Recht kompakt | WTO | TRIPS
Übergangsvorschriften und Ausnahmen
Bevor einzelne Vorschriften des TRIPS näher betrachtet werden, sei noch die Frage erläutert: Sind alle TRIPS-Vorgaben in Bezug auf die Mitglieder der WTO gleichermaßen anwendbar?
25.01.2022
Von Julia Merle | Bonn
Im Hinblick auf die Implementierung des TRIPS ist zu beachten, dass in Teil VI bestimmte Übergangsregelungen vorgesehen sind.
So fand das Abkommen gemäß Art. 65 Abs. 1 TRIPS grundsätzlich erst nach einer allgemeinen Frist von einem Jahr seit Inkrafttreten Anwendung, mithin seit dem 1. Januar 1996. Für die WTO-Mitglieder ist unabhängig vom Status ihrer Entwicklung bereits seit diesem Tag die Nichtdiskriminierung - insbesondere die angesprochenen Grundprinzipien aus Art. 3 und 4 TRIPS - zu beachten, was aus Art. 65 und 66 TRIPS hervorgeht. Für neue WTO-Mitglieder gelten zwar nach dem TRIPS keine Übergangsfristen, solche Zeiträume können jedoch im Beitrittsprotokoll vorgesehen werden.
Das TRIPS-Übereinkommen sieht ferner bestimmte Übergangszeiträume vor, in denen es zwar schon in Kraft getreten ist, aber in bestimmten Ländern noch nicht voll zur Anwendung kommt. In diesen Zeiträumen ist es also für diese noch nicht erforderlich, ihre nationalen Rechtsordnungen an die völkerrechtlichen Vorgaben des TRIPS anzupassen.
Während die ursprünglichen Fristen für Entwicklungs- und Schwellenländer bereits lange verstrichen sind, wurde den von den Vereinten Nationen als "am wenigsten entwickelte Länder" (least-developed countries, LDC) eingestuften Mitgliedern nach Art. 66 Abs. 1 TRIPS die Möglichkeit eines längeren Zeitraumes eingeräumt. Welche Länder dies im Einzelnen aktuell sind, kann beispielsweise dieser Übersicht auf der WTO-Website entnommen werden. Zu den Einstufungskriterien siehe: Website der Vereinten Nationen.
Der mögliche Übergangszeitraum läuft nach inzwischen dreimaliger Verlängerung noch bis zum 1. Juli 2034 (siehe dazu: Entscheidung des Rats für TRIPS vom 29. Juni 2021). Die Verlängerung geschah insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen der Coronapandemie auf LDC. Zuvor war das Auslaufen der Frist für den 1. Juli 2021 vorgesehen. Fristverlängerungen sind auf Antrag möglich.
So soll unter anderem "ihres Bedarfs an Flexibilität bei der Schaffung einer tragfähigen technologischen Grundlage" (Art. 66 Abs. 1 TRIPS) Rechnung getragen werden.
Verliert ein betroffenes WTO-Mitglied jedoch vorher seinen Status als ein "am wenigsten entwickeltes Land", so endet die Übergangsfrist für dieses bereits zu diesem früheren Zeitpunkt.
Artikel 65 Abs. 5 TRIPS bestimmt, dass ein Mitglied im Übergangszeitraum sicherzustellen hat, dass während dieser Frist vorgenommene Änderungen seiner Gesetze, sonstigen Vorschriften und seiner Praxis nicht zu einem geringeren Grad der Vereinbarkeit mit TRIPS führen.
Eine besondere Übergangsfrist für am wenigsten entwickelte WTO-Länder in Bezug auf pharmazeutische Produkte wurde inzwischen bis zum 1. Januar 2033 verlängert (dazu: Entscheidung des Rats für TRIPS vom 6. November 2015). Dabei geht es um die Implementierung der Abschnitte 5 und 7 des zweiten Teils des TRIPS in diesem Zusammenhang, also um den Patent- und Geschäftsgeheimnisschutz für Arzneimittel ("Pharmapatente"). Dies ermöglicht es Staaten wie Bangladesch, Generika herzustellen, ohne diese Vorschriften beachten zu müssen.
Allgemein sei außerdem darauf hingewiesen, dass Art. 73 TRIPS Ausnahmen zur Wahrung von Sicherheitsinteressen der WTO-Mitglieder vorsieht. So darf ein Mitglied nicht an Maßnahmen gehindert werden, die es zum Schutz seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen beispielsweise in Kriegszeiten oder sonstigen Krisen in internationalen Beziehungen für notwendig erachtet.
Will ein WTO-Mitglied einen Vorbehalt zu einer Bestimmung des TRIPS anbringen, benötigt es gemäß Art. 72 TRIPS die Zustimmung aller anderen Mitglieder.