Trumps zweite Amtszeit sorgt in den EU-Staaten für Unsicherheiten. Die Länder müssen sich auf eine robustere Handelspolitik einstellen und entsprechend positionieren.
Die europäische Wirtschaft reagiert weitgehend mit Unbehagen auf das Wahlergebnis in den USA und die zu erwartenden politischen und ökonomischen Folgen von "Trump 2.0". Besonders Unternehmen, die den US-Markt vom Ausland aus bedienen, fürchten eine protektionistische Politik. Dagegen zeigen sich vor Ort tätige Investoren gelassener.
Wirtschaftliche Einbußen erwartet
Europäische Wirtschaftsforschungsinstitute haben im Vorfeld der Wahlen ihre Prognosen zu den Auswirkungen einer zweiten Amtszeit von Donald Trump veröffentlicht. Der gemeinsame Tenor: Die europäischen Volkswirtschaften müssen mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen rechnen.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu dem Ergebnis, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU im Jahr 2028 um 1,3 Prozent und das deutsche BIP sogar um 1,5 Prozent schrumpfen würden. Die kumulierten BIP-Verluste würden sich demnach für das exportorientierte Deutschland von 2025 bis 2028 auf etwa 180 Milliarden Euro belaufen. Dabei geht das IW davon aus, dass die Zölle ab 2025 auf alle US-Importe um 20 Prozent und auf US-Importe aus China um 60 Prozent steigen. Die EU reagiert im Szenario mit einem Vergeltungszoll von 20 Prozent auf Einfuhren aus den USA.
Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche sieht durch Trumps Wahlsieg insbesondere für die Region Zentral-, Ost- und Südosteuropa erhebliche Risiken. In erster Linie gingen diese von hohen Zöllen mit dem US- sowie Chinahandel sowie rückläufigen Auslandsinvestitionen innerhalb der Regionen einher.
Frankreich sieht Trump-Wahl als Weckruf für Europa
Die französische Wirtschaft stellt sich auf eine Verhärtung der transatlantischen Beziehungen ein. Luftfahrtkomponenten, Pharmaprodukte, Wein und Spirituosen sowie Luxusgüter und Kosmetik sind die wichtigsten Ausfuhrgüter Richtung Amerika. Diese Sektoren dürften Zölle und damit Preiserhöhungen in den Vereinigten Staaten verschmerzen.
Schwieriger könnten die indirekten Auswirkungen eines sich eintrübenden Handelsumfeldes werden. Eine weitere wirtschaftliche Schwächung Deutschlands, Frankreichs wichtigstem Handelspartner, wird sich unmittelbar auf die französische Industrie auswirken.
Zudem dürften Zölle auf französische Güter in Verbindung mit niedrigen Energiepreisen und der finanziellen Anreize des Inflation Reduction Act noch mehr französische Firmen als bislang in die USA locken. Nicht nur das Reindustrialisierungsprojekt der aktuellen französischen Regierung steht damit auf der Kippe, sondern auch Arbeitsplätze.
Ungarns Regierung zeigt sich entspannt
Ungarns Regierung hat auf die Wiederwahl Donald Trumps gesetzt und sogar die Vorstellung des Haushaltsentwurfs auf einen Termin Mitte November verlegt. Sie rechnet mit starken Wachstumsimpulsen und größeren fiskalischen Spielräumen.
Verhaltener reagieren Ungarns Wirtschaftsvertreter. Die eng mit deutschen Autobauern verbundene Kfz-Industrie wäre stark von neuen US-Zöllen betroffen. Die Hersteller beliefern aber auch direkt: So laufen bei Audi in Győr Q3-SUVs für den US-Markt vom Band. Der ungarische Audi-Chef Michael Breme sieht die angekündigten Zölle daher kritisch, wie er im Gespräch mit Germany Trade & Invest sagte.
Für Péter Kaderják, Geschäftsführer des ungarischen Batterieverbandes, ist nach der Wahl unklar, wie es um die Zukunft grüner Technologien bestellt ist. Ungarn setzt massiv auf Elektromobilität und den Ausbau der Batterieproduktion – mittlerweile der zweitwichtigste Industriezweig.
Auch Polen sieht nicht nur Negatives
Polens größte Oppositionspartei PiS begrüßte den Wahlsieg von Trump. Premierminister Donald Tusk äußerste sich auf einer Konferenz in Warschau hingegen besorgt und sprach von einer "ernsthaften Herausforderung für alle".
Analysten zeigen sich deutlich ambivalenter. In der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna (DGP) beklagt der Programmdirektor des Think Tanks Kazimierz Pułaski Stiftung, Bartłomiej Kot, die von Trump angekündigten Zölle, beispielsweise auf Fahrzeugimporte aus Deutschland.
Mit Blick auf den Außenhandel zwischen Polen und den USA äußert sich der Analyst hingegen optimistischer. Hier seien keine großen Verwerfungen zu erwarten. Polen importiere mehr aus den Vereinigten Staaten, als es exportiere. "Unsere US-Einfuhren stammen hauptsächlich aus den Bereichen Verteidigung und Energie. Trump würde diese Vereinbarungen nicht untergraben, denn er ist daran interessiert, dass Europa amerikanische Militär- und Atomtechnologie oder Flüssiggas kauft", so Kot in der DGP.
Reaktionen auf US-Wahl in Italien sind gemischt
Italiens Regierung betont die gemeinsamen westlichen Werte, aber auch den Wettbewerbsdruck für Italien, den die Politik des neu gewählten US-Präsidenten auslöst.
Die USA sind für italienische Firmen der zweitgrößte Exportmarkt nach Deutschland. In die Staaten gehen viele Luxuswaren wie Mode und Möbel, aber auch Kfz und Lebensmittel. Bei Medizintechnik, Maschinen und Anlagen sind die USA sogar Italiens wichtigster Auslandsmarkt.
Für den Präsidenten des Unternehmerverbandes von Mantua, Fabio Viani, stellt die Wahl Trumps ein Risiko für Italiens Wettbewerbsfähigkeit und die Ausfuhren in die USA dar.
Auf Vermeidung von Handelsbeschränkungen setzen
Die EU muss nach dem Wahlsieg Trumps eine Antwort auf sinkende US-Unternehmenssteuern und neue amerikanische Importzölle finden. Ansonsten könnte die US-Wirtschaftspolitik der europäischen Wirtschaft schaden, da die Anreize steigen, Produktion nach Amerika zu verlagern.
Die EU wird zunächst versuchen, Konflikte über neue US-Zölle auf dem Verhandlungsweg zu entschärfen. Scheitert dies, könnte sie aber auch mit handelspolitischen Gegenmaßnahmen reagieren. Bereits in ihrem Wahlprogramm von Juli 2024 zeichnete Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin, den Weg vor: "Wir werden bei der Durchsetzung unserer Handelsabkommen mehr Ehrgeiz an den Tag legen und alle unsere handelspolitischen Schutzinstrumente nutzen, wo und wann immer dies erforderlich ist", heißt es in den Leitlinien. Generell will sie die europäische Wettbewerbsfähigkeit stärken, neue bilaterale Freihandelsabkommen mit Drittstaaten abschließen sowie strategische Partnerschaften bei Rohstoffen aufbauen.
Von Michael Sauermost,
Frauke Schmitz-Bauerdick,
Kirsten Grieß,
Christopher Fuß,
Torsten Pauly
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