Wachsende Müllmengen und unzureichende Kapazitäten stellen Vietnam vor große Probleme. Der Gesetzgeber will die Verwertungs- und Recyclinginfrastruktur ausbauen.
Vietnams Müllberge wachsen, und das schnell. Zwischen 2010 und 2019 wuchs das Müllvolumen laut dem Ministry of Natural Resources and Environment (MONRE) um 46 Prozent. Pro Tag fallen laut dem Ministerium über 64.000 Tonnen Müll an (jüngste zur Verfügung stehende Angaben für 2019). Den meisten Abfall produzieren die Städte, insbesondere Ho Chi Minh City (HCMC) und Hanoi.
Regionale Verteilung des MüllaufkommensRegion | Müllmenge Tonnen pro Tag | Anteil Gesamtmüllmenge (in Prozent) |
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Gesamt | 64.018 | 100 |
.Stadt | 35.624 | 55,6 |
.Land | 28.394 | 44,4 |
.Ho Chi Minh City | 9.400 | 14,7 |
.Hanoi | 6.500 | 10,2 |
.Binh Duong | 2.661 | 4,2 |
.Nghe An | 2.464 | 3,8 |
.Thanh Hoa | 2.175 | 3,4 |
.Hai Phong | 1.982 | 3,1 |
Quelle: Ministry of Natural Resources and Environment
Mit steigendem Wohlstand, zunehmender Urbanisierung und einer voranschreitenden Industrialisierung wachsen die Müllberge weiter. Die Weltbank erwartet, dass die Müllvolumina bis 2030 landesübergreifend um knapp sieben Prozent, in städtischen Regionen bis zu 16 Prozent ansteigen werden.
Die Entsorgungsinfrastruktur aber ist noch nicht ausgebildet und hat Mühe, der Situation Herr zu werden. Nur in den großen und mittleren Städten des Landes existiert ein organisiertes Entsorgungssystem. Hier werden fast 92 Prozent des anfallenden Siedlungsmülls abgeholt und größtenteils auf offenen Mülldeponien entsorgt. Diese allerdings stehen immer wieder vor einer akuten Überlastung. Zudem entsprechen rund 20 Prozent der betriebenen Müllkippen nicht hygienischen Grundstandards.
Auf dem Land liegt die Entsorgungsquote des anfallenden Siedlungsmülls bei lediglich 66 Prozent. Der restliche Abfall wird privat verbrannt oder in offenen, wilden Müllgruben entsorgt. Auch stehende und fließende Gewässer werden zur Hausmüllentsorgung genutzt. Zwar sieht ein vor kurzem reformiertes Umweltschutzgesetz striktere Vorgaben und Verantwortlichkeiten für Müllerzeuger vor. Bereits in der Vergangenheit aber fehlt es weniger an umweltrechtlichen Vorgaben als vielmehr an personellen Kapazitäten und dem Willen, Umweltvergehen, wie die wilde Entsorgung von Haushalts- und Bauabfällen, zu verfolgen und hinreichend zu ahnden.
Struktur der Abfallbehandlung 2019Art der Abfallbehandlung | Anzahl | Anteil an der Abfallbehandlung in Prozent |
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Mülldeponien | 904 | 71 |
Mülldeponien Hygienevorgaben entsprechend | ca. 180 | k.A. |
Müllverbrennungsanlagen | 381 | 13 |
Kompostieranlagen | 37 | 16 |
Quelle: Ministry of Natural Resources and Environment
Die Behandlung und Entsorgung von Industriemüll ist ebenfalls schwierig. Zwar können gerade modernere Industriezonen regelmäßig ein Abfallentsorgungskonzept vorweisen. Die mehr als 4.600 Handwerksdörfer des Landes, kleine, oft auf einen Industriezweig spezialisierte ländliche Ortschaften, sind allerdings mehrheitlich vom Müllentsorgungssystem abgeschnitten. Nur knapp 21 Prozent verfügen über Müllabfuhr- und -behandlungsmöglichkeiten.
Schätzungen der Weltbank zufolge sind bis 2030 Investitionen von 13 Milliarden US-Dollar (US$) erforderlich, um das vietnamesische Entsorgungs- und Verwertungssystem auf internationale Standards zu bringen. Zudem werden die jährlichen Betriebskosten eines funktionierenden Müllentsorgungssystems auf 2,2 Milliarden US$ pro Jahr geschätzt. Die bislang erhobenen Abfallgebühren aber sind zu niedrig, um diese Kosten auch nur im Entferntesten abdecken zu können.
Industrielles Recycling noch kaum verbreitet
Einem Bericht der Weltbank zufolge generierte Vietnam bereits 2019 rund 3,9 Millionen Tonnen Plastikmüll. Angesichts der im Zuge der Pandemie steigenden E-Commerce-Quoten und der zunehmenden Nutzung von To-Go-Ware und Essenlieferdiensten dürften die Mengen an Plastikmüll zwischenzeitlich weiter zugenommen haben. Lediglich ein Drittel des teils hochwertigen Plastiks aber werden ordnungsgemäß entsorgt und recycelt. Zwar hat die Regierung 2020 eine Direktive zu Recycling und Vermeidung von Plastikmüll erlassen. Konzepte wie Mülltrennung, Recycling und Kreislaufwirtschaft sind allerdings im Alltag des Landes noch kaum angekommen.
Wertstoffe wie Plastikflaschen, Metall oder Papier finden dennoch ihre Weiterverwertung. Private Müllsammler nehmen sie direkt an der Haustür ab oder durchsuchen den Abfall nach wiederverwertbarem Material. Sie agieren in einer regulativen Grauzone und verkaufen ihre Wertstoffe an zumeist kleine Recyclingunternehmen in außerhalb der Städte gelegenen Recyclingdörfer weiter. Diese gewinnen daraus mit einfachster Technologie verwertbare Bestandteile und geben sie in den Wirtschaftskreislauf zurück. Die zumeist in Form von Familienunternehmen agierenden Wiederverwerter sind in aller Regel weder iso-zertifiziert noch in anderer Form in den qualitativ hochwertigen Wirtschaftskreislauf eingebunden. Aufgrund mangelnder moderner Technologie kommt es zu teils massiver Umweltverschmutzung in Form von mit Giftstoffen verunreinigten Abwässern sowie Emissionen. Die produzierten recycelten Materialien entsprechen in der Regel nicht den Anforderungen, die Abnehmer insbesondere aus dem Nahrungsmittel- oder Bekleidungsbereich stellen.
Kaum eines der lokalen Recyclingunternehmen verfügt über die finanziellen Mittel für eine technologische Aufrüstung. Auch daher ist für ausländische Anbieter ist in diesem eingespielten und sehr lokalen System wenig Raum.
Großstädte planen moderne Abfallanlagen
Zentral- und Lokalregierungen wissen um die Notwendigkeit des Ausbaus der Müllentsorgungssystems. Städtische Zentren wie Hanoi, Da Nang, Hue und Ho Chi Minh City planen technologisch hochwertige Müllverwertungsanlagen. Waste-to-Energy (WtE)-Konzepte stehen bei der vietnamesischen Regierung hoch im Kurs. Voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2022 soll bei Hanoi die zweitgrößte WtE-Anlage der Welt in Betrieb gehen.
Für die Entwicklung und den Bau von WtE-Anlagen benötigt das Land ausländische Technologien und Ingenieursleistungen. Allerdings sind weder die Zentral- noch die Lokalregierungen in der Lage, millionenschwere Müllverwertungsanlagen eigenständig zu finanzieren und setzen daher auf internationale Geber wie die Asian Development Bank (ADB) oder private Investoren. Die im November 2021 durch den Premierminister vorgestellte Liste an Projekten, die für ausländische Beteiligung im Zeitraum 2021 bis 2025 offenstehen, sieht die Errichtung von vier Müllverwertungsanlagen im Wert von 20 bis 130 Millionen US$ vor. Idealerweise sollen sie durch ausländische Investoren im Public-Private-Partnership-Modell gebaut und betrieben werden.
Ausgewählte InvestitionsprojekteProjekt | Investition (in Mio. US$) | Stand | Projektträger |
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WtE-Anlage Soc Son, Nam Son Waste Treatment Complex, Hanoi; Kapazität1,5 Mio Tonnen Haushaltsmüll pro Jahr; 75 MW | 303 | Fertigstellung 2022 | Thien Y Environmental Energy JSC (Vietnam); Metallurgical Group Corporation General Contractor MCC (China) |
Müllverwertungsanlage, Da Nang, Kapazität: 300.000 Tonnen Haushaltsmüll pro Jahr | 130 | PPP-Projektvorschlag | Department of Natural Resources and Environment of Da Nang City |
WtE-Anlage, Da Nang, Kapazität: 270.000 Tonnen Haushaltsmüll pro Jahr; Erzeugungskapazität: 120 GWh pro Jahr | 75 | Planungsstadium; Joint Venture Vertrag abgeschlossen | EB Environmental Energy (Vietnam) Holdings Limited; China Everbright Environment Group (Hong Kong) |
WtE-Anlage, Provinz Thua Thien Hue; Kapazität: 220.000 Tonnen Haushaltsmüll pro Jahr; Erzeugungskapazität: 93 GWh pro Jahr | 75 | Investitionsvertrag geschlossen | China Everbright Environment Group (Hong Kong) |
Investition in PET-Flaschen-Recycling | 60 | Green Credit seitens der HSBC bewilligt | Duy Tan Plastics Corporation |
WtE-Anlage, Provinz Vinh Phuc, Kapazität: 150.000 Tonnen Haushaltsmüll pro Jahr | 57 | PPP-Projektvorschlag | Vinh Phuc Province’s Department of Planning and Investment |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Von Frauke Schmitz-Bauerdick
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