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Mehr Licht als Schatten in Westafrikas Lebensmittelsektor
Die Verringerung der hohen Importabhängigkeit bei Lebensmitteln wird in West- und Zentralafrika immer wichtiger. Steigende Preise belasten vielerorts Verbraucher und Unternehmen.
17.10.2022
Von Corinna Päffgen, Wolfgang Karg | Accra, Abidjan
Die strukturellen Probleme in der Lebensmittelwirtschaft West- und Zentralafrikas werden durch Krisen wie die Covid-19-Pandemie und den Ukraine-Konflikt verstärkt. Hinzu kommen die Auswirkungen der globalen Klimaveränderungen. Dennoch ist die Region differenziert zu betrachten. Und eine Vielzahl afrikanischer Unternehmen aus dem Bereich Lebensmittelverarbeitung und -verpackung trotzt den Krisen.
Ausbau der Lieferketten dringlicher denn je
In den Küstenstaaten Westafrikas nimmt die landwirtschaftliche Produktion vielerorts zu. Von Hungerkrise kann hier keine Rede sein, allerdings sind die sozialen Gegensätze groß. Ein drängendes aber nicht neues Problem stellen hohe Nachernteverluste aufgrund ungenügender Lieferketten dar.
Dagegen ist die Lebensmittelversorgung in Teilen Zentralafrikas, wie in Niger, Tschad, der Zentralafrikanischen Republik oder der Demokratischen Republik Kongo, in einigen Regionen unzureichend. Aber selbst dort und in so genannten Krisenstaaten wie den Binnenländern Mali und Burkina Faso gibt es florierende Unternehmen in der Lebensmittelwirtschaft, die weiter investieren.
Wettbewerb nimmt teilweise kräftig zu
Die Wettbewerbssituation ist in den einzelnen Ländern der Region sowie in den verschiedenen Nahrungsmittelsegmenten sehr unterschiedlich ausgeprägt. Viele Länder in West- und Zentralafrika verzeichnen nach wie vor eine hohe Importabhängigkeit etwa bei Getreide, Fisch und Milchpulver. Die lokale Wertschöpfung ist insgesamt noch zu gering ausgeprägt. Das Engagement lokaler und internationaler Unternehmen ist sehr unterschiedlich.
In Ländern wie Liberia, Guinea, Guinea-Bissau oder Sierra Leone gibt es wenig unternehmerisches Engagement vor Ort, das über den Eigenanbau hinaus geht. Fast alle höherwertigen Lebensmittel müssen dort importiert werden. Ausländische Unternehmen in der Nahrungsmittelproduktion und -verarbeitung sind in diesen vergleichsweise kleinen Märkten mit Vertriebspartnern aktiv, nicht in der Produktion.
Dagegen sind in der Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria und Senegal auch große Konzerne wie Nestlé, Coca-Cola, Unilever, FrieslandCampina, Arla, Castel und die Stallion Group führend. Dabei arbeiten sie zum Teil mit etablierten lokalen Partnern zusammen. Auch zahlreiche nationale Unternehmen sind mit eigenen Produktionsstätten erfolgreich. Sie konkurrieren zunehmend um die kaufkräftige Mittelschicht und nehmen Westafrika als gemeinsamen Markt für ihre Produkte wahr.
Erfolgreiche lokale Unternehmen in Nigeria sind unter anderem Chi Limited, Dufil Prima Foods, Leventis Foods, Beloxxi Industries oder United Africa Company. Mit Dangote Foods investiert der reichste Unternehmer Afrikas verstärkt in dem Sektor. In Ghana behaupten sich Unternehmen wie Nobac sowie Homefoods Processing & Cannery, Nkulenu Industries, Frutelli oder Samba Foods erfolgreich mit ihren an den regionalen Geschmack orientierten Produkten.
In Côte d'Ivoire investieren Familienunternehmen wie die Mischkonzerne Eurofind und Carré d'Or kräftig und bauen ihre Marktanteile aus. Beide sind sowohl mit Tochterfirmen für Lebensmittel als auch Verpackungsmittel aktiv. Im Senegal expandieren Unternehmen wie Patisen, NMA (Nouvelle Minoterie Africaine) oder Siagro (Société Sénégalaise Industrielle Agroalimentaire) mit seiner Getränkemarke Kirène längst über die Landesgrenzen hinaus. Der Babynahrungshersteller Le Lionceau ist im Senegal binnen kürzester Zeit zu einer nationalen Größe geworden. Eines von immer mehr Beispielen erfolgreicher Start-ups in Westafrika.
Steigende Nachfrage nach Agrarrohstoffen ist Chance für Westafrika
Im Bereich Rohstoffbeschaffung nimmt der Wettbewerbsdruck weltweit zu. Gestörte Lieferketten, anziehende Transportkosten sowie steigende Nachfrage sorgen für Turbulenzen an den internationalen Märkten für Agrarrohstoffe. Westafrika könnte von diesen Herausforderungen jedoch profitieren, denn die fruchtbaren Regionen konnten ihre landwirtschaftliche Produktion in den letzten Jahren vielerorts steigern.
Mit Hilfe der Entwicklungszusammenarbeit versuchen mehr und mehr Staaten, von ihrer einseitigen Abhängigkeit von Monokulturen für den Export wegzukommen. Kakao, Kaffee, Palmöl, Baumwolle, Erd- und Cashewnüsse bleiben sicherlich weiterhin wichtige Standpfeiler für Westafrika. Nicht zuletzt der Ukraine-Konflikt hat den Regierungen jedoch drastisch vor Augen geführt, dass die Versorgung der lokalen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln verstärkt durch eigene Produktion sichergestellt werden muss.
Gleichzeitig dürfte die Bedeutung Westafrikas bei der Produktion von afrikanischen Reissorten sowie Obst und Gemüse für die internationalen Märkte zunehmen, auch bei den Rohstoffen Kautschuk und Holz. Dazu sind massive Investitionen in den Ausbau der dafür nötigen Verarbeitungszentren und Logistikketten geplant.
Oftmals arbeiten große Unternehmen mit der Regierung und NGOs zusammen, um Kleinbauern (outgrowers) über Aggregatoren oder Sammelstellen in die Wertschöpfungskette beziehungsweise ans Unternehmen (ein-)zu binden.
Auch die Bedeutung von Kooperativen könnte zunehmen, um etwa so genanntem Landgrabbing durch Großkonzerne und Investoren vorzubeugen. Dies sorgt beispielsweise in der Arbeit des deutschen Maschinenrings im Senegal für Erfolg. Dabei werden Maschinen und Anlagen gemeinsam angeschafft, um die Modernisierung der Anbaumethoden voranzutreiben und die Erträge zu steigern. Außerdem wird in die Aus- und Fortbildung der Landwirte investiert, damit sie die Geräte auch warten können. Ein ähnliches Vorhaben verfolgt USAid in Benin bei Cashewnüssen. Ebenso werden zunehmend moderne IT-Lösungen in Westafrika für Landwirtschaft und Logistik entwickelt und eingesetzt, wie Clinic Agro in Kamerun. In Nigeria und anderen Ländern unterstützen Firmen mit Drohnen die Akteure in der Agrarwirtschaft.