Wirtschaftsumfeld | Schweden | Wirtschaftsstruktur
Neue Trends beeinflussen Schwedens Wirtschaftsstruktur
Die Wirtschaft ist breit aufgestellt und setzt dabei bewusst auf Nachhaltigkeit. Obwohl Südschweden traditionell als Wirtschaftsmotor gilt, rückt der Norden stärker in den Fokus.
01.11.2024
Von Judith Illerhaus | Stockholm
Klima und Umwelt sind traditionell zentrale Anliegen der schwedischen Regierung. Die grüne Wende und die Industrie 4.0 sollen entsprechend für weitere Impulse in der Wirtschaft sorgen. Innerhalb eines international verbindlichen Rahmens werden Forschung, Innovation und Investitionen in diesen Bereichen gefördert. Der Bau einer E-Fuel-Fabrik oder nachhaltigere Lösungen in der Recyclingindustrie unterstreichen diese Fahrtrichtung.
Dass die Industrien in Deutschland und Schweden ähnlich breit aufgestellt, qualitätsorientiert und innovationsstark sind, ist die beste Voraussetzung für eine enge Zusammenarbeit, auch in den kommenden Jahren. Bei Rankings wie dem European Innovation Scoreboard oder dem Global Innovation Index landet Schweden seit vielen Jahren regelmäßig auf den vorderen Plätzen.
Die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Schweden gelten als sehr belastbar. Spätestens seit der Hansezeit im 14. Jahrhundert sind beide Länder wirtschaftlich eng verflochten. Heute ist die Bundesrepublik der wichtigste Handelspartner des Königreichs. Deutschland verkauft vor allem Fahrzeuge, Maschinen sowie chemische und pharmazeutische Erzeugnisse nach Schweden. Neben Deutschland sind die nordischen Nachbarn Dänemark und Norwegen wichtige schwedische Handelspartner.
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Immer mehr Schweden wünschen sich den Euro
Traditionell hat die Schwedische Krone einen starken Rückhalt in der Bevölkerung – doch die vergangenen, wirtschaftlich durchwachsenen Jahre haben ein Umdenken angestoßen. Kürzlich titelte die größte schwedische Tageszeitung Dagens Nyheter "Mehr Menschen wünschen sich den Euro". Belegt wird der Trend auch vom nationalen Statistikamt: Während sich vor zwölf Jahren nur ein Zehntel der Einwohner für den Euro ausgesprochen haben, sind es heute mehr als ein Drittel.
Die schwache Krone der vergangenen zwei Jahre hat nicht nur den Privatkonsum gehemmt. Auch Importe nach Schweden wurden teurer. Zudem sorgt die Volatilität der Währung für Absatzschwierigkeiten in Drittländern.
Organisierte Bandenkriminalität bleibt ein Problem
Bereits seit mehreren Jahren wird in Kontinentaleuropa von stark ansteigenden Zahlen bewaffneter Überfälle und Bandenkriegen in Schweden berichtet. Zwischen 9 und 13 Milliarden Euro soll die organisierte Kriminalität das Land laut schwedischem Justizministerium jährlich kosten.
Zur Bekämpfung hat die Regierung eine eigens dazu vorgesehene Behörde ins Leben gerufen: die neue Zahlungsverkehrsbehörde soll Sozialbetrug verhindern. Auch die Finanzaufsichtsbehörde hat mehrere Beauftragungen zur Bekämpfung von Zahlungsbetrug, Anlagebetrug und Geldwäsche erhalten. Im September 2024 haben sich zudem zahlreiche öffentliche Akteure und der Unternehmensverband Svenskt Näringsliv zu der Initiative SMOB ("Schweden gegen das organisierte Verbrechen") zusammengetan. Ziel ist die gemeinsame Bekämpfung krimineller Wirtschaftsstrukturen.
Grüne Transformation gerät ins Stocken
Mit dem staatlich initiierten Programm "Fossilfreies Schweden" verfolgt das Land den ambitionierten Plan, bis 2045 klimaneutral zu sein. Für insgesamt 22 Industrien schlägt die Initiative detaillierte Fahrpläne vor. Unter Berücksichtigung konkreter Verpflichtungen zur CO2-Einsparung soll die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Branchen gewährleistet werden. Gleichzeitig liegt der Fokus auf einer nachhaltigen Wohlfahrtsgesellschaft. Doch die zuletzt schwierige konjunkturelle Lage hat das Vorzeigeland gezwungen, einen Gang zurückzuschalten. Staatliche Subventionen werden gekürzt und es häufen sich Schlagzeilen abgesagter Investitionspläne großer Unternehmen, wie im Falle des Batterieherstellers Northvolts oder auch der Rückzug Ørsteds aus dem Großprojekt FlagshipONE.
In der schwedischen Bauindustrie gibt es enorm viel Potenzial für nachhaltige Ansätze – auch wenn die Branche zuletzt unter starken Rückschlägen wie vermehrten Insolvenzanmeldungen und niedrigen Auftragszahlen gelitten hat. Darüber hinaus besteht ein hoher Bedarf an Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen der allgemeinen Infrastruktur. Im Rahmen eines neues Infrastrukturgesetzes plant die Regierung in den zehn Jahren ab 2026 umgerechnet mehr als 100 Milliarden Euro zu investieren.
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2022 | Anteil an den Beschäftigten 2022 |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 1,6 | 1,9 |
Bergbau | 0,9 | *) |
Verarbeitendes Gewerbe | 15,1 | 10,8 |
Energieversorgung | 3,6 | *) |
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen | 0,7 | *) |
Baugewerbe | 6,6 | 7,5 |
Dienstleistungen | 71,4 | 78,3 |
Nordschweden wird interessanter für Unternehmensansiedlungen
Während die Hauptstadtregion als das Zentrum der Tech- und Finanzbranche gilt, ist Westschweden, also die Region rund um Göteborg, als erfolgreicher Industriestandort bekannt. Der Stellenwert Göteborgs wird sich in den kommenden Jahren noch deutlich verstärken – bis 2032 rechnet die Region mit Investitionen der Privatwirtschaft von über 22 Milliarden Euro aus den Bereichen chemische bzw. petrochemische Industrie, maritime Wirtschaft und Textilwirtschaft.
Nordschweden gilt traditionell als das Standbein des Bergbaus: Die subarktische Stadt Kiruna liegt an der Grenze des weltweit größten Eisenerzbergwerks, durch dessen Aktivität es zu tektonischen Verschiebungen kommt und eine Umsiedlung der Stadt erforderlich machte. Dieser Prozess soll bis 2040 abgeschlossen sein. Im Jahr 2023 sorgte dort auch der riesige Fund Seltener Erden für Aufsehen und schürte Hoffnungen für die Versorgung Europas mit den so dringend benötigten Rohstoffen. Unternehmen, die stellvertretend für die Dekarbonisierung der Industrie stehen, haben sich deshalb für Standorte im Norden entschieden. Dazu zählen unter anderem der bekannte Batteriehersteller Northvolt oder das Impact Scale-Up Stegra (ehemals H2Green Steel). Auch die Transportwege sind kurz und die Bedingungen günstig.
Rund um die Grenzregion Malmö und Kopenhagen hat sich zudem ein starker Biotech-Cluster gebildet, der künftig noch weiter wachsen soll. Unter dem Namen Medicon Valley fungiert er heute als der wichtigste Life-Science-Cluster der nordischen Länder.
Gebiet | Anteil am BIP (in %) 1) | BIP pro Kopf (in Euro) 1) 2) | Bevölkerung (in Mio.) 3) |
---|---|---|---|
Stockholm (Provinz) | 31,2 | 72.345,2 | 2,44 |
Westschweden (Provinzen Halland und Västra Götaland) | 19,3 | 51.836,4 | 2,10 |
Östliches Mittelschweden (Provinzen Uppsala, Södermanland, Västmanland, Örebro und Östergötland) | 14,3 | 45.909,5 | 1,76 |
Südschweden (Provinzen Skåne und Blekinge) | 12,6 | 45.345,1 | 1,57 |
Oberes Norrland (Provinzen Västerbotten und Norrbotten) | 5,4 | 57.481,0 | 0,53 |