Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Illustration eines Arbeiters vor dem Eiffelturm in Paris. Illustration eines Arbeiters vor dem Eiffelturm in Paris. | © Kammann Rossi/Stable Diffusion/Arne Büdts

Markets International 3/24 I Mitarbeiterentsendung

Arbeitsrecht International

Unternehmen, die Mitarbeitende ins Ausland schicken, müssen zahlreiche rechtliche und steuerliche Aspekte beachten. GTAI-Rechtsexperte Jan Sebisch beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema. 

Von Jan Sebisch | Bonn

Was muss ich bei Arbeitsverträgen beachten, und gibt es verschiedene Varianten für mich? 

Wenn Sie Mitarbeitende ins Ausland entsenden wollen, kommen verschiedene Vertragsvarianten in Betracht. Eine einheitliche Handhabung gibt es hier nicht. 

Die am häufigsten verbreitete Variante ist der Abschluss einer Zusatzvereinbarung zum bestehenden Arbeitsvertrag, diese wird häufig als Entsendevertrag bezeichnet. Dabei besteht der Arbeitsvertrag mit dem deutschen Arbeitgeber fort – lediglich ergänzt um eine zusätzliche Vereinbarung. 

Markets International Ausgabe 3/24

Markets International 03/24

Dieser Beitrag stammt aus der Zeitschrift Markets International, Ausgabe 3/2024. Erfahren Sie, welche weitere Beiträge die Ausgabe für Sie bereit hält.

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Im Entsendevertrag werden die wichtigsten Änderungen gegenüber dem bestehenden Arbeitsvertrag schriftlich festgehalten. Dies können zum Beispiel die Erhöhung des Grundgehalts oder die Gewährung einer Wohnzulage sein. Die Zusatzvereinbarung kann nicht gesondert gekündigt werden. Der Entsendevertrag endet entweder durch Ablauf des Einsatzzeitraums im Ausland, bei Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rückkehrrechts oder bei Kündigung des zugrunde liegenden Arbeitsvertrags. 

Eine andere Vertragsvariante ist der parallele Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags mit der ausländischen Einsatzgesellschaft und einer Ruhevereinbarung mit dem deutschen Arbeitgeber. In der Ruhevereinbarung wird unter anderem die Reintegration bei Rückkehr des Arbeitnehmers geregelt.

Welches Recht kommt bei der Auslandsentsendung von Mitarbeitenden zur Anwendung? 

Im Arbeitsrecht gilt grundsätzlich das Prinzip der freien Rechtswahl. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können daher wählen, welches Arbeitsrecht zur Anwendung kommen soll. Die freie Rechtswahl wird allerdings oftmals zum Schutz der Arbeitnehmer, die als schwächere Vertragspartei gelten, eingeschränkt. Im Rahmen der Rechtswahl dürfen daher keine zwingenden Arbeitnehmerschutzrechte wegfallen, die ohne die vertragliche Rechtswahl Anwendung finden würden. 

Da im Regelfall bei einer Auslandstätigkeit die deutsche (Mutter-) Gesellschaft bei der Vertragsgestaltung eine entscheidende Rolle spielt und auf Mitarbeiterseite ein deutscher Arbeitnehmer beteiligt ist, ist es allerdings eher unüblich, etwas anderes als die Anwendbarkeit des deutschen Rechts zu vereinbaren. Die deutschen Regelungen lassen sich meist für beide Vertragsparteien besser überblicken. 

Mit der Frage nach der Rechtswahl geht die Frage nach dem Gerichtsstand einher beziehungsweise schließt sich die Frage an, wo eine Klage einzureichen ist. In Bezug auf Arbeitsverträge sind für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union diesbezüglich die Artikel 20 ff. der EU-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) zu beachten. Hiernach kann eine Klage gegen einen Arbeitnehmer nur an dessen Wohnsitz erhoben werden. Der Arbeitgeber kann hingegen an seinem Sitz, am gewöhnlichen Arbeitsort des Arbeitnehmers und gegebenenfalls am Ort der Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, verklagt werden.

In welchem Land hat der ins Ausland entsandte Mitarbeiter Steuern zu zahlen?

Bei einer Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland liegen oftmals Wohnort und Arbeitsort der Mitarbeiter in verschiedenen Staaten und es besteht die Gefahr, dass der Arbeitslohn in zwei oder mehreren Staaten für denselben Zeitraum besteuert wird. Die Besteuerung überschneidet sich, weil der eine Staat das Welteinkommen des ansässigen Steuerpflichtigen besteuert (unbeschränkte Steuerpflicht) und der andere Staat die Einkünfte, die aus seinem Inland stammen – auch bei nicht ansässigen Personen (beschränkte Steuerpflicht). In diesem Fall kann für den Arbeitslohn aus einer im Ausland ausgeübten Tätigkeit insbesondere eine Befreiung nach einem Doppelbesteuerungsabkommen in Betracht kommen. 

Die von Deutschland geschlossenen Abkommen folgen zwei verschiedenen Methoden: die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt und die Anrechnungsmethode. Deutschland als Ansässigkeitsstaat wendet in seinen Abkommen auf Einkünfte, die auf einer nicht selbstständigen Arbeit im Ausland beruhen, üblicherweise die Freistellungsmethode an. In diesem Fall wird der Arbeitslohn in Deutschland nicht erfasst, unterliegt jedoch dem Progressionsvorbehalt. Progressionsvorbehalt bedeutet, dass auf das zu versteuernde Einkommen ein höherer Steuersatz angewendet wird. Bei der Anrechnungsmethode bezieht der Wohnsitzstaat die in dem anderen Staat erzielten Einkünfte in seine Besteuerung mit ein, rechnet aber die ausländische Steuer ganz oder teilweise auf die Einkommensteuer an.

Was sind typische steuerliche Risiken bei Auslandseinsätzen?

Es kommt immer wieder dazu, dass Unternehmen unwissentlich und ungewollt eine steuerliche Betriebsstätte begründen. Unternehmensgewinne sind grundsätzlich dort zu versteuern, wo das Unternehmen seinen Sitz hat. Bei Begründung einer Betriebsstätte sprechen Doppelbesteuerungsabkommen jedoch dem Staat, in dem die Betriebsstätte liegt, das Besteuerungsrecht für die Gewinne der Betriebsstätte zu. 

Der Begriff der Betriebsstätte ist im nationalen Recht geregelt sowie in dem jeweilig einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen. In der Regel liegt eine Betriebsstätte vor, wenn eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten genutzt wird und dabei der Tätigkeit des Unternehmens dient. Eine Betriebsstätte kann zum Beispiel bei der Erbringung von Bauleistungen im Ausland von einer Dauer ab sechs Monate entstehen. 

In der Praxis spielt üblicherweise die Dauer der Tätigkeit eine entscheidende Rolle. Der für die Begründung der Betriebsstätte relevante Zeitraum (sechs, neun oder zwölf Monate) ergibt sich aus dem im konkreten Einzelfall anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem jeweiligen Land. Wichtig ist, zu berücksichtigen, dass eine Betriebsstätte von Gesetzes wegen entsteht und die Kenntnis des Unternehmens oder der Mitarbeiter keine Rolle spielt. 

Bleibt der deutsche Sozialversicherungsschutz während der Auslands­entsendung erhalten?

Im Sozialversicherungsrecht gilt grundsätzlich das Territorialprinzip: Auf einen Arbeitnehmer finden immer die sozialrechtlichen Vorschriften des Staates Anwendung, in dem er tätig wird. Arbeitnehmer, die in verschiedenen Staaten tätig werden, können mithin auch in unterschiedlichen Staaten in den Anwendungsbereich der jeweiligen Sozialversicherungssysteme fallen.

Eine Ausnahme vom Territorialprinzip besteht bei Entsendungen, hier ist das deutsche Recht unter bestimmten Voraussetzungen bei Beschäftigung im Ausland weiterhin anwendbar (sogenannte Ausstrahlung). Diesbezüglich ist zu differenzieren, ob es sich um eine Entsendung nach der Europäischen Verordnung (VO (EG) Nr. 883/2004) oder um eine Entsendung nach einem bilateralen Abkommen handelt. 

Nach der Europäischen Verordnung liegt eine Entsendung unter anderem dann vor, wenn der Arbeitnehmer sich für einen von vornherein befristeten Zeitraum von maximal 24 Monaten ins Ausland begibt. Arbeitergeber sind im Rahmen der europäischen Verordnung gesetzlich verpflichtet, jede grenzüberschreitende Tätigkeit innerhalb der EU/EWR und Schweiz dem zuständigen Versicherungsträger anzuzeigen. Die Versicherungsträger prüfen, ob die deutschen Rechtsvorschriften für den im europäischen Ausland tätigen Arbeitnehmer weiterhin Anwendung finden und stellen gegebenenfalls eine A1-Bescheinigung aus, die dokumentiert, dass er weiterhin dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt.

Wollen Sie mehr wissen?

Noch mehr Details und wichtige Informationen rund um das komplexe Thema Mitarbeiterentsendungen erfahren Sie unter den folgenden Links: 

Merkblätter: Arbeiten in …

Der GKV-Spitzenverband, die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland, stellt auf seinen Webseiten länderspezifische Informationen über das anzuwendende Sozialversicherungsrecht zur Verfügung, das für Mitarbeitende gilt, die in einem anderen Staat erwerbstätig sind. Neben Antragsvordrucken finden Sie hier auch einen Leitfaden der Europäischen Kommission, Antworten auf die wichtigsten Fragen sowie Kontaktadressen zu weiterführenden Ansprechpartnern.

Sozialversicherung: Infoportal für Arbeitgeber

Auf diesen Internetseiten dreht sich alles um die sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten bei der Entsendung von Arbeitnehmern. Neben aktuellen Verlautbarungen und Rundschreiben stehen hier auch Dokumente zum Melderecht, ein Steckbrief zur Entsendung sowie ein FAQ-Katalog bereit. 

Übersicht: ­Abkommen im ­Steuerbereich

Das Bundesfinanzministerium listet alle aktuellen Doppelbesteuerungs- und sonstige Steuerabkommen auf seiner Internetseite auf – von Ägypten bis Zypern. Die jeweiligen länderspezifischen Informationen können als PDF-Dokument heruntergeladen werden. 

Webinar: Richtig entsenden

Nadine Bauer und Julia Merle vom Bereich Ausländisches Wirtschaftsrecht bei GTAI informieren in einem rund einstündigen Webinar zum Thema „Richtig entsenden: Ein Blick in die EU und ins Drittland“. Die Referentinnen erläutern den Begriff Entsendung und gehen auf die damit einhergehenden bürokratischen Hürden ein. Die Bereiche Arbeitsrecht, Aufenthaltsrecht, Sozialversicherung und Steuern werden ebenfalls angesprochen.

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