl einige Bundesstaaten die Umsatzsteuern erhöhen und dadurch die Verbraucherpreise in die Höhe treiben.

Insekten- und Sonnenschutzmittel kurbeln den Absatz an

Der Absatz von Kosmetikartikeln ist 2023 um 19,3 Prozent gestiegen. Damit hat sich das Segment weiter von dem heftigen Einbruch in der Coronakrise erholt und das Vorkrisenniveau inzwischen übertroffen. Weitere Marktsegmente mit einer überdurchschnittlichen Verkaufssteigerung waren 2023 Insekten- und Sonnenschutzmittel, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der jüngsten Dengue-Epidemie. Im anstehenden Winter dürften die Fallzahlen wieder zurückgehen. Der Verbrauch von Insektenschutzmittel soll von Jahr zu Jahr steigen.

Beim Sonnenschutz erwarten die Marktforscher von Euromonitor eine Fortsetzung des außergewöhnlich starken Wachstums von zuletzt 28,8 Prozent im Jahr 2023. Bis 2028 soll der Markt, der drittgrößte weltweit nach den USA und China, um 73 Prozent wachsen – fast doppelt so intensiv wie der weltweite Durchschnitt. 

Brasilien gehört zu den wichtigsten Märkten weltweit

Beim Absatz von Parfum und Deos, Körperpflegemitteln sowie speziellen Produkten für Männer liegt Brasilien im weltweiten Vergleich auf Rang 2 nach den USA. Diese Produktkategorien bieten nach wie vor stabile Wachstumsaussichten, die jedoch unter dem weltweiten Durchschnitt liegen. Allerdings dürften Nischenprodukte und das Luxussegment weiter stark wachsen. Laut Angaben des Branchenverbands ABPS legte der Umsatz mit hochwertigen Produkten 2022 um 30 Prozent zu.

Euromonitor zufolge überholte Brasilien 2023 Japan beim Absatz von Haarpflegeprodukten und nimmt nun weltweit den dritten Rang ein, nach den USA und China. In dieser Kategorie erwarten die Marktforscher bis 2028 ein überdurchschnittliches Wachstum um insgesamt 55 Prozent.

Deutsche Hersteller beliefern den Markt

Brasiliens Marktführer Natura sowie die drittplatzierte Gruppe Boticário sind über den traditionell etablierten Direktverkauf sehr präsent und breit anerkannt. Dazu kommen die multinationalen Hersteller, darunter auch deutsche Konzerne. Beiersdorf ist mit den Marken Nivea und Eucerin auf dem Markt vertreten und produziert in Itatiba (São Paulo). Das hessische Unternehmen cosnova bedient den Markt über die preisgünstige Marke Essence Cosmetics sowie die Premiummarke Catrice. 

"Im Bereich der Zulieferer sind nur wenige Länder so umfassend aufgestellt wie Brasilien"

Timo Lehner, General Manager Brazil, Cosnova GmbH, Deutsche Kosmetika auf dem brasilianischen Markt | © Cosnova GmbH

Timo Lehner ist seit 2012 bei dem Unternehmen cosnova tätig und war an der Vorbereitung des Markteinstiegs in Brasilien beteiligt. Seit Anfang 2020 leitet er die Niederlassung des deutschen Kosmetikherstellers in São Paulo. Im Jahr 2023 erzielte cosnova in Brasilien ein Umsatzplus von 75 Prozent.

Wie blickt Cosnova auf den brasilianischen Markt?

Der Blick auf die Marktgröße und die wachsende Nachfrage in Brasilien verführt zu Euphorie. Andererseits treffen wir auf große Herausforderungen, um unser Konzept niedriger Verbraucherpreise in dem Markt umsetzen zu können. Der Anpassungsprozess an den brasilianischen Markt ist komplex und birgt das Risiko von Rückschlägen. Cosnova ist dabei, eine gesunde Balance zu finden. 

Welche Herausforderungen sind das?

Da ist in erster Linie die hohe Steuerbelastung. Für die Artikel unserer Marke essence liegen die Endverbraucherpreise deshalb im Schnitt deutlich höher als in Deutschland. Mit steigendem Umsatz kann es sich lohnen, Steuervorteile bei den Umsatzsteuern zu nutzen. Beispielsweise bieten die Bundesstaaten Espírito Santo und Santa Catarina Begünstigungen, wenn der Import über einen ihrer lokalen Häfen erfolgt. Wir prüfen derzeit, in welchem Umfang eine solche Anpassung unserer Logistik zu einer Senkung der Gesamtsteuerlast führen kann.

Wie stehen die Chancen auf eine Produktion in Brasilien?

Cosnova wird vorerst weiter alle Produkte aus Deutschland importieren. Wenn wir unseren Marktanteil weiter steigern, lohnt sich ab einer gewissen Abnahmemenge der Aufbau einer lokalen Produktion. Im Bereich der Zulieferer sind nur wenige Länder so umfassend aufgestellt wie Brasilien. Zahlreiche etablierte lokale, aber auch internationale Marken sourcen deshalb einen Großteil Ihrer Produkte lokal. Auch einige unserer bestehenden europäischen Zulieferer sind in Brasilien bereits mit lokalen Produktionsstätten vertreten.

Und im Vertrieb? Wie erreicht Cosnova die Endverbraucher in Brasilien?

Wir setzen derzeit verstärkt auf den Onlinehandel, um den Bekanntheitsgrad unserer Marken zu steigern. Zwar macht dieser in Brasilien nur circa 8 bis 10 Prozent des Marktes aus, aber unsere Produkte sind so für ein breites Publikum sichtbar und zugänglich. Denn Kosmetika werden traditionell über den Direkthandel vertrieben und über den recht fragmentierten Kanal der Parfümerien, was den langwierigen Aufbau komplexer Vertriebsstrukturen voraussetzt. Im Marketing setzen wir auf soziale Medien. Influencer haben in Brasilien einen hohen Einfluss auf das Konsumverhalten.

Positive Konjunktur kurbelt Investitionen an

Der letzte Investitionszyklus in der brasilianischen Konsumgüterindustrie liegt mehr als ein Jahrzehnt zurück. Auf die starke Rezession ab dem Jahr 2014 folgte die Coronakrise. Die Kosmetikindustrie hat die Krisen inzwischen überwunden. Entsprechend erhöhen die Hersteller trotz der nach wie vor hohen Zinsen die Investitionen in neue Ausrüstungen. Ankündigungen neuer Fabriken bleiben jedoch aus. 

Hersteller setzen auf Innovation und Nachhaltigkeit

Aufgrund der ethnischen Vielfalt und der einzigartigen Biodiversität ist Brasilien ein bedeutender Standort für die Forschung und Entwicklung. Nur in den USA bringt der Sektor mehr Produkte auf den Markt. 

Marktführer Natura sowie die Gruppe Boticário zählen zu den innovativsten Unternehmen des Landes. Das Umfeld für Forschung und Entwicklung wird durch die Kooperation zwischen dem Branchenverband Abihpec und der Gesellschaft für Forschung und industrielle Innovation EMBRAPII gestärkt. Zudem treiben aussichtsreiche Jungunternehmen die Entwicklung voran.

Tierversuche für Kosmetika sind in Brasilien verboten. Nachhaltigkeit rückt zunehmend in den Vordergrund. Doch zur Stimulierung des Naturkosmetikmarkts bedarf es eines festen Rechtsrahmens. Bislang ist die Bezeichnung Naturkosmetik nicht geschützt und kann dem Greenwashing dienen. Dennoch investieren die Marktführer in Nachhaltigkeit entlang der gesamten Lieferkette. Umweltfreundliche Verpackungen werden wichtiger. 

Boticário führte Anfang 2024 ein Rücknahmesystem für Parfumflaschen ein. Außerdem gab der Konzern Ende 2023 eine nachhaltige Anleihe (sustainability-linked bond) im Wert von 400 Millionen US$ heraus für die vollständige Umstellung auf vegane Produkte bis 2026. Zudem investiert der Konzern in das Recycling von Abwässern in der größten Fabrik in São José dos Pinhais (Paraná).

Exportüberschuss wächst

Seit 2020 erzielt Brasilien bei Kosmetik- und Hygieneprodukten steigende Überschüsse im Außenhandel. Im Jahr 2023 hat sich der Saldo mehr als verdoppelt. Die Exporte an die 176 Abnehmerländer legten um 17,4 Prozent auf 911 Millionen US$ zu. Die wichtigsten Exportmärkte der brasilianischen Kosmetikindustrie liegen in Lateinamerika. Doch die USA und Portugal gewinnen an Bedeutung.

Deutschland war 2023 das achtgrößte Lieferland, lieferte im 1. Quartal 2024 mit einem Volumen von 4,7 Millionen US$ aber fast 30 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Dafür stiegen die Einfuhren aus Südkorea, Frankreich und Italien.