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Äthiopien wird zum Paradies für Kryptominer

Billiger Strom im Überfluss und kaum Regeln: In Äthiopien rollen Rubel und Yuan mit dem Schürfen von Bitcoin & Co. Die Importe von IT-Technik sind zuletzt kräftig gestiegen, allen voran aus China. 

Von Ulrich Binkert | Bonn

Während die Kurse von Kryptowährungen immer neue Höhen erreichen, entwickelt sich Äthiopien zu einem neuen Hotspot für das Schürfen solcher virtuellen Währungen. Beim Bitcoin, mit einer Marktkapitalisierung von knapp 60 Prozent die am meisten verbreitete Kryptowährung, erbringt das Land nach aktuellen Presseberichten 2,5 Prozent der globalen Leistung ("Hashrate").

Strom ist billig und reichlich

In Äthiopien nehmen die energiehungrigen Rechenzentren Schätzungen zufolge eine Stromerzeugungskapazität von 800 Megawatt in Anspruch, Tendenz steigend. Insider gehen von über 1.500 Megawatt aus. Das wäre die Hälfte der Kapazität, die 2022 alle anderen Stromverbraucher in Äthiopien in der Spitze benötigten. Strom ist genug da in Äthiopien und kostet die "Miner" nur rund ein Zehntel so viel wie in Deutschland. 

Wie funktioniert Kryptomining?

Kryptowährungen basieren in der Regel auf einer erweiterbaren Liste von Datensätzen (Blockchain). Kryptomining umfasst einerseits das Generieren ("Schürfen") der Währung, andererseits die Verifizierung einer Transaktion. Die Transaktionen werden durch einen Konsensmechanismus verifiziert. Das heißt, dass alle Stakeholder die Legitimität einer Transaktion bestätigen. Die Verifizierung beinhaltet das Lösen komplexer mathematischer Aufgaben. 

Beim Bitcoin beispielsweise erzeugt derjenige "Miner", der die Aufgabe zuerst löst, einen eindeutigen "Hash". Damit wird ein mehrere Transaktionen umfassender Block validiert, und der Miner kann Bitcoins generieren. Daher sind für erfolgreiches Kryptomining leistungsfähige Hard- und Software vorteilhaft.  

Nach Informationen des staatlichen Stromerzeugers und -übertragers Ethiopian Electric Power (EEP) sind aktuell 22 Kryptofarmen im Land aktiv. Die größte davon verfügt demnach über eine Kapazität von 150 Megawatt. Zum Vergleich: Ethio Telecom, der führende Telekomanbieter und wohl größte Betreiber von sonstigen Rechenzentren im Land, benötigt für seine Rechenzentren gerade einmal 4 Megawatt. Das US-Fachportal Cryptopolitan hatte schon im Februar 2024 von 21 Minern in Äthiopien berichtet.

Chinesen dominieren

19 der 21 Investoren kamen demnach aus China, wo das Schürfen von Kryptowährungen seit 2021 verboten ist. Zuletzt kündigte Anfang Dezember BIT Mining, eine in den USA ansässige Firma mit offenbar chinesischem Hintergrund, die Übernahme von Kryptofarmen in Äthiopien mit 51 Megawatt Kapazität an. Die West Data Group aus Hongkong schloss im März 2024 eine Absichtserklärung, 250 Millionen US-Dollar (US$) in dem Bereich zu investieren. 

Die anderen Schürfer gehören offenbar meist Russen. Bitcluster aus Moskau beschreibt auf seiner Webseite eine Anlage in Addis Abeba mit 120 Megawatt Kapazität. Beobachter gehen für die russischen Firmen jedoch von einer höheren Kapazität aus. Im April 2024 hatte die in China ansässige Firma Uminers laut deren Präsident Batyr Hydyrov den Bau einer 100-Megawatt-Anlage in Äthiopien angekündigt. 

Kryptofarmen statt Stromexport

Für Äthiopien sind die Kryptofarmen auch eine einfache Form des Exports von Strom. Eine 2.000-Megawatt-Leitung nach Kenia ist kaum zu einem Zehntel ausgelastet, mit rund 190 Megawatt im Januar 2024 als Spitzenwert bis dato. Ähnlich viel verkauft Äthiopien nach Dschibuti, aktuell deutlich weniger ins Bürgerkriegsland Sudan. Äthiopien verfügt über große Stromüberkapazitäten, die noch wachsen werden: 2022 betrug die installierte Kapazität rund 4.500 Megawatt. Der Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm am Blauen Nil hat dem bis letzten August bereits 1.550 Megawatt hinzugefügt, mit der Inbetriebnahme der vierten von künftig 13 Turbinen. Insgesamt soll das riesige Wasserkraftwerk einmal 5.150 Megawatt bringen.

Die Betreiber der Kryptofarmen profitieren zudem von einer rechtlichen Grauzone. Sie können das schnelle Geld machen, bis sie, wie in der Branche teils üblich, ins nächste Land weiterziehen. Die Regierung will laut Presse zwar eine Regulierung ausarbeiten, hat bisher jedoch offenbar kaum Zugriff auf die Firmen: Die müssen nach einem Artikel von Le Monde lediglich eine "soziale Steuer" von 3 Prozent bezahlen, unklar ist worauf. "Die haben keine Ahnung oder wollen es auch gar nicht so genau wissen, was die Chinesen und Russen mit ihren Bitcoins verdienen", formuliert es ein Insider. Dabei ließe sich der Output einfach abschätzen, und zwar über den Stromverbrauch, den EEP erfasst. 

Pikant ist, dass 2022 laut Weltbank 45 Prozent der Äthiopier trotz der Überkapazitäten keinen Zugang zu Elektrizität hatten. Selbst in der Hauptstadt Addis Abeba fällt der Strom wegen großer Defizite in der Übertragung und Verteilung ständig aus. Nicht umsonst setzen die Kryptominer ihre Farmen laut Beobachtern stets direkt auf das Gelände von Umspannwerken.

Stark wachsender Technikbedarf

Der Technikbedarf der Kryptofarmen dürfte einen großen Teil der IT-Einfuhren Äthiopiens umfassen. 2021 importierte Äthiopien laut UN Comtrade Datenverarbeitungsmaschinen (SITC 75) im Wert von etwa 135 Millionen US$, 2023 waren es bereits 276 Millionen US$. Die Chinesen verbauen offenbar besonders günstige Technik aus ihrer Heimat: Sie monieren laut einem Beobachter den Mangel an Service und Teilen – den ein auch in Äthiopien etablierter Lieferant wie Huawei mit seiner ausgeklügelten Logistik sicherstellen würde. Wo die Russen ihre Technik beschaffen, ist nicht bekannt; hier gäbe es womöglich Lieferchancen auch für deutsche Anbieter. Der Vertreter eines westlichen Herstellers elektrischer Ausrüstungen schließt allerdings aus Compliancegründen Geschäfte mit der Krypto-Miner-Szene in Äthiopien aus. Fast 60 Prozent der genannten Importe kamen 2023 aus China, Malaysia war mit etwa 10 Prozent Anteil auf Platz 2 der Lieferländer, gefolgt von Indien, Polen, den USA und Südkorea mit jeweils um die 4 Prozent.

Nur wenige Lizenzen werden genutzt 

Die Angaben zur Aktivität der Kryptofarmen sind jedoch nicht gesichert. So geht eine einzelne Quelle von einer geringeren Aktivität aus. Demnach vergab die Information Network Security Administration, eine direkt dem Ministerpräsidenten unterstellte Behörde, bislang zwar 23 Lizenzen an Krypto-Miner in Äthiopien. Davon würden aber erst vier genutzt, eine weitere demnächst. Drei Firmen seien in Addis Abeba aktiv, eine weitere im Industriepark Hawassa. Tätig seien Firmen aus Japan und Russland, und "in der Vergangenheit" habe es illegale Aktivitäten durch Chinesen gegeben. 

Äthiopiens Presse nennt ebenfalls niedrige Zahlen. Zu lesen ist von Einnahmen von 55 Millionen US$, die EEP von den Kryptofarmen in den ersten zehn Monaten 2024 erzielt habe, und der Nutzung weniger hundert Megawatt Strom. Dass die dafür eingesetzte Kapazität inzwischen aber an die 1.000 Megawatt oder noch mehr erreicht, darauf lassen die Erlöse von 28 Millionen US$ alleine in den letzten drei Monaten schließen, die eine Quelle in der EEP angibt. Dies wäre viermal so viel im gesamten Fiskaljahr davor. 

Die Existenz riesiger Kryptofarmen wird zudem von Insidern bestätigt. Sie geben an, beim Besuch der Umspannstationen neben zwei Farmen - die selbst nicht zugänglich seien - einen laufenden Schürf-Stromverbrauch von jeweils rund 40 Megawatt abgelesen zu haben.

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