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Hafen in Casablanca, Marokko Marokko, Hafen in Casablanca | © GettyImages/SeanPavonePhoto

Special | Deutsche Wettbewerbsposition

Deutschlands Kernbranchen behaupten sich im internationalen Wettbewerb

Der Wettbewerb auf den globalen Märkten wird schärfer, zeigt eine Exportanalyse zu den deutschen Schlüsselindustrien. Insbesondere China hat Marktanteile gewonnen.

Von Achim Haug, Katharina Viklenko | Bonn

Der Wohlstand in Deutschland hängt in hohem Maße vom Export ab. Daher kommt der deutschen Wettbewerbsposition auf internationalen Märkten eine große Bedeutung zu. Keine andere G7-Volkswirtschaft hat einen vergleichbar hohen wirtschaftlichen Offenheitsgrad. Die Außenhandelsquote, also der Anteil der Im- und Exporte am Bruttoinlandsprodukt, betrug im Jahr 2020 fast 70 Prozent.

Deutschland belegt Rang 3 der größten Exportnationen

Deutsche Exporteure zeichnen sich durch eine hohe Wettbewerbsfähigkeit aus. Das zeigt eine Analyse von Germany Trade & Invest zu den Außenhandelsdaten im Zeitraum 2000 bis 2020. Dazu trägt das Qualitätsversprechen bei, das "made in Germany" beinhaltet. "Deutsche Exportfirmen verfügen über eine hohe Produktivität, was insbesondere für 'Hidden Champions' und Mittelständler gilt. Zentral für den Erfolg ist außerdem der deutsche Exportmix", erklärt Professor Holger Görg vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel).

Im Jahr 2020 stand Deutschland für rund 8 Prozent der weltweiten Ausfuhren und war damit die drittgrößte Exportnation. Verglichen mit dem Anteil an der Weltwirtschaftsleistung von nur 4,5 Prozent zeigt das die relativ gute Wettbewerbsposition. Die deutschen Ausfuhren haben sich innerhalb von 20 Jahren mehr als verdoppelt. Allerdings fiel dieser Anstieg damit niedriger aus als die Veränderung der globalen Exporte im gleichen Zeitraum.

Der Anteil der deutschen Lieferungen am weltweiten Export blieb in den 20 Jahren bis 2020 relativ stabil und sank nur leicht um 0,7 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2000. Dagegen mussten die Vereinigten Staaten, Japan, das Vereinigte Königreich und Kanada, aber auch Frankreich deutlich stärker Federn lassen.

Von 2003 bis 2008 war Deutschland sogar Exportweltmeister mit einem Anteil von durchschnittlich mehr als 9 Prozent an den globalen Ausfuhren. Doch ab 2009 übernahm China die Krone und baute den Weltmarktanteil kontinuierlich auf nahezu 15 Prozent im Jahr 2020 aus. In immer mehr Branchen werden Unternehmen aus dem Reich der Mitte zu den größten Konkurrenten für die deutsche Wirtschaft.

Die USA liegen als größte Volkswirtschaft beim Export inzwischen leicht vor Deutschland, während Japan in den letzten beiden Dekaden seinen Weltmarktanteil auf nur 3,6 Prozent im Jahr 2020 stark eingebüßt hat. Besonders dynamisch war die Entwicklung in Asien, wo sich Südkorea in die Top Ten der größten Exportnationen vorschob. Eine ebenfalls rasante Entwicklung haben die Staaten Südostasiens genommen, allen voran Vietnam. In der Region dürfte sich in Zukunft durch die Suche nach Alternativen zu China noch mehr Exportproduktion ansiedeln.

Neue Regionen im Blick deutscher Exporteure

Wichtigste Zielregion für Waren "made in Germany" bleibt Westeuropa, wohin fast die Hälfte der Ausfuhren geht, allerdings mit sinkendem Anteil. Abgenommen hat auch die Bedeutung Nordamerikas. Deutlich höher ist die Dynamik hingegen in Richtung Asien-Pazifik sowie nach Mittel- und Osteuropa. Die größten Exportzielländer Deutschlands sind seit 2020 die USA und China.

Die Öffnung der Weltmärkte und die folgende Industrialisierung von Schwellenländern, der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) 2001 und die Osterweiterung der Europäischen Union haben deutschen Exporteuren, insbesondere aus der Investitionsgüterindustrie, glänzende Absätze beschert. Zukünftig könnten neue Wachstumsmärkte in den Fokus geraten, auch aus Gründen der Diversifizierung von Lieferanten und Absatzländern. Dagegen geht die zunehmende Regionalisierung von Lieferketten mit Investitionen in Produktionsstätten vor Ort und lokalem Sourcing einher. Das könnte Exporte aus Deutschland ersetzen.

Arzneimittel und Elektromedizin sorgen für Exporterfolge

Die vier größten Exportbranchen aus Deutschland konnten sich weitgehend gut im internationalen Wettbewerb behaupten, so die Analysen von Germany Trade and Invest (GTAI). Der Maschinenbau, die Automobilindustrie, Chemie- sowie die Elektro- und die Digitalindustrie stehen für rund zwei Drittel der deutschen Ausfuhren und circa 55 Prozent der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe. Alle vier Branchen haben ihre Exporte zwischen 2000 und 2020 kräftig steigern können. Anteilsmäßig verzeichnete die chemische Industrie die größten Einbußen bei den Weltmarktanteilen. Eine leichte Ausweitung der Anteile am Weltmarkt verbuchte hingegen die Kfz-Industrie.

Besonders bekannt im Ausland sind die Autos deutscher Hersteller. Deutschland bleibt größter Kfz-Exporteur der Welt – seit 20 Jahren unangefochten. Allerdings hat sich der Anteil der Branche an den gesamten deutschen Exporten über die Zeit reduziert. Dagegen legte die Bedeutung der Chemieindustrie kräftig zu auf über 17 Prozent der deutschen Gesamtausfuhren 2020. Dies spiegeln die kräftigen Exporte von Spezialchemie aus Deutschland wider, während die Kfz-Industrie vermehrt in ausländische Produktionsstätten investiert hat und dadurch relativ gesehen weniger Autos und Kfz-Teile aus Deutschland exportiert. Hinzu kommt die Innovationsstärke, die besonders deutlich beim Blick auf Pharmazeutika zutage tritt. Nicht zuletzt leisteten Impfstoffe "made in Germany" einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Coronapandemie. Des Weiteren ist Deutschland im Bereich der Elektromedizin und in zahlreichen Untersegmenten des Maschinenbaus global führender Anbieter.

Digitalisierung und Dekarbonisierung bringen neue Chancen

Für das Jahr 2022 ist aufgrund des Ukrainekriegs und Lieferengpässen mit einer schwachen Exportentwicklung zu rechnen. Die Welthandelsorganisation hat ihre Prognose für die Entwicklung des weltweiten Handels im April 2022 auf 3 Prozent gesenkt. Ein besonderer Dämpfer sind die steigenden Preise, vor allem für Energierohstoffe und Nahrungsmittel. In vielen Ländern wird dies die Nachfrage nach Industriegütern "made in Germany" abschwächen. Auf der anderen Seite steigt durch die dringende Notwendigkeit der Reduzierung von CO2-Emissionen die Nachfrage nach grünen Technologien. Zusammen mit Trends wie Automatisierung, Digitalisierung und Vernetzung entstehen so neue Chancen. Exporteure, die sich auf diese Entwicklungen einstellen, können auf den Weltmärkten im Wettbewerb weiter bestehen.

"Deutsche Unternehmen müssen weiterhin innovativ bleiben"

Porträtbild von (interims) Präsident und Forschungsdirektor Holger Görg Porträtbild von (interims) Präsident und Forschungsdirektor Holger Görg | © IfW Kiel / Michael Stefan

Professor Holger Görg ist Präsident (interim) des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) und beschäftigt sich seit Jahren mit dem internationalen Handel sowie der Außenhandelsforschung. Im Interview mit Germany Trade & Invest gibt er eine Einschätzung zur deutschen Wettbewerbsfähigkeit beim Weltexport.





Herr Görg, was sind Schlüsselfaktoren, die Märkte für deutsche Exporteure erschließbar machen?

Zunächst müssen fundamentale Faktoren vorliegen: die Wirtschaftsleistung des Landes, das Bestehen der notwendigen Infrastruktur sowie die Nachfrage nach dem deutschen Exportmix. Denn Deutschland liefert Vorprodukte und Anlagen, die von Ländern zum Aufbau der eigenen Industrie und von Produktionskapazitäten verwendet werden. Hinzu kommen politische und ökonomische Stabilität sowie die Kalkulierbarkeit der möglichen Risiken. Freihandelsabkommen spielen eine nachgeordnete Rolle. Erst wenn die fundamentalen Faktoren erfüllt sind, bieten sie zusätzliche bürokratische Erleichterungen.


Welche Regionen werden eventuell noch unterschätzt?

Das hängt von der wirtschaftlichen Dynamik der Länder und der notwendigen Infrastruktur ab. Asien wird wichtig bleiben, etwa China, aber auch Vietnam, Indonesien und Thailand dürften an Bedeutung gewinnen. Ein Kontinent, der von deutschen Exporteuren noch unterschätzt wird, ist Südamerika. Zwar bietet auch Afrika großes Potenzial, allerdings sind grundlegende Strukturen und die Infrastruktur oft noch unzureichend.


Welches sind aktuell die größten Herausforderungen?

Seit der Coronapandemie ist Unternehmen klar geworden, dass einseitige Abhängigkeiten von einzelnen Märkten und Zulieferungen zu vermeiden sind. Die notwendige Diversifizierung und die Transparenz der Lieferketten sind in den Fokus gerückt. Einzelne Staaten schrecken nicht davor zurück, den Handel einzusetzen, um politische Ziele durchzusetzen. Hinzu kommt das Wachstum der Wettbewerber, gerade China steigt in der Wertschöpfungskette zunehmend auf. Insbesondere die Automobil- und Elektronikbranche müssen aufpassen, dass sie nicht den Anschluss verlieren. Dafür müssen deutsche Unternehmen weiterhin innovativ bleiben.


Welche globalen Trends müssen deutsche Exporteure künftig im Blick behalten?

Dienstleistungen sind die Wachstumsbranche der Zukunft. In diesem Bereich muss Deutschland deutlich nachlegen, um den Anschluss bei Regularien und Standards nicht zu verlieren. Damit verbunden ist die Digitalisierung, etwa der künftige Ausbau von digitalem Handel sowie der Handel mit digitalen Daten. Nicht zuletzt dürften auch der Klimawandel und die Nachhaltigkeit bei den Transportwegen eine zentrale Rolle spielen.

Auslandsproduktion trägt zu Exporten anderer Länder bei

Die Analyse von Handelsstatistiken allein kann die Wettbewerbslage nicht vollumfänglich abbilden. So existieren verzerrende Effekte beim Warenumschlag an Drehkreuzen wie der Sonderverwaltungsregion Hongkong, Singapur oder auch den Niederlanden. Außerdem tragen deutsche Unternehmen mit ihrer Auslandsproduktion zu einem erheblichen Teil zum Export einzelner Konkurrenznationen bei. Rund ein Drittel der Maschinenausfuhren Chinas lassen sich etwa auf Fabriken mit ausländischem Eigentumsanteil zurückführen. Ebenso sind die Produktionsstätten deutscher Kfz-Hersteller global verteilt. Deutsche Autos für den Weltmarkt werden in den USA, in Südafrika oder Mittel- und Osteuropa produziert. Auch deutsche Chemiehersteller produzieren weltweit.

Dieser Beitrag ist Teil der Exportanalyse - Deutschland im internationalen Wettbewerb.

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