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Branche kompakt | Vietnam | Energiewirtschaft

Marktorganisation und Rahmenbedingungen

Direkte Abnahmeverträge zwischen Erzeugern und Industrie werden viele Projekte ermöglichen. Andere wichtige neue Regularien sind aber noch in der Ausarbeitung. 

Von Peter Buerstedde | Hanoi

Der Energiesektor untersteht in Vietnam dem Ministerium für Industrie und Handel (Ministry of Industry and Trade, MOIT) und hier ist das General Directorate of Energy für die strategische Planung zuständig. Die Regulierungsbehörde ERAV (Electricity Regulatory Authority of Vietnam) untersteht dem MOIT ebenso wie das wichtigste Staatsunternehmen im Energiesektor Electricity Vietnam (EVN). Alle zehn Jahre erstellt das Ministerium einen Power Development Plan (PDP), der beim Ausbau der Kapazitäten und der Netze sowie beim Energiemix die Ziele für verschiedene Zeiträume vorgibt. Der derzeit gültige PDP 8 wurde mit zwei Jahren Verspätung im Mai 2023 verabschiedet.  

Der Plan war zuvor wiederholt angepasst worden, weil sich die politischen Leitlinien immer wieder verändert hatten. Im November 2021 verkündete Vietnam auf der Weltklimakonferenz in Glasgow das Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Allerdings setzte Vietnam weiter auf eine starke Ausweitung der Kohlekraft und auf einen verhaltenen Hochlauf erneuerbarer Energien. Eine Reihe von Industrieländern, darunter Deutschland und die EU handelten daraufhin mit Vietnam eine Vereinbarung aus, um die Energiewende zu beschleunigen. Diese im Dezember 2022 geschlossene Just Energy Transition Partnership (JETP) sieht eine Höchstleistung auf Kohlebasis von 30 Gigawatt schon 2030 vor und einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien. Im Gegenzug haben die internationalen Partner Vietnam 15,5 Milliarden US-Dollar an Krediten und Zuschüssen in Aussicht gestellt, jeweils die Hälfte von den Staaten und von privaten Banken. Der PDP 8 stimmt weitgehend mit den JETP-Zielen überein. 

Vietnam setzt zunächst auf Gas- und WindkraftAusbauziele laut PDP 8, installierte Leistung in Gigawatt
 

2023

2030

2050

Kohle/Erdöl

27,8

30,1

0

Wasser

22,6

31,7

36

Solar

19,7

22,2

168,6-189,3

Gas/Flüssiggas (LNG)

7,2

37,3

7,9

Wind (auf Land)

5.,9

21,9

60,1-77,1

Biomasse/Wasserstoff/Ammoniak

0,4

2,3

55,1-66,3

Offshore-Wind

0

6

70-91,5

Batteriespeicher

0

0,3

30,7-45.,6

Abwärme

0

2,7

4,5

Gas/LNG oder Wasserstoff1)

-

-

4,5-9

Flexible schnellstartende Stromquelle2)

0

0

30,9-46,2

Gesamt3)

83,6

154,6

468,2-573,4

1 diese Gas-Kraftkapazitäten sollen nach Möglichkeit auf Wasserstoff umgestellt werden, 2 schnell startende Grundlast zur Stabilisierung der Stromerzeugung, 3 ohne Importe und Exporte.Quelle: Nang Luong Vietnam 2024, EVN 2024, Power development plan (PDP) 8 2023

Er sieht zwei Phasen vor. Bis 2030 setzt Vietnam vor allem auf den Ausbau von Wind- und Gaskraft. Letztere als Brückentechnologie für Kohlekraftwerke. Durch den Zubau bei Gas- und Kohlekraft verlieren erneuerbare Energien bis 2030 leicht an Anteilen gegenüber fossilen Energieträgern. 

Ab 2030 sollen Kohlekraftwerke auf Biomasse, Abfälle und Ammoniak umgerüstet oder stillgelegt werden. Gaskraftwerke sollen ebenfalls großteils auf Wasserstoff umsteigen. Wind- und Solarkraft erfahren eine massive Ausweitung.

Der Ausbau der Kapazitäten wird über verschiedene Instrumente gesteuert. EVN ist der einzige Abnehmer. Einzige Ausnahmen sind Selbstversorgungsvorhaben (Aufdach-Solar) und die seit Juli 2024 möglichen direkten Stromabnahmeverträge (DPPA). Bei fossilen Kraftwerken und großen Wasserkraftwerken kommen vielfach Tender oder bilaterale Vereinbarungen mit einer Finanzierung durch eine ausländische Entwicklungs- und Exportkreditbank zum Einsatz. Vor allem koreanische, japanische und chinesische Banken, aber auch die deutsche KfW spielen hier eine Rolle. 

Projekte werden vielfach als Public-Private-Partnership (PPP) in verschiedenen Formen durchgeführt, etwa als Betreibermodelle wie BOT (build operate transfer) oder als Joint Venture. Für erneuerbare Energien gab es zwischen 2018 und 2021 Einspeisetarife für Wind- und Solarkraft. Darüber hinaus waren und sind weiterhin Aufdachanlagen für Selbstversorgungsprojekte ohne Einspeisung in der Industrie möglich.

Nach langer Planung kommt die Umsetzung erst schleppend in Gang

Das Instrumentarium zu Erreichung der Ausbauziele des PDP 8 ist derzeit weitgehend noch in der Anpassung oder muss erst geschaffen werden. Etliche Rechtsvorhaben zirkulieren bereits seit Monaten als Vorlage. Mit Stand Anfang Juli 2024 waren sie aber noch nicht verabschiedet worden. Die Unsicherheit blockiert viele Vorhaben und hat dazu geführt, dass einige ausländische Firmen Vietnam wieder verlassen haben.

Die Verzögerungen bei Planung und Gesetzgebung sind nicht nur der Komplexität der Materie geschuldet. Die Antikorruptionskampagne der Kommunistischen Partei hat auch den Energiesektor erfasst. Das zuständige Ministerium für Industrie und Handel (MOIT) soll bei der Lizenzvergabe für Solar- und Windprojekte in der Phase der Einspeisetarife zu freihändig gewesen sein. Eine Untersuchung verzögert neue gesetzliche Vorschriften und Genehmigungen.

Bei den neuen Regularien geht es für fossile Energien darum, eine Finanzierung durch private Finanzinstitutionen zu erleichtern. Der staatliche Stromkonzern EVN (Vietnam Electricity) ist stark verschuldet und der Staat ist bei der Schuldenaufnahme sehr zurückhaltend. Daher wird der Privatsektor einspringen müssen, um einen Großteil des Investitionsbedarfs für Kapazitäts- und Netzausbau, der im PDP 8 mit rund 135 Milliarden US-Dollar (US$) veranschlagt ist, zu finanzieren. Beispielsweise fordern Investoren in Flüssiggasterminals weitgehende Abnahmegarantien. Investoren in fossile Kraftwerke drängen darauf, dass die Bereitstellung von Erzeugungskapazitäten, angesichts immer mehr erneuerbarer Energien vergütet wird.  

Direkte Abnahmeverträge dürften Boom bei Aufdach-Anlagen auslösen

Für erneuerbare Energien hat die Regierung als erstes wichtiges neues Instrument per Dekret (No. 80) Anfang Juli 2024 direkte Abnahmeverträge (DPPA, direct purchasing power agreement) zwischen Erzeugern und industriellen Großverbrauchern ermöglicht. Möglich ist das entweder direkt über eine eigene Leitung oder über das nationale Stromnetz. 

Die Regierung stand unter erheblichem Druck. Einige ausländische Investoren hatten öffentlich bekundet, dass sie ohne direkten Zugang zu erneuerbarem Strom nicht weiter in Vietnam investieren könnten. Viele ausländische Firmen mit Fabriken oder Einkaufsaktivitäten in Vietnam haben sich globale Ziel für erneuerbare Energien oder Klimaneutralität gesetzt, und dies oftmals schon für 2030. Daher wollen sie direkt erneuerbaren Strom beziehen und drängen auch ihre Zulieferer dazu. 

Die Nachfrage gilt als gewaltig. Die Möglichkeit steht Abnehmern von mindestens 200.000 Kilowattstunden pro Monat offen. Das sind nach EVN-Informationen immerhin 7.700 Unternehmen. Bisher gibt es in der gesamten Industrie rund 4.200 Aufdachanlagen mit einer Leistung von 2.230 Megawatt peak. 

Auch andere Energieformen wie Windkraft und Biomasse sind möglich. Diese benötigen aber in der Regel eine Netzdurchleitung. Für sogenannte virtuelle DPPA über das nationale Stromnetz fehlen aber noch weitere Umsetzungsvorschriften. Vereinzelt gibt es Vorhaben für Windparks neben Industrieparks, wo ein direkter Anschluss denkbar ist. Zunächst dürfte die DPPA-Möglichkeit aber vor allem einen Boom bei Aufdach-Fotovoltaikanlagen auslösen. 

Für Aufdachanlagen plant die Regierung über die DPPA-Möglichkeit für die Industrie hinaus besondere Regeln. Bisher hieß es, die Regierung wolle aufgrund schlechter Erfahrungen mit der Phase der Einspeisetarife (2018 bis 2021) keine Vergütungen gewähren, sondern allenfalls die Umsetzung von Projekten für alle Gebäude vereinfachen. Inzwischen ist der Verkauf von Überschüssen an EVN wieder in der Diskussion. Das könnte die Attraktivität neuer Vorhaben trotz niedriger Strompreise verstärken, besonders für Büro- und Wohngebäude. Bis 2030 sollen hier nach Regierungsplänen 50 Prozent aller Dachflächen mit Solarpanelen ausgestattet werden. Angesichts niedriger Strompreise sind die Anreize gering und es passiert bisher wenig. 

Windkraftvorhaben warten auf neue Regularien

In der Windkraft muss für den Offshore-Bereich noch der gesetzliche Rahmen für die Umsetzung von Projekten in Meeresgebieten geschaffen werden. Generell ist für Projekte an Land sowie auf dem Wasser weiter die Frage der Auswahl von Projekten offen. Viele Unternehmer erwarten Auktionen, aber auch dafür fehlt bisher der Rechtsrahmen. 

Dem Vernehmen nach sollen erste Vorhaben (bis 2032, nicht wie geplant bis 2030) von Staatsunternehmen aus dem Öl- und Gassektor wie PetroVietnam durchgeführt werden. Anders als bei anderen Technologien wie Solar- und Windkraft an Land will die Regierung Teile der Wertschöpfung im Offshore-Bereich in Vietnam ansiedeln. Unklar ist aber weiterhin, wie die Mindestanforderungen aussehen sollen. Ausrüstungen für Offshore-Projekte werden zum Teil bereits im Lande hergestellt (siehe Abschnitt Branchenstruktur).   

Tipps für den Markteinstieg
  • Bringen Sie viel Geduld mit: der Gesetzesrahmen ist noch zum Teil in Ausarbeitung und kann dann auch je nach Provinz noch unterschiedlich ausgelegt werden. Zusagen sind daher nicht immer felsenfest.
  • Bereiten Sie Vorhaben aber schon vor und lernen Sie die Akteure in Ihrem Bereich kennen: Die Community wird etwa gleich bleiben.
  • Bringen Sie ihre Ausrüstungen möglichst bei vielen mittelgroßen EPC-Ingenieurbüros unter und stellen Sie einen guten Service sicher.

 

Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

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