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Wirtschaftsumfeld | Vietnam | Reformen

Reformen in Vietnam sollen das Wachstum beschleunigen

Vietnam will das Wachstum antreiben – mit einem Umbau des Staatsapparats, weniger Bürokratie und mehr Investitionen. Zunächst könnten die Reformen die Arbeit aber erschweren.

Von Peter Buerstedde | Hanoi

Das auf Stabilität ausgelegte politische System Vietnams hat ein ungewohnt bewegtes Jahr hinter sich. Im Frühjahr 2024 traten sowohl der Staatspräsident als auch der Präsident der Nationalversammlung von ihren Ämtern zurück, nachdem eine Antikorruptionskampagne Skandale enthüllt hatte. Im Juli 2024 verstarb der Generalsekretär Nguyễn Phú Trọng, der 13 Jahre an der Staatsspitze gestanden hatte. Die Nachfolge übernahm der Sicherheitsminister Tô Lâm. 

Regierung visiert zweistelliges Wirtschaftswachstum an

Das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre von durchschnittlich 6 Prozent gilt seit dem Führungswechsel als ungenügend. Die Regierung hat erkannt, dass diese Wachstumsraten nicht ausreichen, um vom derzeitigen Status eines (nach Weltbankdefinition) "Lower-Middle Income Country" bis zum Jahr 2045 zu einem Industrieland (High Income Country) aufzusteigen. Dies ist aber das erklärte Ziel der Regierung zum 100. Jubiläum der Unabhängigkeit des Landes. 

Um das Ziel zu erreichen, müsse die Wirtschaft jährlich um 6,5 bis 7,5 Prozent zulegen, so Premierminister Phạm Minh Chính. Doch nach Ansicht von Wirtschaftsanalysten lässt sich solch ein Tempo nicht über einen so langen Zeitraum beibehalten, weil sich das Wachstum mit steigendem Entwicklungsstand tendenziell abschwächt.

Laut Premierminister soll die Wirtschaft im Jahr 2025 daher um 8 Prozent wachsen und ab 2026 zweistellig. Das wird kein leichtes Unterfangen, bislang haben nur wenige Länder in der Region zweistellige Wachstumsraten erreicht, beispielsweise China in den 2000er-Jahren.

Der für die Erreichung des Ziels notwendige, zusätzliche Wachstumsschub soll von einem Umbau des Staatsapparats ausgehen. Geplant ist, bis Ende des 1. Quartals 2025 die Anzahl der staatlichen Institutionen um 15 bis 20 Prozent zu reduzieren und das Personal im etwa gleichen Rahmen abzubauen. Durch eine Zusammenlegung von Ressorts sollen fünf Ministerien sowie etliche weitere Institutionen wegfallen.

Künftige Budgeteinsparungen fließen in Großprojekte

Die Reform soll dazu beitragen, die Entscheidungsblockade in der Verwaltung aufbrechen. Eine 2016 begonnene Antikorruptionskampagne hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass viele Staatsbedienstete gar keine Entscheidungen mehr treffen, um nicht unter Verdacht geraten zu können. Schnellere Genehmigungen und klare Kompetenzen sollen dem Wirtschaftswachstum Schwung geben. Zunächst dürfte die Reform Genehmigungsprozesse aber mindestens bis Mitte 2025 verlangsamen, weil alle Ministerien mit dem internen Umbau beschäftigt sind. Das könnte auch Produktregistrierungen und Investitionsprojekte deutscher Firmen behindern. Längerfristig könnte die Verschlankung der Behörden dann Genehmigungsprozesse erleichtern.

Die Reform soll auch finanzielle Spielräume für mehr Investitionen schaffen. Nach Aussagen des Premierministers werden derzeit etwa 70 Prozent des Staatshaushalts für laufende Ausgaben verwendet. Das lasse zu wenig Geld für Investitionen übrig. Nach Informationen des Innenministeriums könnte die Entlassung von 100.000 Bediensteten zunächst etwa 5 Milliarden US-Dollar (US$) kosten. Innerhalb von fünf Jahren würden aber bereits 4,4 Milliarden US$ eingespart werden.

Die Regierung will möglichst keine ausländischen Kredite aufnehmen und versucht, viele Vorhaben aus Haushaltsmitteln zu stemmen – so auch den Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zwischen Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt. Die Kosten der Strecke von mindestens 67 Milliarden US$ entsprechen etwa 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 2023. Die Planung soll 2025 ausgeschrieben werden, damit 2027 der erste Spatenstich erfolgen kann. Bis 2030 sind außerdem rund 3.000 zusätzliche Autobahnkilometer und mindestens ein Kernkraftwerk geplant.

Der Erfolg der Reform ist ungewiss

Die Regierung spricht von einer "revolutionären" Reform, durch die eine "neue Ära" beginne. Einige Beobachter sehen sie als "game changer" und "Đổi Mới (Erneuerung) 2.0". Die Reform sei überfällig, da die Bürokratie zu groß und schwerfällig sei. Für andere Experten handelt es sich eher um eine Art Wahlkampfmaßnahme vor dem Parteikongress Anfang 2026. Der Kongress findet alle fünf Jahre statt und die ganze politische Führung steht erneut zur Auswahl. 

Die Umsetzung der Reform bis Ende des 1. Quartals 2025 gilt als sehr ambitioniert. Das Wachstum könnte 2025 mit rund 6,5 Prozent weit unter dem Regierungsziel von 8 Prozent bleiben. Darunter würde auch die vietnamesische Exportwirtschaft leiden. Bei einer schwächeren Konjunkturentwicklung wäre es für entlassene Staatsbedienstete zudem schwerer, neue Jobs finden.

Zudem schafft die zweite Amtszeit von US-Präsident Donald Trump Unsicherheit in VietnamAnalysten verweisen darauf, dass die von Trump angedrohten Strafzölle auf alle US-Importunwahrscheinlich seien, da das die Inflation befeuern würde. Auch gezielte Zollsanktionen auf Importe aus Vietnam wie Handys, Bekleidung, Schuhe und Möbel seien nicht wahrscheinlich, da diese Produkte kaum noch in den USA produziert würden und es daher keine Lobby gebe, die sich für Strafzölle einsetzeAndererseits hat Vietnam – zum Unmut der Vereinigten Staaten – den Handelsüberschuss mit den USA im Jahr 2024 deutlich ausgeweitet und ist so unter den Ländern mit den höchsten Handelsüberschüssen gegenüber den USA auf den dritten Platz vorgerückt.

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