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Arbeitsrecht
Die Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Brasilien wird durch ein umfangreiches Regelwerk, die Consolidação das Leis do Trabalho (CLT), geregelt.
12.02.2025
Von Dennis Barbosa | São Paulo
Die folgenden Angaben stellen eine Erstinformation zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und der Rechtspraxis dar. Germany Trade & Invest bietet keine weiterführende Rechtsberatung hinsichtlich der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen oder arbeitsrechtlicher Einzelfälle an.
Vergütung: Wird durch Individual-/Kollektivvertrag vereinbart. |
Mindestlohn: Der gesetzliche Mindestlohn, der durch Art. 7 IV der brasilianischen Verfassung garantiert ist, beträgt 2025 1.518 brasilianische Reais (R$). |
Arbeitsstunden pro Woche: höchstens 44 Stunden |
Regelarbeitstage pro Woche: 5 bis 6 |
Zulässige Überstunden: höchstens 2 Stunden pro Tag |
Bezahlte Feiertage: zwischen 10 und 14 Tagen, abhängig vom Bundesstaat |
Bezahlte Urlaubstage: 30 Kalendertage (Wochenend- und Feiertage, die in die Urlaubszeit fallen, werden bei der Urlaubszeit mitgerechnet) |
Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen (13. und/oder 14. Gehalt): Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt (Weihnachtsgeld) |
Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: Der Lohn wird höchstens während der ersten 15 Krankheitstage vom Arbeitgeber weitergezahlt; ab dem 16. Tag trägt die Sozialversicherung die Entgeltfortzahlung. |
Probezeit: nur bis 90 Tage möglich |
Rechtsgrundlagen
Brasilien verfügt über eine äußerst detaillierte und arbeitnehmerfreundliche Gesetzgebung, die für ausländische Unternehmen mitunter komplex erscheint.
Im Arbeitsgesetzbuch CLT finden sich Regelungen zum Individual- sowie Kollektivarbeitsrecht. Weitere Regelungen zum Arbeitsrecht finden sich in Tarifverträgen, in unternehmensinternen Richtlinien und im Individualarbeitsvertrag. Zudem können sich auch durch eine wiederholte Verhaltensweise seitens des Arbeitgebers Ansprüche des Arbeitnehmers auf erneute Gewährung der jeweiligen Leistungen ergeben (betriebliche Übung).
Brasilien hat ein eigenständiges System von Arbeitsgerichten, das routinemäßig über Fälle wie ungerechtfertigte Kündigungen, Arbeitsbedingungen, Gehaltsstreitigkeiten und andere Konflikte entscheidet. Arbeitsgerichte können auch verbindliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften durchsetzen, wenn Tarifverhandlungen scheitern und eine der Parteien den Rechtsweg beschreitet. Trotz der Reform des Arbeitsrechts im Jahr 2017, die zu einem deutlichen Rückgang der neuen Klagen geführt hat, sind die Gerichte immer noch mit Millionen von Arbeitsstreitigkeiten überlastet.
Die Reform brachte bedeutende Änderungen für den Arbeitsmarkt und erhöhte die Flexibilität in den Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Eine der wichtigsten Neuerungen war die Möglichkeit, dass individuelle oder kollektive Vereinbarungen in bestimmten Punkten Vorrang vor den gesetzlichen Regelungen haben, was mehr Autonomie bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen erlaubt.
Zusätzlich wurden neue Arbeitsmodelle geregelt, darunter:
- Intermittierende Beschäftigung: ermöglicht zeitlich begrenzte Arbeitsverhältnisse
- Remote-Arbeit (Homeoffice), deren Bedeutung insbesondere durch die Corona-Pandemie stark gestiegen ist.
Die Reform zielte auch darauf ab, einige Arbeitskosten zu senken, Regelungen zu vereinfachen und direkte Verhandlungen zwischen den Parteien zu fördern – was in der brasilianischen Realität den Arbeitgebern zugute kommt.
Im brasilianischen Kongress wird ein Gesetzentwurf diskutiert, der die Arbeitswoche mit sechs Arbeitstagen, die neben der weit verbreiteten Fünftagewoche existiert, abschaffen soll. Die Sechstagewoche wird in verschiedenen Dienstleistungs- und Industriebranchen genutzt. Ziel ist die Einführung einer Regelung, die zwei wöchentliche Ruhetage garantiert. Der Entwurf wird derzeit in Fachkommissionen geprüft. Danach erfolgt eine Abstimmung in der Abgeordnetenkammer und im Senat. Eine Verabschiedung könnte die Arbeitsgesetzgebung erheblich verändern und große Auswirkungen auf die betriebliche Planung in vielen Branchen haben.
Vertragsabschluss
Arbeitsverträge in Brasilien unterliegen grundsätzlich keiner Formvorschrift und können sogar mündlich abgeschlossen werden. Dennoch ist zu beachten, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, einen Arbeitsnachweis in Form des Arbeitsbuches CTPS (Carteira de Trabalho e Previdência Social) zu führen, auch wenn keine schriftliche Ausfertigung des Vertrags vorgeschrieben ist.
In Brasilien gilt der Grundsatz der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses (princípio da continuidade), um Arbeitnehmer zu schützen. Aus diesem Grund werden Arbeitsverträge in der Regel unbefristet abgeschlossen. Befristete Verträge (contrato por tempo determinado) sind nur unter bestimmten Bedingungen zulässig. Eine Befristung ist rechtlich nur dann wirksam, wenn sie sachlich begründet ist, etwa durch die zeitlich begrenzte Art der Tätigkeit, den vorübergehenden Charakter einer Unternehmensaufgabe oder ein Probearbeitsverhältnis (Art. 443 CLT). Die maximale Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrags beträgt in der Regel zwei Jahre.
Es kann auch eine Probezeit vereinbart werden, die als eigenständiger befristeter Vertrag (contrato de experiência) betrachtet wird. Ein solcher Vertrag darf maximal 90 Tage dauern (Art. 445 CLT) und kann einmal verlängert werden, sofern die Gesamtdauer von 90 Tagen nicht überschritten wird. Für Arbeitgeber bietet die Probezeit den Vorteil geringerer Verpflichtungen, da das Arbeitsverhältnis in dieser Phase ohne Angabe von Gründen beendet werden kann.
Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt nach Art. 7 XIII der brasilianischen Verfassung (CF/88) und Art. 58 CLT maximal 44 Stunden, verteilt auf fünf oder sechs Arbeitstage. Die tägliche Höchstarbeitszeit ist auf acht Stunden begrenzt, wobei Überstunden von bis zu zwei Stunden pro Tag zulässig sind (Art. 59 CLT).
Arbeitnehmer haben Anspruch auf eine Pause von mindestens einer Stunde bei Arbeitszeiten von über sechs Stunden pro Tag. Bei einer täglichen Arbeitszeit von vier bis sechs Stunden beträgt die Pause mindestens 15 Minuten (Art. 71 CLT). Nach jeder Schicht muss eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden eingehalten werden (Art. 66 CLT).
Vergütung
Die Vergütung wird grundsätzlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer frei vereinbart. Sie kann als Festgehalt, Provision oder stundenbasierte Vergütung ausgestaltet werden (Art. 444 CLT). Dabei ist der gesetzliche Mindestlohn, der durch Art. 7 IV CF/88 garantiert wird, stets einzuhalten.
Der gesetzliche Mindestlohn, der durch Artikel 7, IV, des CF/88 garantiert wird, muss immer eingehalten werden. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes 14.663 im Jahr 2023 wurde die obligatorische jährliche Erhöhung des Mindestlohns zur Staatspolitik (Política de Valorização do Salário Mínimo - PVSM). Die Erhöhung wird von der Regierung per Dekret durchgeführt. 2025 beträgt der Mindestlohn 1.518 R$.
Zusätzlich erhalten Arbeitnehmer Anspruch auf:
- 13. Monatsgehalt (Weihnachtsgeld) gemäß Art. 7 VIII CF/88 und Art. 1 Gesetz Nr. 4.090/1962.
- Eine Entschädigung von 1/3 des Gehalts während des Jahresurlaubs, geregelt in Art. 7 XVII CF/88 und Art. 142 CLT.
Regelungen zum Urlaub
Arbeitnehmer haben Anspruch auf 30 Kalendertage bezahlten Urlaub pro Jahr, sobald sie ein Jahr ununterbrochen gearbeitet haben (Art. 130 CLT). Für diese Zeit erhalten sie zusätzlich ein Drittel des normalen Gehalts als Urlaubsgeld. Feiertage werden je nach Bundesstaat geregelt und variieren zwischen 10 und 14 Tagen pro Jahr.
Regelungen zu Krankheitsfällen
Im Krankheitsfall zahlt der Arbeitgeber das Gehalt bis zu den ersten 15 Krankheitstagen (Art. 60 CLT). Ab dem 16. Tag übernimmt die Sozialversicherung (INSS) die Zahlungen. Arbeitgeber sind verpflichtet, monatlich 8 Prozent des Bruttogehalts eines Arbeitnehmers in den Fundo de Garantia por Tempo de Serviço (FGTS) einzuzahlen (Art. 15 Gesetz Nr. 8.036/1990).
Beteiligung an Unternehmensgewinnen
Arbeitnehmer können gemäß Art. 7 XI CF/88 und Gesetz Nr. 10.101/2000 an Unternehmensgewinnen beteiligt werden, sofern dies durch Tarifverträge oder Vereinbarungen geregelt ist.
Regelungen zum Homeoffice
Mit der Einführung des Gesetzes Nr. 14.442/2022 wurden klare Regeln für Homeoffice-Arbeit geschaffen. Arbeitgeber müssen:
- Einen Vertrag abschließen, der die Bedingungen für Remote-Arbeit regelt.
- Technologische Ressourcen zur Verfügung stellen und deren Kosten übernehmen, wie Internet und Software-Lizenzen (Art. 75-B CLT).
- Die Arbeitszeit der Arbeitnehmer überwachen, es sei denn, sie arbeiten auf Zielbasis.
Regelungen zur Gleichstellung
Darüber hinaus trat im Jahr 2023 das Gesetz 14.611 in Kraft, das die Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern in Brasilien regelt. Nach dem Gesetz müssen Unternehmen mit 100 oder mehr Beschäftigten halbjährliche Berichte über Gehälter und Vergütungskriterien (Relatórios de Transparência Salarial - RTS) vorlegen. Das Gesetz sieht auch Geldstrafen für Unternehmen vor, die sich nicht an das Gesetz halten, und erleichtert Gerichtsverfahren zugunsten von Frauen.
Vertragsbeendigung
In Brasilien können Arbeitsverhältnisse entweder durch einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag oder durch eine Kündigung beendet werden. Dabei gilt für bestimmte Arbeitnehmergruppen, wie etwa werdende Mütter oder Menschen mit Behinderungen, ein besonderer Kündigungsschutz.
Ordentliche Kündigung
Für eine ordentliche Kündigung ist kein spezifischer Kündigungsgrund erforderlich, es sei denn, tarifvertragliche Bestimmungen schreiben etwas anderes vor. Nach Art. 487 CLT muss die kündigende Partei eine Kündigungsfrist von mindestens 30 Tagen einhalten. Diese Frist verlängert sich je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit: Pro Jahr, das der Arbeitnehmer im Unternehmen tätig war, kommen drei zusätzliche Tage hinzu, bis maximal 60 weitere Tage erreicht sind (Gesetz Nr. 12.506). Dadurch kann die Kündigungsfrist bei langjähriger Beschäftigung bis zu 90 Tage betragen.
Der Arbeitnehmer hat bei einer ordentlichen Kündigung Anspruch auf eine anteilige Zahlung des 13. Monatsgehalts für die im laufenden Jahr gearbeiteten Monate sowie auf das anteilige Urlaubsgeld. Darüber hinaus erhält er eine Abfindung in Höhe von 40 Prozent der im Fundo de Garantia por Tempo de Serviço (FGTS) angesparten Summe. Diese Zahlung wird direkt vom Arbeitgeber geleistet und ist gesetzlich garantiert.
Außerordentliche Kündigung
Eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber ist nur in bestimmten Fällen erlaubt und erfordert einen rechtlich anerkannten Grund (justa causa), der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. In der Regel ist dafür ein wiederholtes Fehlverhalten des Arbeitnehmers erforderlich, das zuvor abgemahnt wurde. Bei besonders schwerwiegendem Fehlverhalten kann jedoch auf eine vorherige Abmahnung verzichtet werden. Sollte kein rechtlich anerkannter Kündigungsgrund vorliegen, wird die außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung umgewandelt, sodass die entsprechenden Ansprüche des Arbeitnehmers gelten.