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Branchen | Ägypten | Nahrungsmittel, Getränke

Ägypten gewinnt als Hub für die Nahrungsmittelherstellung

Beteiligungen und Investitionen internationaler Unternehmen stärken Ägyptens Rolle als Produktionsstandort für Nahrungsmittel und Getränke. 

Von Marcus Knupp | Berlin

Ägypten war im Jahr 2023 mit knapp 113 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt und liegt auf dem afrikanischen Kontinent an 3. Stelle nach Nigeria und Äthiopien. Pro Jahr nimmt die Zahl der Bewohner durchschnittlich um 1,5 Prozent zu. Der Markt für Konsumgüter wie Nahrungsmittel und Getränke ist damit einer der wichtigsten der Region. 

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf gibt die Weltbank mit 3.513 US-Dollar (US$) an. Ägypten gehört also wie Marokko oder Tunesien in die Gruppe der lower-middle income countries. Hohe Inflationsraten haben in den letzten Jahren allerdings die Kaufkraft eingeschränkt. Insbesondere die Nahrungsmittelpreise waren deutlich in die Höhe geschnellt, haben sich im laufenden Jahr 2024 aber etwas stabilisiert. Die Economist Intelligence Unit (EIU) rechnet zum Jahresende mit einer Rate der Geldentwertung von circa 24 Prozent.

Lokale Produktion als Absicherung

Inflation, Devisenknappheit und zuletzt im März 2024 eine deutliche Abwertung des ägyptischen Pfundes haben auch die Hersteller in Ägypten vor Herausforderungen gestellt. Etliche Vorprodukte der Nahrungsmittelindustrie wie Milchpulver, Getreide oder Palmöl müssen importiert werden. Durch die veränderten Wechselkurse sind die Betriebe in Ägypten mit zum Teil erheblichen Preissteigerungen konfrontiert. Das betrifft analog natürlich auch aus dem Ausland eingeführte Fertigprodukte. Beides führt dazu, dass die Preise im Einzelhandel steigen. Die Konsumenten fragen deshalb mehr günstigere einheimische Waren nach. Beim Absatz von Importwaren kommt hinzu, dass es seit dem Beginn des Gazakrieges wiederholt zu Aufrufen zum Boykott westlicher Marken gekommen ist.

Eine Antwort auf diese Probleme ist die Verstärkung der lokalen Wertschöpfungskette. Hersteller versuchen zum einen, möglichst viele Vorprodukte in Ägypten selbst zu beschaffen. Das geht nur, wenn die entsprechende landwirtschaftliche Produktion vorhanden ist und weiterverarbeitende Betriebe bestehen, die Vorprodukte in ausreichender Quantität und Qualität herstellen. Zudem muss der Transport vom Feld bis zu den Fabriken der Nahrungsmittelindustrie funktionieren. Mehrere Investitionsankündigungen der letzten Monate deuten in diese Richtung.

Regionale Märkte im Blick

Sowohl Unternehmen aus Europa oder Nordamerika als auch solche aus dem arabischen Golfstaaten betonen bei ihren Investitionsankündigungen, in Ägypten auch für den Nahen Osten und den afrikanischen Markt produzieren zu wollen. So zum Beispiel die Firma Heinz, die 50 Millionen US$ in ihre Produktionsanlagen für Mayonnaise und Ketchup in der 6th of October City investiert und die Kapazität damit um 60 Prozent auf 53.000 Tonnen im Jahr gesteigert hat. Etwa 90 Prozent der verwendeten Zutaten sollen aus lokalen Quellen stammen. Auch der schweizer Nestlé-Konzern investiert im Zeitraum 2021 bis 2025 rund 15 Millionen US$ in seine Produktionsanlagen in Ägypten.

Ein neuer Player vor Ort ist der ebenfalls aus der Schweiz stammende Schokoladenhersteller Barry Callebaut. Mit dem Bau eines neuen Werks in Ägypten für 30 Millionen US$ reagiert das Unternehmen auf die steigende Nachfrage vor Ort. Ein Teil der Produktion ist aber auch für die Region Mittlerer Osten und Nordafrika (MENA) sowie andere afrikanische Länder vorgesehen. 

Die Verflechtung mit der MENA-Region stärken auch Investitionen von Unternehmen aus der Golfregion in Ägypten. Der Molkereikonzern Almarai aus Saudi Arabien hat kürzlich zwei neue Produktionslinien für Milch bei seiner lokalen Tochter Beyti eröffnet. Hayel Saeed Anam (HSA) aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) übernimmt die Anteile von Kellanova (ehemals Kellogg's) an dem ägyptischen Unternehmen Bisco Misr, einem Hersteller von Gebäck.

Infrastruktur für bessere Versorgung

Immerhin 14 Prozent der Exporte Ägyptens gehen auf das Konto der Nahrungsmittelindustrie. Vorrangiges Ziel ist aber die ausreichende Versorgung der wachsenden Bevölkerung im Land selbst mit bezahlbaren Lebensmitteln. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Ausbau der entsprechenden Infrastruktur. Für die Ansiedlung neuer Produktionsstätten entstehen Industrieparks. Hinzu kommen Lagerkomplexe, Getreidesilos mit Trocknungsvorrichtungen und Investitionen in die Kühlkette.

Eine ganze Serie von Vorhaben in diesem Feld verfolgt die Firma SulleX Logistics. An fünf Standorten in Ägypten sollen sogenannte Cold Chain Hubs entstehen. Am Anfang steht der Hub in der Provinz Giza bei Kairo. Dort werden bis Mitte 2025 die ersten Fabriken in Betrieb genommen. In den kommenden vier bis sechs Jahren sollen es rund 60 werden. Den Betrieben stehen in dem integrierten Gewerbegebiet 13 Kühlkomplexe zur Verfügung. Mit eigenen Kühllastwagen stehen diese mit Sammelstellen im Umland in Verbindung, um eine geschlossene Kühlkette zu gewährleisten. Weitere Standorte sind im westlichen wie im östlichen Nildelta, in der Oase Bahariya und in Oberägypten geplant.

Ebenfalls 2025 will das Unternehmen MAFI for Agricultural Produce Industries eine private Freizone in Sadat City eröffnen. Dort sollen fünf Fabriken des Nahrungsmittelsektors angesiedelt werden. Pressemeldungen zufolge bestehen bereits Verträge mit mehreren internationalen Unternehmen. Im Rahmen des Projektes "Future of Egypt", das die Getreideproduktion im Land erhöhen soll, hat die chinesische Famsun Group bisher 24 Getreidesilos mit Trocknungsanlagen errichtet, die zusammen eine Kapazität von über 100.000 Tonnen haben, berichtet die Zeitung The National.

Veränderte Konsumgewohnheiten

Nicht nur die steigende Zahl von Konsumenten schafft zusätzliche Nachfrage nach Nahrungsmitteln. Auch veränderte Konsumgewohnheiten nähren die Wachstumsaussichten des Sektors. Das Marktforschungsunternehmen 6W Research erwartet für die Jahre 2024 bis 2030 ein Umsatzwachstum der Nahrungsmittelbranche von jährlich durchschnittlich 7,2 Prozent. Insbesondere soll die Nachfrage nach Bioprodukten, gefrorenen und verarbeiteten Speisen sowie alkoholfreiem Bier steigen.

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