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Data-Center-Boom in den USA beschleunigt sich
Mit leistungsfähigeren KI-Modellen verdreifacht sich der Rechenbedarf bis 2030. Entsprechend wächst auch die Nachfrage nach effizienter Ausrüstung wie Kühl- und Elektrotechnik.
07.04.2025
Von Heiko Stumpf | San Francisco
Nvidia-Gründer Jensen Huang versuchte auf der hauseigenen GTC-Konferenz in San Jose Euphorie zu verbreiten: die Welt wird hundertmal mehr Rechenleistung für fortschrittliche KI-Systeme benötigen, als wir noch vor einem Jahr für notwendig gehalten haben, sagte er bei seiner Keynote im März 2025. Bei der Rede ging es aber auch darum, aufgekommene Zweifel zu zerstreuen.
Denn nur wenige Wochen zuvor sorgte das chinesische Start-up DeepSeek für einen Schockmoment im Silicon Valley. Das KI-Modell R1 soll laut den Entwicklern von DeepSeek mit geringerem Energieverbrauch und niedrigeren Kosten laufen - und stellte damit den künftigen Bedarf an Rechenleistung in Frage. Sorgen, die man bei Nvidia für unbegründet hält, vielmehr wird erwartet, dass die Entwicklung hin zu Reasoning Models und KI-Agenten für eine Explosion des Rechenbedarfs sorgt.
Reasoning Models - wie KI das Denken lernt
Ein traditionelles Large-Language-Modell (LLM) wie ChatGPT-4 antwortet auf eine gestellte Frage sofort. Reasoning Modelle gehen komplexe Aufgaben hingegen Schritt für Schritt an. Dabei denken sie gewissermaßen hin und her, und prüfen verschiedene Lösungswege, bevor sie eine Antwort liefern. Die dabei produzierten Datenmengen sind so groß, dass die Rechenleistung deutlich steigen muss, um schnell genug eine Antwort zu liefern. "Nutzer werden nicht bereit sein, zehnmal so lange zu warten, nur weil eine Antwort auf zehnmal mehr Daten basiert", erklärte Jensen Huang.
Auch andere Stimmen im Silicon Valley sehen die Nachfrage nach Rechenleistung ungebrochen. Dabei wird unter anderem auch auf das sogenannte Jevons-Paradox verwiesen. Selbst wenn KI-Modelle effizienter werden, könnte die Gesamtnachfrage nach Rechenleistung weiter steigen, da KI-Anwendungen billiger und vielseitiger einsetzbar werden. Hier kommen die KI-Agenten ins Spiel: darunter versteht man Systeme, die nicht nur eigenständig denken und planen, sondern auch handeln könnten. Jensen Hunag wagte sogar die Prognose, das ein Techmitarbeiter künftig von 10 KI-Agenten unterstützt. Pro Aufgabe benötigen KI-Agenten ein Vielfaches an Rechendurchläufen als bisherige Modelle.
Ausbau der Rechenkapazitäten läuft auf Hochtouren
Insofern verwundert es nicht, dass der Bau-Boom für neue Data-Center unvermindert anhält. Laut Analysen Bloom Energy dürfte die Rechenleistung in amerikanischen Data Centern bis 2030 auf 80 Gigawatt steigen, dies entspricht einem durchschnittlichen Wachstum von 20 Prozent pro Jahr. Die Beratungsgesellschaft Wood Mackenzie zählte im März 2025 insgesamt 177 Projekte, die sich im Bau oder in der Planung befinden - mit einem zugehörigen Investitionsvolumen von rund 195 Milliarden US-Dollar (US$).
Als weltweit größter Hub für Rechenzentren hat sich der Norden des US-Bundesstaates Virginia etabliert. Der lokale Stromversorger Dominion Energy beliefert in seinem Einzugsgebiet insgesamt 450 Rechenzentren mit einer Anschlussleistung von etwa 9 Gigawatt. Zusätzliche 31 Gigawatt sind durch Projektentwickler bereits angefragt. Wie genau die dafür erforderlichen Strommengen bereit gestellt werden sollen, ist noch unklar.
Großprojekte suchen nach geeigneten Standorten
Entwickler zieht es mittlerweile überall hin, wo Land und Strom ausreichend zur Verfügung stehen. Dadurch entstehen mittlerweile immer mehr Rechenzentren außerhalb etablierter Hochburgen. Meta errichtet sein bisher größtes Rechenzentrum für 10 Milliarden US$ im bislang nur landwirtschaftlich geprägten Richland Parish in Louisiana. Das gigantische Stargate-Projekt wählte den Westen von Texas als ersten Standort aus, da die Region optimale Voraussetzungen für die Energieerzeugung bietet.
Die hinter Stargate stehenden Unternehmen Open AI, Oracle und SoftBank wollen in den kommenden 4 Jahren rund 100 Milliarden US$ in den Bau von 10 neuen Data Centern investieren, jeweils mit einer Anschlussleistung von mindestens 1 Gigawatt. Auf längere Sicht sollen sogar 500 Milliarden US$ in den Aufbau einer KI-Infrastruktur gesteckt werden.
Zahlreiche Geschäftschancen für innovative Kühltechnik
Die massive Investitionswelle bietet Potentiale, die weit über die Energieerzeugung hinausgehen. Insbesondere im Bereich der Kühltechnik benötigen KI-Rechenzentren dringend neue Lösungen. Dies hängt mit immer höheren Leistungsdichten in den Server-Racks zusammen. In KI-Rechenzentren wird im Durchschnitt bereits eine Dichte 70 bis 80 Kilowatt pro Rack erreicht, in der Spitze sogar bis zu 130 Kilowatt (im Vergleich zu 12 bis 17 Kilowatt im Bereich Cloud-Computing).
Klassische Luftkühlungssysteme stoßen bei diesen Leistungsdichten an ihre Grenzen. "Wer über die Zukunft des Hochleistungsrechnens spricht, kommt an der Flüssigkeitskühlung nicht vorbei - das steht auf jeder Road Map", sagte Rich Whitmore, CEO des Kühltechnikunternehmens Motivair auf der GTC. Flüssigkeitskühlung nutzt Wasser oder spezielle Kühlmittel, womit die Wärme von Prozessoren deutlich effizienter abgeführt werden kann als mit Luftkühlung.
Laut Whitmore dürfte in den meisten künftigen KI-Rechenzentren Direct-to-Chip Liquid Cooling zum Einsatz kommen, wobei die Wärme von Prozessoren direkt über mit Flüssigkeit gekühlte Platten abgeleitet wird. Aber auch die Eintauchkühlung (Immersion Cooling) gewinnt an Bedeutung. Hierbei wird der ganze Server in eine Kühlflüssigkeit eingetaucht - was deutlich höhere Leistungsdichten erlaubt.
Dass innovative Kühllösungen dringend gebraucht werden, machte auch Jensen Huang deutlich, der auf der GTC-Konferenz bereits den nächsten Quantensprung ankündigte. Die kommenden für 2027 geplanten Rubion Ultra Prozessoren sollen in Server-Racks untergebracht werden, die eine Leistungsdichte von bis zu 600 Kilowatt erreichen. Angesichts solcher Herausforderungen wird der US-Markt für Kühltechnik in Rechenzentren weiterhin hohes Wachstum verzeichnen. Laut Research and Markets könnte bis 2030 ein jährlicher Umsatz von 8,3 Milliarden US$ erreicht werden, mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 11,6 Prozent pro Jahr.
Hoher Bedarf für Rechenzentrumstechnik - auch deutsche Anbieter profitieren
Moderne KI-Rechenzentren brauchen mehr als nur Rechenleistung: Gefragt sind vor allem leistungsstarke Kühl-, Elektro- und Netzwerktechnik. Die sich daraus ergebenden Geschäftschancen lösen in den USA bereits Investitionen deutscher und europäischer Unternehmen aus. Im Bereich der modernen Kühltechnik ist beispielsweise das Unternehmen Stulz aus Hamburg aktiv. Im Jahr 2025 will Stulz seinen insgesamt dritten Produktionsstandort in den USA eröffnen.
"Mit dem neuen Werk in Denton County in Texas wollen wir der stark wachsenden Nachfrage nach Rechenzentren begegnen – und unsere Produktionskapazitäten in den USA entsprechend ausbauen", sagt Brian Hatmaker, President, Stulz USA. Die neue Anlage soll rund 200 Mitarbeiter beschäftigen und bestehende Werke in Maryland und Tennessee ergänzen.
Auch die Nachfrage nach elektrotechnischen Komponenten wie Schalt- und Stromverteilungstechnik ist hoch. Siemens eröffnete Anfang 2025 gleich zwei neue Standorte in den USA: Pomona in Kalifornien sowie Fort Worth in Texas. Die beiden Werke werden wichtige elektrische Komponenten wie Niederspannungsschaltanlagen herstellen, um die starke Nachfrage aus dem florierenden Rechenzentrumsmarkt in den USA zu bedienen. Weitere Investitionen könnten folgen.
Schneider Electric kündigte im März 2025 an, bis 2027 insgesamt rund 700 Millionen US$ in den Ausbau von acht bestehenden Produktionsstätten in den USA zu stecken. ABB investiert bis 2026 rund 120 Millionen US$ in die Standorte Selmer, Tennessee und Senatobia, Mississippi, um die Produktion von Niederspannungstechnik zu erweitern.