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Special | USA | Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz | Umsetzungshilfe Risikoanalyse

Missachtung der Koalitionsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen

Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse USA unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 6 LkSG)

Kurzbeschreibung: Koalitionsfreiheit umfasst das Recht von Arbeitnehmern, sich frei zu Gewerkschaften zusammenschließen zu dürfen. Koalitionsfreiheit umfasst zudem in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht des Beschäftigtenortes das Recht von Gewerkschaften sich zu betätigen, was ein Streikrecht und ein Recht auf Kollektivverhandlungen beinhaltet.

Gesetzliche Grundlagen 

Die USA sind Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO) und haben zwei von zehn Kernübereinkommen ratifiziert (Stand: September 2024). Nicht ratifiziert wurden die hier relevanten Übereinkommen über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen (ILO-Übereinkommen Nr. 98) sowie über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes (ILO-Übereinkommen Nr. 87). Dennoch sind die USA durch ihre Mitgliedschaft in der ILO zu deren Beachtung verpflichtet. Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country.

Die Vereinigungsfreiheit wird unter anderem durch den ersten Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung geschützt. Seit 1935 gilt zudem der National Labor Relations Act (NLRA), der den Arbeitnehmenden das Recht gibt, sich gewerkschaftlich zu organisieren, Tarifverhandlungen mit ihren Arbeitgebenden zu führen und zu streiken. Der NLRA gilt für die meisten Arbeitgebenden des privaten Sektors. Ausgenommen sind unter anderem Beschäftigte im öffentlichen Dienst, in der Landwirtschaft und in Haushalten tätige Arbeitnehmenden sowie Selbstständige. Das National Labor Relations Board (NLRB) regelt die Beziehungen zwischen Arbeitgebenden, Arbeitnehmenden und Gewerkschaften. Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.

Weiterführende Informationen zur Definition und rechtlichen Instrumenten bezüglich Vereinigungsfreiheit bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte. 

Risiken

Die USA belegen im Global Rights Index 2024 des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), der jährlich die relevanten Rahmenbedingungen zur Respektierung kollektiver Arbeitnehmerrechte durch das jeweilige Land bewertet, auf der Skala von 1 bis 5 das Rating 4. Dies bedeutet, dass es zu systematischen Rechtsverletzungen kommt. Andere westliche Industriestaaten wie Deutschland (Rating 1) und Frankreich (Rating 2) werden besser bewertet. Allerdings liegen die USA auf dem gleichen Niveau wie das Vereinigte Königreich und Vietnam.

Die Vereinigungsfreiheit ist in den USA schwach ausgeprägt. Ein duales System der Arbeitnehmendenvertretung durch Gewerkschaften und Betriebsräte besteht nicht. Flächentarifverträge sind unbekannt. Gewerkschaften müssen für jeden Betrieb separat das Kollektivvertretungsrecht erlangen. Oft geht mit der Kollektivierung eine massive Einschüchterung durch die Arbeitgebenden einher, in deren Verlauf es sogar zu Entlassungen kommen kann. Dabei werden viele Arbeitgebenden von spezialisierten Kanzleien und Beratungsfirmen unterstützt (sogenanntes union busting).

Gewerkschaften sind in den USA, mit Ausnahme in der Automobilindustrie im Norden, schwach aufgestellt. Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder ist seit 1983 rückläufig und erreichte 2022 einen historischen Tiefstand von 10 Prozent. Dies entsprach rund 14,3 Millionen Arbeitnehmenden, die gewerkschaftlich organisiert waren. Gerade Bundesstaaten mit republikanischer Dominanz weisen einen eher niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und einen hohen politischen Druck gegen eine Kollektivierung auf. Dabei erfassen die Defizite nicht einzelne Industrien, sondern ziehen sich quer durch sämtliche Branchen.

Der Trend zur arbeitsmarktpolitischen Marginalisierung der Gewerkschaften scheint sich indes abzuschwächen. Nachdem die Bedeutung der Gewerkschaften jahrzehntelang eng mit dem Niedergang klassischer Industriestandorte verwoben war, erfährt die Kollektivierung in Branchen wie Luftfahrt, Einzelhandel und Technologie eine Renaissance. Im Jahr 2023 standen Gewerkschaften gleich mehrfach prominent in den Schlagzeilen. So organisierten die United Automotive Workers of America (UAW) einen koordinierten Streik, der Lohnerhöhungen und weitere Zugeständnisse von den großen Automobilproduzenten aus Detroit erzielte. Arbeitnehmende aus knapp 400 Starbucks-Filialen bildeten trotz heftigen Widerstands des Unternehmens erstmals eine Gewerkschaft und erzwangen Tarifverhandlungen. 

Die Biden-Administration hat an einigen Stellen Verbesserungen angestoßen. Im April 2021 wurde eine Task Force geschaffen, die sich den Möglichkeiten zur einseitigen Erweiterung des Rechts von Arbeitnehmenden zur Gewerkschaftsbildung widmet. Die Task Force veröffentlichte im Februar 2023 ihre Empfehlungen, gefolgt von der Veröffentlichung der Fortschrittsberichte einschlägiger Behörden. Die vom Repräsentantenhaus verabschiedete Version des Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit mit China (America COMPETES Act) sieht die Beteiligung von Gewerkschaften an Entscheidungsprozessen zu wichtigen Themen wie Arbeitskräfteentwicklung vor. 

Präsident Biden versprach ferner, den Protecting the Right to Organize Act (PRO Act) zu unterstützen, der auf eine erhebliche Stärkung der Arbeitnehmenden- und gewerkschaftlichen Organisationsrechte abzielt. Eine Verabschiedung des PRO Act ist derzeit noch nicht erfolgt und auf kürzere Sicht nicht absehbar. Kritisiert wurde Präsident Biden, als er im Dezember 2022 den Kongress aufforderte, gegen einen Bahnstreik vorzugehen, und dies mit den hohen Kosten für die Wirtschaft begründete.

In der Automobilindustrie im Norden der USA spielt die UAW eine dominierenden Rolle. Deutsche und japanische Konzerne sind jedoch vor allem im Süden des Landes zu finden. Die UAW will sich dort ebenfalls etablieren. Eine Mehrheit der Volkswagen-Mitarbeitenden in Chattanooga (Tennessee) entschied im Frühjahr 2024, der Gewerkschaft beizutreten. Im Rahmen einer anschließenden Abstimmung bei Mercedes Benz in Tuscaloosa (Alabama) votierte nicht die notwendige Mehrheit der Arbeitnehmenden für einen Gewerkschaftsbeitritt. Die UAW beschuldigte Mercedes Benz daraufhin, vor und während der Abstimmung unter anderen gegen Sorgfaltspflichten aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verstoßen zu haben und trug eine Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) vor. 

Verstöße gegen das Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit sind in vielen Wirtschaftsbereichen zu finden. Unternehmen können auf den CSR Risiko-Check zurückgreifen.

Präventions- und Abhilfemaßnahmen

Die AHK USA mit Standorten in Atlanta, Chicago, New York, San Francisco und Washington, D.C. berät deutsche Unternehmen beim US-Markteinstieg und der Marktexpansion. Einer der häufigsten Gründe für das Scheitern eines Markteinstiegs ist oftmals nicht die Geschäftsidee oder das Produkt selbst, sondern ein Mangel an Informationen sowie fehlende Sorgfalt bei der Umsetzung. Der US-Markt ist sehr divers und regional geprägt. Darüber hinaus bestehen in den einzelnen Bundesstaaten teilweise unterschiedliche Regulierungen. 

Das Freedom of Association Committee (Ausschuss für Vereinigungsfreiheit) überprüft gesondert Verstöße gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen. Informationen über ILO-Verfahren der Normenkontrolle sind frei verfügbar. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots der Missachtung der Koalitionsfreiheit können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Vereinigungsfreiheit im Sorgfaltsprozess adressieren eingesehen werden.

 

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