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Wasserstoffwirtschaft in den USA kommt langsam in Fahrt
Die US-Regierung hat zahlreiche Förderprogramme aufgelegt. Viele Steuererleichterungen gelten bis 2032. Für deutsche Firmen ergeben sich gute Geschäftschancen.
18.08.2023
Von Roland Rohde | Washington, D.C.
Die USA wollen bis 2050 ihre Netto-CO2-Emissionen auf Null fahren. Dazu soll auch der Aufbau einer integrierten Wasserstoffwirtschaft beitragen. Allerdings dürfte diese keine Hauptrolle spielen. Nach Einschätzung der Fuel Cell & Hydrogen Energy Association (FCHEA) könnte sie bis 2050 den gesamten Kohlendioxidausstoß der Vereinigten Staaten nur um 16 Prozent verringern. Für den Verkehrssektor geht der Verband immerhin von einer entsprechenden Reduktion von 30 Prozent aus.
Mit anderen Worten: Die Interessensvertretung sieht vor allem im Einsatz von Brennstoffzellen im Transportbereich die wichtigste Einsatzmöglichkeit des Wasserstoffs. Im Energiebereich soll er vor allem als variable regenerative Quelle genutzt werden, wenn etwa zu wenig Wind- oder Solarenergie erzeugt wird.
Aktuell sieht die Lage allerdings genau umgekehrt aus. Die private Wirtschaft engagiert sich schwerpunktmäßig im Kraftwerksbereich. Das liegt vor allem an den gesetzlichen Vorgaben. Bis 2035 soll die Stromerzeugung CO2-neutral sein. Bereits 2032 müssen dann noch laufende Kohle- und Gaskraftwerke mindestens 30 Prozent Wasserstoff beimischen.
Die Regierung hat in den letzten Jahren zahlreiche Pläne und Programme zur Förderung der Wasserstoffwirtschaft aufgelegt. So stieß das Energieministerium 2021 die Energy Earthshots Initiative an. Der Teilplan für den Wasserstoffbereich namens "Hydrogen Shot" startete dabei als erster. Sein Ziel besteht vor allem darin, die Kosten für die Herstellung von 1 Kilogramm Wasserstoff innerhalb einer Dekade auf 1 US-Dollar (US$) zu senken. Dieses sogenannte "111"-Ziel käme einer Preisreduktion von immerhin 80 Prozent gleich.
Bis 2050 rund 3,4 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze in der Wasserstoffwirtschaft
Auch der ökonomische Nutzen wurde vom Energieministerium beziffert. Bis 2030 sollen mit Hilfe der Wasserstoffwirtschaft zusätzliche Einnahmen in Höhe von 140 Milliarden US$ generiert sowie 700.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Verband FCHEA geht bis 2050 von Erlösen in Höhe von 750 Milliarden US$ sowie 3,4 Millionen Arbeitsstellen aus.
Besonders optimistisch gibt sich FCHEA abermals für den Verkehrsbereich. Bis 2030 sollen insgesamt 1,2 Millionen Fahrzeuge mit Brennstoffzellen verkauft werden und 4.300 entsprechende Tankstellen entstehen. Das sind überaus ehrgeizige Pläne. Nach Angaben des Energieministeriums gibt es Mitte 2023 außerhalb Kaliforniens gerade einmal eine einzige Wasserstofftankstelle. In den USA ist zudem dank des Branchenführers Tesla Elektromobilität in Teilen des Landes sehr beliebt und verbreitet. E-Autos stellen die stärkste Konkurrenz für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge dar.
Das Ziel von 4.300 Wasserstofftankstellen bis 2030 erscheint zu optimistisch.
Das Energieministerium hat bislang auch keine detaillierten Pläne bezüglich des Aufbaus der Wasserstoffwirtschaft veröffentlicht. Ihre Webseite zu "Hydrogen Shot" enthält nur wenige Daten. Ein sehr umfassender Hydrogen Program Plan wirkt in weiten Teilen datentechnisch veraltet. Umso geschäftiger gibt sich der Branchenverband FCHEA. Er bietet eine Menge an aktuellen Informationen. So listet er die zahlreichen staatlichen Förderprogramme auf.
Förderprogramme schießen wie Pilze aus dem Boden
Zunächst gibt es die Zuschüsse, die sich aus dem Ende 2021 verabschiedeten Infrastructure Investment and Jobs Act ergeben. Sie belaufen sich auf insgesamt 9,5 Milliarden US$. Davon sind 8 Milliarden US$ für regionale Programme vorgesehen. Mit Hilfe dieser Mittel sollen bis zu zehn Hubs für die Herstellung von grünem Wasserstoff entstehen. Hinzu kommen die Ausgaben im Rahmen des Inflation Reduction Act von 2022. Der Branchenverband hat hier elf Programme und Fonds mit einem Volumen von fast 31 Milliarden US$ identifiziert, die der Wasserstoffwirtschaft − allerdings nur teilweise − zugutekommen.
Programm | Wert |
---|---|
Infrastructure Investment and Jobs Act, davon | 9,5 |
Regional Clean Hydrogen Hubs | 8,0 |
Inflation Reduction Act, davon *) | 30,6 |
GHG Reduction Fund | 7,0 |
Advanced Industrial Facilities Deployment Program | 5,8 |
Energy Infrastructure Reinvestment Financing | 5,0 |
Advanced Technology Vehicle Manufacturing | 3,0 |
Grants to Reduce Air Pollution at Ports | 3,0 |
Postal Services Clean Fleet | 3,0 |
Domestic Manufacturing Conversion Grant | 2,0 |
Darüber hinaus gibt es umfangreiche Steuererleichterungen und Kreditprogramme. Sie dürften sich als besonders effektive Instrumente beim Ausbau des Wasserstoffsektors erweisen. Insgesamt zeigt sich aber ein schwer durchschaubares Geflecht an Subventionen, von denen nicht immer klar ist, wie stark sie den Wasserstoffsektor tatsächlich betreffen.
Programm | Beschreibung |
---|---|
Clean Hydrogen Production Credit | Steuererleichterung von bis zu 30 Prozent über 10 Jahre für grüne Wasserstoffproduktion |
Energy Credit | Steuererleichterung von 30 Prozent für Brennstoffzellen; gilt bis 2024 |
Energy Storage Credit | Steuererleichterung für Wasserstoffspeicherung; gilt bis 2025 |
Alternative Fuel Refueling Property Credit | Steuererleichterung von 30 Prozent (maximal 100.000 US$) bis 2032 für den Immobiliensektor |
Clean Vehicle Credit | Zuschuss für Kfz auf Wasserstoffbasis; 7.500 US$ pro Fahrzeug; für Fahrzeuge bis zu einem Preis von 55.000 US$ (Pkw) bzw. 80.000 US$ (SUV) |
Qualified Commercial Clean Vehicle Credit | Steuererleichterung von 30 Prozent bis 2032 für kommerziell genutzte Kfz auf Wasserstoffbasis; für Fahrzeuge bis zu einem Preis von 40.000 US$ |
Advanced Energy Project Credit | Kredite für Hersteller von Kfz mit Brennstoffzellen, Wasserstoffinfrastruktur und Elektrolyseur-Anlagen; 10 Milliarden US$ stehen zur Verfügung |
Effective Payment for Energy Property | Steuererleichterung und Zuschüsse für verschiedene Anwendungen der Wasserstoffwirtschaft |
Hinzu kommt ein psychologischer Effekt: Die Potenziale der Wasserstofftechnologie werden in den Vereinigten Staaten in den Medien weniger euphorisch dargestellt als etwa in der Europäischen Union (EU). Auch bezeichnen viele Fachleute die Erzeugung, Lagerung und Anwendung von Wasserstoff als technologisch noch nicht ausgereift. Allerdings gibt es große regionale Unterschiede. Echter Vorreiter ist Kalifornien. Im Großraum Los Angeles und San Francisco existieren bereits zahlreiche Wasserstofftankstellen.
Einnahmen von 475 Milliarden US$ für Anbieter von Maschinen und Spezialmaterialien
Auch ausländische Anbieter können profitieren. Die geschätzten Einnahmen in der Wasserstoffwirtschaft belaufen sich alleine für die Hersteller von Maschinen sowie Spezialmaterialien und -technologien laut Branchenverband FCHEA bis 2050 auf insgesamt 475 Milliarden US$. Selbst wenn sich diese Vorhersage als zu optimistisch herausstellen sollte, dürfte dennoch ein Geschäftsvolumen im dreistelligen Milliarden-US$-Bereich übrig bleiben.
Deutsche Unternehmen im Wasserstoffmarkt aktiv
Deutsche Firmen sind daher bereits aktiv. So kooperiert Siemens mit kalifornischen Branchenakteuren. Thyssenkrupps Wasserstofftochter Nucera liefert nach eigenen Angaben zahlreiche Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff nach Nordamerika, darunter für Air Products & Chemicals (Arizona) und CF Industries (Louisiana). Der Industriegaskonzern Linde nahm im Juli 2021 seinen fünften Wasserstoffverflüssiger in den USA in Texas in Betrieb − nach Kalifornien, Alabama, Indiana und New York.
Institution | Beschreibung |
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Nationales Energieministerium | |
Förderinitiative des Energieministeriums für die Wasserstoffwirtschaft | |
Branchenverband | |
FCHEA Summary of Hydrogen Provision in the Infrastructure Investment and Jobs Act | Zusammenfassung und Übersicht der einzelnen Förderprogramme durch den Branchenverband |
Anbieter von Wasserstofftechnologie |