Branchen | USA | Gebäudetechnik
Hochbau in den USA bietet umfangreiche Zulieferchancen
Energieeffizienz und Wärmepumpen sind wichtige Wachstumstreiber. Die deutschen Lieferungen von Gebäudetechnik sind im 1. Halbjahr 2023 kräftig gestiegen.
29.08.2023
Von Roland Rohde | Washington, D.C.
US-Medien diskutieren viel über die Krise und einen möglichen "Crash" des heimischen Immobiliensektors. Doch das ist nur die Hälfte der Wahrheit. So befinden sich sämtliche Sparten des Hochbaus – außer dem privaten Wohnungsbau – im Aufwind. Selbst der schwächelnde Häusermarkt bietet umfangreiche Geschäftschancen für Anbieter von Gebäudetechnik. Energiesparendes Bauen und Sanieren gewinnt in dem Segment zunehmend an Bedeutung.
Auch der gewerbliche Hochbau setzt auf Energieeffizienz. Zahlreiche Förderprogramme der Zentralregierung und der Bundesstaaten fachen die Nachfrage an. Es herrscht eine Art Goldgräberstimmung, denn Energieeffizienz spielte in den Vereinigten Staaten bislang kaum eine Rolle. In den Betrieben fehlen entsprechende Fachkenntnisse. Auch die Ausbildung an den Universitäten hat hier Nachholbedarf. Deutsche Anbieter sind teils weit voraus.
Gutes Geschäft mit Rolltreppen und Aufzügen
Weitere Geschäftschancen ergeben sich in den Bereichen Sicherheits-, Klima- und Aufzugstechnik. So lieferten deutsche Anbieter gemäß der U.S. International Trade Commission 2022 Aufzüge und Rolltreppen im Wert von gut 600 Millionen US-Dollar (US$) in die Vereinigten Staaten, ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im 1. Halbjahr 2023 beschleunigte sich das Wachstum im Vergleich zum 1. Halbjahr 2022 auf 47 Prozent.
Schalttechnik für den Niedrig- und Mittelspannungsbereich stellte 2022 mit 1,7 Milliarden US$ die größte Importposition dar. Allerdings ist ein Teil dieser Einfuhren auch für Branchen jenseits des Hochbaus bestimmt. Deutsche Anbieter sind insbesondere im Bereich Mittelspannungstechnik gut aufgestellt. Entsprechende Schaltkästen kommen unter anderem bei größeren gewerblichen und kleineren industriellen Bauten zum Einsatz. Der private Wohnungsbau, der in den USA überwiegend aus Einfamilienhäusern besteht, spielt als Absatzsparte hier keine große Rolle.
SITC-Pos. | Warenbezeichnung | 2022 | Veränderung *) |
---|---|---|---|
635.31, 635.32, 691.13, 691.21 | Türen und Fenster | 146,6 | 17,3 |
697.5, 812,2, 893.21 | Badezimmerausstattungen, Sanitärwaren | 27,0 | -6,6 |
699.11, 699.13, 699.14, 699.16, 699.19 | Schlösser, Beschläge, Scharniere (ohne Waren für Kfz oder Möbel) | 202,9 | 7,8 |
741.4 | Kühltechnik (für Großküchen u. dgl.) | 90,3 | 21,9 |
741.5 | Klimatechnik | 79,1 | 8,0 |
744.8 | Aufzüge, Rolltreppen | 609,2 | 46,9 |
772.5, 772.61 | Sicherungen, Schalter, Stecker, Schaltschränke u. dgl. (bis 1.000 V) | 1.671,4 | 8,8 |
778.84, 778.85 | Alarmanlagen, Feuermelder u. dgl., einschl. Teile | 171,2 | 18,3 |
812.1 | Heiztechnik | 83,0 | 26,1 |
873.1 | Gas-, Flüssigkeits- oder Elektrizitätszähler | 24,8 | 48,5 |
Harte Konkurrenz bei Klimatechnik, gute Absatzchancen bei Wärmepumpen
Bei Kältetechnik gibt es eine harte Konkurrenz von Seiten US-amerikanischer und asiatischer Anbieter. So ist beispielsweise China traditionell der mit weitem Abstand größte Hersteller und Exporteur von Klimaanlagen der Welt. Ganz ähnlich sieht die Situation bei Sicherheitstechnik aus. Das Reich der Mitte verfügt insbesondere bei Überwachungstechnik über einen großen Wettbewerbsvorsprung und setzt auf diesem Gebiet massiv künstliche Intelligenz ein. In beiden Bereichen bestehen für deutsche Anbieter Marktchancen in Nischen.
Beim Thema Heiztechnik können sie zudem von einer steigenden Nachfrage nach Wärmepumpen profitieren. Das Wachstumspotenzial ist riesig, denn der Markt ist längst noch nicht gesättigt. Laut Zahlen der U.S. Energy Information Administration verfügten 2020 landesweit erst 15 Prozent der Haushalte über Wärmepumpen als primäre Heizquelle. Das Marktvolumen soll gemäß Global Market Insights zwischen 2020 und 2030 von 13,5 Milliarden auf 22,2 Milliarden US$ steigen.
Hotelausstattungen und Großküchentechnik gefragt
Spezialanbieter von Großküchentechnik und Hotelausstattungen wiederum können von der florierenden Konjunktur des Beherbergungs- und Gaststättengewerbes profitieren. Die wieder auflebende Reiselust nach dem Ende der Corona-Pandemie facht das Geschäft an. Die Fußballweltmeisterschaft 2026, die in den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko stattfindet, sorgt für zusätzlichen Aufwind.
Die Fußballweltmeisterschaft 2026 sorgt für eine Sonderkonjunktur im Hotel- und Gaststättengewerbe.
Die Zahl der in den USA geplanten Hotelprojekte hat einen Rekordwert erreicht. Nach Angaben von Lodging Econometrics befanden sich zum Ende des 2. Quartals 2023 fast 5.600 Hotelprojekte mit rund 660.000 Zimmern in der Pipeline. Gemessen an der Anzahl der Vorhaben und der geplanten Zimmer lagen die Vereinigten Staaten damit deutlich vor China auf Rang eins weltweit. Zusätzlich werden noch einmal fast 1.100 Häuser mit mehr als 100.000 Betten renoviert beziehungsweise umgebaut.
Kaum Protektionismus bei privaten Projekten
Der Hochbausektor bietet für ausländische Anbieter einen entscheidenden Vorteil: Da es sich überwiegend um private Vorhaben handelt, haben die Projektbetreiber weitgehend unternehmerische Freiheit bei der Auswahl ihrer Zulieferer. Es gibt praktisch keine Vorschriften zur Erbringung eines Mindestanteils an lokaler Wertschöpfung ("local content").
Bei öffentlichen Vorhaben, wie zum Beispiel beim Bau von Verwaltungsgebäuden, Schulen oder Krankenhäusern, sind solche Vorschriften hingegen gebräuchlich. Es kommt dann jeweils eines der beiden Gesetze "Buy America" oder "Buy American" zum Tragen. Allerdings erweisen sich diese Vorschriften als stumpfe Waffe, wenn es keine alternativen inländischen Anbieter gibt. Gerade bei öffentlichen Neubauten gelten strengere Vorgaben bezüglich Energieeffizienz oder Nachhaltigkeit als im privaten Bereich. Entsprechende Technologie lässt sich oft nur im Ausland kaufen.
Hochbau bleibt weiterhin zweigeteilt
Die Zweiteilung des Hochbaus dürfte auf absehbare Sicht anhalten. Während die gewerblichen Sparten lebhaft bleiben, kommt der private Wohnungsbau nicht aus seiner Flaute heraus. Er leidet unter den hohen Hypothekenzinsen und den gestiegenen Baukosten.
Eine Trendwende zeichnet sich noch nicht ab. Die US-Notenbank Fed warnte Mitte August 2023, dass weitere Zinsanhebungen nicht ausgeschlossen seien. Allerdings erwarten Analysten – nach dem vorhergehenden Erhöhungsmarathon – keine allzu einschneidenden Schritte mehr, da die Inflationsrate im Juni und Juli 2023 im Jahresvergleich jeweils nur noch bei rund 3 Prozent lag. Damit bewegte sie sich schon recht nahe am 2-Prozent-Ziel der Zentralbank. Deshalb ist anzunehmen, dass sich die Hypothekenzinsen allenfalls leicht erhöhen werden.