Branchen | USA | Ladesäulen
Turbobeschleunigung für Ausbau der Ladeinfrastruktur in den USA
Die USA forcieren die Antriebswende. Um Schritt zu halten, muss das Ladenetz wie in Lichtgeschwindigkeit wachsen. Dabei setzt sich Teslas Stecker als neuer US-Standard durch.
12.12.2023
Von Heiko Stumpf | San Francisco
Die Vereinigten Staaten stehen beim Ausbau der Ladeinfrastruktur vor einer Herkulesaufgabe. Nach den ehrgeizigen Zielen der Regierung sollen Elektrofahrzeuge bis 2030 einen Anteil von mindestens 50 Prozent an den Neuverkäufen erreichen. Wird die Zielmarke bis Ende des Jahrzehnts erfüllt, wären nach Prognosen des staatlichen "National Renewable Energy Laboratory" (NREL) rund 33 Millionen Stromer (Plug-in-Vehicles, PEV) auf den amerikanischen Straßen unterwegs. Ende 2022 waren es erst 2,7 Millionen Fahrzeuge.
Um die wachsende Flotte von Elektroautos mit Strom zu versorgen, sind nach NREL-Berechnungen im Jahr 2030 rund 1,2 Millionen öffentliche Ladepunkte erforderlich. Gegenüber dem heutigen Stand müsste sich die Anzahl damit mehr als versiebenfachen. Der damit verbundene Investitionsbedarf ist gewaltig – Schätzungen reichen von 31 Milliarden bis 55 Milliarden US-Dollar (US$). Zudem müssten zusätzlich knapp 27 Millionen Heimladestationen installiert werden.
Regierung schüttet Milliarden an Fördergeld aus
Mit Zuschüssen will das Biden-Kabinett den erforderlichen Ausbau vorantreiben. Über ein Gesetz, das Bipartisan Infrastructure Law (BIL) von 2021, werden insgesamt 7,5 Milliarden US$ für den Bau von Ladeinfrastruktur bereitgestellt. Mit rund 5 Milliarden US$ fließt der Löwenanteil in das "National Electric Vehicle Infrastructure Program" (NEVI), das auf den Bau eines flächendeckenden Schnellladestationsnetzes entlang ausgewählter Fernstraßen abzielt. Die für die Umsetzung verantwortlichen Bundesstaaten waren bislang damit beschäftigt, umfangreiche Durchführungspläne zu erstellen. Nun fließt auch das Geld.
Bis Ende Oktober 2023 hatten bereits sieben Bundesstaaten erste Vergaberunden abgeschlossen. Weitere 19 Staaten folgen in Kürze. In den Jahren 2024 bis 2026 dürfte die Mittelvergabe dann auf Hochtouren laufen. Experten schätzen die Baukosten für einen den Vorgaben des NEVI-Programms entsprechenden Schnellladestandort auf bis zu 750.000 US$. Demnach könnten in den kommenden drei Jahren bis zu 10.000 Standorte entstehen. Gemäß den Vorgaben muss ein Schnellladestandort über mindestens vier Ladepunkte mit 150 Kilowatt verfügen.
Anfang des Jahres 2023 fand zudem die erste Vergaberunde im Rahmen des mit 2,5 Milliarden US$ dotierten "Charging and Fueling Infrastructure Grant Program" (CFI) statt. Im Vergleich zu NEVI steht hier der Bau von Ladeinfrastruktur innerhalb von Städten und Gemeinden im Vordergrund. Das Ladenetz soll so vor allem im ländlichen Raum dichter werden. Bislang war eine ausreichende Ladeinfrastruktur Thema vor allem in bevölkerungsreichen Regionen wie Kalifornien, New York, New Jersey und Pennsylvania. Denn "Reichweitenangst" ist nach Umfragen oft ausschlaggebend fürs Zögern bei der Elektromobilität.
Ladestandard von Tesla tritt den Siegeszug an
Der Geldregen aus der Hauptstadt Washington, D.C. trägt zu tiefgreifenden Veränderungen bei den Landestandards bei. Tesla öffnet erstmals Teile des eigenen Schnellladenetzes für Autos der Konkurrenz. Dies war eine Forderung der US-Regierung, damit Tesla auch Fördermittel bekommen kann. Für seine Ladeinfrastruktur setzt Tesla als einziger Hersteller auf den "North American Charging Standard" (NACS). Andere Autobauer verwenden bislang das auch in Europa bekannte "Combined Charging System" (CCS).
Mit knapp 22.000 Superchargern dominiert Tesla das amerikanische Schnellladenetz und hält einen Anteil von etwa 60 Prozent. Zudem sind die Ladestationen des E-Auto-Pioniers mit Firmensitz in Austin, Texas, zuverlässig. Laut Studien von J.D. Power beträgt die Ausfallquote bei Tesla etwa 4 Prozent. Bei anderen Betreibern ist im Schnitt jede fünfte Ladesäule außer Betrieb.
Um Teil des Tesla-Netzes zu sein, setzen amerikanische Autobauer alles in Bewegung. Als erstes entschieden Ford und General Motors, den NACS-Anschluss ab 2025 auch bei den eigenen Neumodellen einzubauen. Wie in einer Kettenreaktion folgten mittlerweile fast alle namhaften Automobilhersteller, darunter die deutschen Premiumanbieter Mercedes-Benz und BMW. Lediglich Stellantis und VW sind noch nicht auf den Zug aufgesprungen.
Joint Venture mit Zusatzangebot
Trotz der Zusammenarbeit mit Tesla investieren viele E-Fahrzeughersteller in eigene Ladenetze. Mitte des Jahres 2023 kündigten sieben Branchengrößen (Mercedes-Benz, BMW, General Motors, Honda, Hyundai, Kia und Stellantis) ein gemeinsames Joint Venture an, das bis 2030 rund 30.000 Schnellladepunkte errichten wird. Viele sollen mit NACS-Steckern ausgestattet werden. Auch unabhängige Anbieter wie Chargepoint, Chargefox und EVGo wollen künftig Ladesäulen mit der Tesla-Lösung vorhalten.
Unternehmen | Anmerkungen |
---|---|
Chargepoint, Mercedes-Benz, MN8 Energy | Bau von 400 Charging Hubs mit 2.500 Schnellladepunkten bis 2027 |
Electrify America | Aufbau eines Netzwerks mit 10.000 Schnellladepunkten bis 2026 |
EVgo, General Motors, Pilot Company | Aufbau eines Netzwerks mit 2.000 Schnellladepunkten |
BP, Hertz | Aufbau eines Schnellladenetzwerks; Investitionsvolumen von 1 Milliarde US$ bis 2030 |
Rivian | Bau des Adventure Network mit 600 Standorten und 3.500 Schnellladepunkten |
Walmart | Bau eines Schnellladenetzes auf den Parkplätzen von Walmart und Sam's Club bis 2030; beide Ketten verfügen zusammen über mehr als 5.000 Standorte in den USA |
Flo, General Motors | Aufbau eines Netzes mit bis zu 40.000 Level-2-Ladepunkten bis 2026 |
Ladesäulenhersteller investieren in neue Produktionsstätten
Auch die Hersteller von Ladestationen passen sich den veränderten Marktbedingungen an. Anbieter wie ABB oder Tritium entwickeln bereits Säulen, die mit NACS kompatibel sind. Im Gegenzug hat Tesla sein Design freigegeben, und die in Pennsylvania ansässige Normungsstelle SAE International arbeitet bereits an entsprechenden Standards für Dritthersteller.
Die US-Industrie für Ladetechnik wächst deutlich, wobei sich insbesondere die von US-Präsident Joe Biden verfolgte Agenda der Reindustrialisierung bemerkbar macht. Ab Juli 2024 gelten für Ladestationen "Buy America"-Vorschriften, die eine lokale Wertschöpfung von mindesten 55 Prozent festschreiben.
Zahlreiche Hersteller errichten deshalb eigene Standorte in den USA. Laut Angaben des U.S. Department of Energy wurden seit 2021 mehr als 40 neue Fertigungsstätten mit einem Investitionsvolumen von über 500 Millionen US$ in Angriff genommen. Siemens nahm im Jahr 2023 in Carrollton, Texas, eine Anlage für den Bau von VersiCharge-Blue-Ladestationen in Betrieb. Das Unternehmen ADS-TEC Energy aus Nürtingen investiert in die Produktion von Schnellladesäulen in Auburn, Alabama.