Zollbericht WTO Internationale Handelsabkommen
Die Zukunft der Welthandelsorganisation
(Stand: 6.3.2024) Eine gründliche Reform der Organisation in all ihren Kernfunktionen ist notwendig. Die WTO-Mitglieder streben eine solche Reform an.
Von Dr. Melanie Hoffmann | Bonn
Veraltete Strukturen und Regeln, Krisensituationen, Blockaden und die wachsende Anzahl an bilateralen Handelsabkommen stellen die Welthandelsorganisation (WTO) vor Herausforderungen. Die WTO-Mitglieder sind sich einig, dass die WTO reformiert werden muss, um zukunftsfähig bleiben zu können.
Ziel ist eine umfassende Reform
Im Rahmen der 12. Ministerkonferenz (MC12) haben sich die Minister darauf geeinigt, die WTO-Reform mit einem Arbeitsprogramm anzustoßen. Dabei sollen die Regeln des Welthandelsrechts an die Veränderungen der Gesellschaft und des Handelssystems angepasst werden. Gleichzeitig müssen derzeitige Blockaden gelöst werden, um ein zukunftsfähiges System zu generieren und Herausforderungen besser bestehen zu können.
Die Reform stellt für die EU eine wesentliche Priorität dar, "um das Vertrauen und den politischen Rückhalt aller Mitglieder zurückzugewinnen und das auf Regeln beruhende multilaterale Handelssystem aufrechtzuerhalten", so der Vizepräsident der Europäischen Kommission und für Handel zuständige Kommissar Valdis Dombrovskis.
Auf der letzten Ministerkonferenz (MC13) im Februar 2024 konnte noch kein Reformdurchbruch erzielt werden.
Aktuelle Herausforderungen der WTO
Die Herausforderungen sind vielfältig. GTAI nimmt einige dieser Herausforderungen in den Blick (nicht abschließend):
Veraltete Strukturen und Regelungen
Das Übereinkommen der WTO wurde seit 1995 nicht überarbeitet, sodass zahlreiche Regeln nicht mehr zeitgemäß sind. Beispielsweise bedarf es einer Modernisierung des WTO-Abkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, um fairere Wettbewerbsregeln zu schaffen.
Neben dessen finden einige aktuelle Themen noch keinerlei Berücksichtigung in den Übereinkommen der WTO. Dazu zählen zum Beispiel die Berücksichtigung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) im Welthandel, E-Commerce, Nachhaltigkeit und Gesundheits-, Arbeits- und Umweltstandards. Einige dieser Themen werden bereits aktiv in der WTO verhandelt (Ausgewählte WTO-Übereinkommen im Überblick).
Da es zu einigen dieser Themen noch keine multilateralen Regeln gibt, weichen immer mehr Länder auf bilaterale Abkommen aus. Im Rahmen von bilateralen Verträgen können die Vertragsparteien auf die oben genannten Themen eingehen und hierzu einheitliche Regeln festhalten.
Steigende Anzahl bilateraler Handelsabkommen
Die wachsende Anzahl bilateraler Abkommen geht mit der steigenden Zahl von Akteuren einher, die aktiv an WTO-Verhandlungen teilnehmen. Die Anzahl an Schwellenländern ist heute ebenso groß wie die Zahl der möglichen Vetogruppen. Bis Mitte der 1980er Jahre war es zumeist möglich, ein Verhandlungsergebnis zu erlangen, wenn sich bereits die EU und die USA einig waren. Heute ist dies anders, da sich der Kreis der sich aktiv an Verhandlungen beteiligenden Akteure stetig vergrößert. Da es einfacher ist, sich innerhalb eines bilateralen Abkommens, also zwischen zwei Parteien, auf eine Lösung zu einigen, als innerhalb eines multilateralen Abkommens mit mindestens drei Parteien, steigt die Anzahl der bilateralen Abkommen weiter an. Bilaterale Abkommen unterscheiden sich jedoch voneinander, sodass der Welthandel dadurch verkompliziert und nicht wie nach dem Prinzip der multilateralen Abkommen vereinfacht wird.
Die stockende Doha-Runde und die Zunahme bilateraler Abkommen veranlassten auch die EU zunehmend bilaterale Abkommen abzuschließen, obwohl sie sich jahrelang für die Förderung multilateraler Abkommen eingesetzt hat, um den Handel großflächiger zu liberalisieren. Mittlerweile kann die EU auf 42 Handelsabkommen mit knapp 80 Drittstaaten zurückgreifen.
Nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) obliegt der EU die Kompetenz, mit Drittländern oder internationalen Organisationen Verträge zu schließen. Themen, die die gemeinsame Handelspolitik betreffen und somit auch das WTO-Recht, unterliegen der ausschließlichen Zuständigkeit der EU. Darüber hinausgehende Themen unterliegen einer geteilten Zuständigkeit der EU und der Mitgliedstaaten. Die EU in der WTO Schließt die EU mit einem anderen WTO-Mitgliedstaat ein Abkommen ab, so handelt es sich um ein bilaterales Abkommen. Die EU wird dabei durch die Kommission vertreten, die als ein Akteur für alle EU-Mitgliedstaaten auftritt. Die Europäische Kommission erstattet dem Rat und dem Europäischen Parlament regelmäßig Bericht über die Verhandlungsgespräche. Die Kommission tritt auch bei Auseinandersetzungen im Namen der EU auf und vertritt folglich die Interessen aller EU-Mitglieder vor dem Streitschlichtungsgremium der WTO. |
Blockade der WTO-Streitbeilegung
Die USA verweigern eine Nachbesetzung des Appellate Body, indem sie der Ernennung neuer Richter nicht zustimmen. Eine Interimslösung zur Beilegung von Handelsstreitigkeiten haben aber nun die EU und weitere WTO-Mitglieder ins Leben gerufen. Im Rahmen der auf der MC12 vereinbarten WTO-Reform wird angestrebt, bis spätestens 2024 ein voll funktionsfähiges Streitbeilegungssystem wiederherzustellen. Auf der MC13 konnte die Wiederherstellung der vollen Funktionalität des Streitschlichtungssystems noch nicht verabschiedet werden.
Wir informieren Sie über aktuelle Entwicklungen zur Blockade der WTO-Streitbeilegung.
Verhalten der Mitglieder
Wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen von Drittstaaten nehmen ebenfalls kontinuierlich zu. Eine plurilaterale WTO-Erklärung zum Verzicht von “Economic Coercion” könnte ein solches Verhalten möglicherweise abwehren.
Neben dessen kommen die Mitglieder ihrer Notifizierungspflicht nur mangelhaft nach, sodass zahlreiche Maßnahmen nicht gemeldet werden. Die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Handelsmaßnahmen wird mutmaßlich immer größer.