Verschiedene Errungenschaften der Energiereform von 2013 wurden unter der Regierung López Obrador wieder zurückgefahren, um den Staatskonzern CFE zu stärken.
Privatunternehmen dürfen seit der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 2013 Stromleistungen im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen, per Power-Purchase-Agreement (PPA) oder am Stromgroßhandelsmarkt veräußern. Die Stromerzeugung durch Fotovoltaik und Windkraft stieg dadurch zunächst sprunghaft an.
López Obrador legte Privatunternehmen Steine in den Weg
Unter der Regierung López Obrador geriet die Energiewende jedoch ins Stocken. Direkt nach seiner Amtseinführung im Dezember 2018 stoppte er die vierte Ausschreibungsrunde für Energiekapazitäten (Subastas de Largo Plazo, SLP) und führte danach keine Ausschreibungen mehr durch. Die Praxis hatte sich eigentlich bewährt: Dank erneuerbarer Energien privater Anbieter war der Preis pro Megawattstunde auf teilweise bis zu 20,57 US$ gefallen.
Die zwei anderen Wege für private Energieunternehmen, in Mexiko tätig zu werden (über PPAs mit Großkunden oder Verkauf am Stromgroßhandelsmarkt), blieben unter López Obrador ebenfalls verschlossen, auch wenn sie rechtlich gesehen weiter möglich sind. Allerdings wurden Anträge für neue Wind- und Solarparks nicht bearbeitet, Genehmigungen nicht erteilt oder Netzanschlüsse nicht genehmigt. Ein Branchenkenner bezeichnet diese Taktik als "silencio administrativo", also ein absichtlicher Stillstand der Behörden.
CFE mit wenig Erfahrung bei Solar- und Windparks
Aufgrund der beschriebenen Taktik kamen vor allem am Ende der Amtszeit von López Obrador kaum neue Kapazitäten von erneuerbaren Energien hinzu. In den ersten Jahren seiner Regierung nahmen noch Parks mit Genehmigungen der Vorgängerregierung ihren Betrieb auf. Dies wird am Beispiel der Windkraft deutlich: Im bisherigen Rekordjahr 2019 wurden 1.148 Megawatt an neuen Kapazitäten von Windenergie installiert. Im Jahr 2023 kamen nur noch 96 Megawatt neu hinzu.
"Die Investitionen bei Großprojekten liegen derzeit auf Eis. Unsere Mitgliedsunternehmen haben ihre Projekte gestoppt, es ist wertvolle Zeit verloren gegangen“, so Gerardo Pérez Guerra, Präsident des Windenergieverbandes AMDEE gegenüber lokalen Medien. Laut dem Verband sind derzeit 28 Windenergieprojekte, die kurzfristig gestartet werden könnten, aufgrund der Regierungspolitik gestoppt. Zusammen haben sie ein Investitionsvolumen von 5,8 Milliarden US$, so AMDEE.
Priorität der Regierung López Obrador war vielmehr, den Marktanteil des staatlichen Stromkonzerns CFE wieder auf über die Hälfte der gesamten Stromerzeugung zu bringen. Da CFE kaum Erfahrung bei erneuerbaren Energien besaß, wurde die Erhöhung des Marktanteils vor allem über zusätzliche Gaskraftwerke erreicht. So stockt der Bau des einzigen, von CFE geplanten Solarparks Puerto Peñasco (1.000 Megawatt) weiterhin, obwohl die erste Stufe des Projekts eigentlich schon Anfang 2023 ans Netz gehen sollte. Einen Windpark kündigte CFE in den vergangenen Jahren nicht an.
Stromgroßhandelsmarkt sorgt für niedrige Preise
Die Energiereform von 2013 schuf in Mexiko den Großhandelsmarkt für Elektrizität (Mercado Eléctrico Mayorista, MEM). Zuvor hatte der Staatskonzern CFE das Monopol auf den Stromhandel. Am MEM werden auch Grünstromzertifikate gehandelt. Betrieben wird der MEM von der Kontrollbehörde CENACE, reguliert vom Energieministerium (SENER) und der Regulierungsbehörde CRE.
Der MEM sorgte für mehr Wettbewerb im Strommarkt und damit für niedrigere Preise. Allerdings dürfen nur Unternehmen mit einem Mindestverbrauch von 1 Megawatt sogenannte qualifizierte Nutzer des MEM sein. Sie müssen sich bei der Regulierungsbehörde CRE registrieren. Erzeuger müssen eine Kapazität von mindestens 0,5 Megawatt haben, um am MEM teilzunehmen. Private Haushalte müssen ihren Strom weiterhin von der CFE beziehen, die auch das Monopol über die Stromübertragungslinien (Sistema Interconectado Nacional, SIN) behält.
Die Stromübertragungsnetze gelten jedoch als unzureichend ausgebaut und veraltet. Laut Branchenexperten sind rund ein Drittel der Netze über 30 Jahre alt. Der Staatskonzern will daher bis 2029 mit Investitionen von rund 7 Milliarden US$ die Netze modernisieren.
Regulierungsbehörde für Energie soll Unabhängigkeit verlieren
Für die Versorgungssicherheit und -qualität des nationalen Stromnetzes ist die Kontrollbehörde CENACE (Centro Nacional de Control de Energía) verantwortlich. Ihr Kontrollzentrum berechnet die Gleichgewichtspreise und verarbeitet die Zahlungen zwischen den Marktteilnehmern und den Übertragungs- sowie Verteilerunternehmen. CENACE übt darüber hinaus die operative Kontrolle des Netzes aus, betreibt den Stromgroßhandelsmarkt und kann Durchführungs- und Verfahrensbestimmungen ändern. Auch finanzielle Übertragungsrechte werden durch die Behörde gewährt.
Die Regulierungsbehörde CRE (Comisión Regulatoria de Energía) überwacht die korrekte Umsetzung und erteilt die Zugangserlaubnis zum Stromnetz. Sie hat neben der Netzaufsicht auch weitreichende Befugnisse bezüglich der Stromtarife. So legt die Behörde die Tarifregelung für die Übertragung, Verteilung und den Betrieb von Basisdienstleistungen fest, kontrolliert den Stromgroßhandelsmarkt und überprüft die Grünstromzertifikate (Certificados de Energías Limpias, CEL).
Die CRE wurde durch die Energiereform von 2013 als unabhängige Kontrollinstitution gestärkt, sie sorgt für einen fairen Wettbewerb zwischen privaten Anbietern und der CFE. Genau aus diesem Grund ist sie der Morena-Regierung ein Dorn im Auge, die sie dem Energieministerium SENER unterstellen will. Ex-Präsident López Obrador kürzte während seiner Amtszeit das Budget der CRE Presseberichten zufolge um rund 80 Prozent.
Hohe Stromsubventionen für private Haushalte
Der Staat fördert den Ausbau der Erneuerbaren nur indirekt über die CELs. Diese können von den Erzeugern sauberer Energie zusätzlich zum gelieferten Strom verkauft werden. Seit 2019 wird jedoch auch Strom aus älteren Gaskraftwerken der CFE als saubere Energie klassifiziert, wodurch der Wert der CELs sank.
Stromerzeuger und -verteiler erhalten in Mexiko mit Ausnahme der CFE keinerlei direkte Unterstützung. Die Strompreise für private Haushalte werden allerdings stark subventioniert. Die genaue Höhe der Zuschüsse ist schwer zu beziffern, da die Preise innerhalb der Tarifgruppen stark nach Verbrauch, Tages- und Jahreszeit sowie nach geografischer Lage differieren. Experten gehen davon aus, dass die Basistarife für Privathaushalte zu wenigstens 60 Prozent subventioniert sind.
Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.
Von Edwin Schuh
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Mexiko-Stadt