Branche | Äthiopien | Nahrungsmittel, Getränke
Neue Fabriken für Nudeln und Kekse im Bau
In Äthiopien sorgt die Verbreitung westlicher Ernährungsgewohnheiten für Investitionen in die Getreideverarbeitung. Trotz Überkapazitäten werden auch Mühlen gebaut.
29.06.2022
Von Ulrich Binkert | Addis Abeba
Der Schweizer Technologiekonzern Bühler setzt mit seiner neuen Niederlassung in Addis Abeba auf Äthiopien: Dort sind gerade nicht nur etliche Mühlen im Bau, die einheimischen Getreideverarbeiter investieren auch in die Herstellung von Keksen und Nudeln. Dies ergibt sich aus einer aktuellen Aufstellung des staatlichen Food, Beverage and Pharmaceutical Industrial Development Insitute (FBPIDI).
Hinzu kommt ein Dutzend weiterer Vorhaben, von denen sich bereits die Hälfte im Bau befindet, schätzt das FBPIDI. Es sind jedoch nicht alle Projekte beim Institut registriert. Kaum Informationen hat die Behörde über neue Brotfabriken und Investitionspläne ausländischer Unternehmen. Namen der Investoren und konkrete Pläne dürfe die Behörde nicht herausgeben.
Produkt | Projekte (Anzahl) | Investitionen (Mio. US$) 2) |
---|---|---|
Mehl 1) | über 20 | 50 |
Pasta | 9 | 60 |
Kekse | 7 | 20 |
Babynahrung | 5 | 0,75 |
Investitionen in die Herstellung von Nudeln, Keksen oder Brot tätigen in Äthiopien nach Branchenangaben hauptsächlich vertikal integrierte Unternehmen. Das sind jene Firmen, die auch den Weizen mahlen. Die dem FBPIDI bei Nudeln oder Keksen gemeldeten Investitionen seien zu über der Hälfte den Mühlen zuzuordnen. Hersteller würden typischerweise auch an den Ausbau ihrer Mühlen denken, wenn sie durch ein Pasta- oder Keks-Projekt mehr Weizenmehl brauchen.
Chinesische Maschinen sind en vogue
Mit Blick auf den Technikmarkt bringt diese Nachfragestruktur Vorteile für vertikal gut aufgestellte Anbieter: Ein Maschinenbauer, der die Mühle im Angebot hat und auch die Keks- und Makkaroni-Linie, kann Projekte ganzheitlich abwickeln. Aus Kundensicht ist das ein großer Vorteil im eher schlecht bedienten äthiopischen Markt. Dieser ist dominiert von chinesischen Maschinenbauern, wohingegen sich deutsche Anbieter eher zurückhalten. Ihre hochpreisige, effiziente Technik, so manche Überlegung, ist erst mit wachsenden Produktionsstückzahlen stärker gefragt.
Hintergrund für die Investitionen ist die Ausbreitung westlicher Essgewohnheiten und die Zunahme der äthiopischen Bevölkerung. Die Menschen in den Städten essen mehr Erzeugnisse aus Weizen sowie gewerblich verarbeitete Produkte mit Mais oder Teff. Diese für Äthiopien typische Getreidesorte ist Hauptbestandteil des Nationalgerichts Injera und wird bisher kaum industriell verarbeitet. Nun steigt die Nachfrage nach Injera-Mischungen aus der Fabrik, wofür es mehr und gut gemahlenes Teff-Mehl braucht. Das FBPIDI verweist auch auf eine global steigende Beliebtheit von Teff, das im Westen als Superfood gelte. Bei Mais wiederum dürften unter anderem die boomenden Bierbrauereien mehr nachfragen.
Allerdings verstehen auch Branchenvertreter nicht immer, inwieweit etwa Mais für welches Lebensmittel verwendet wird oder letztlich doch nur – mit deutlich weniger Verarbeitungsbedarf – in Tierfutter landet. Klar scheint: Für die Verarbeitung von Getreide entstehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette kleine Industriebetriebe.
Investitionen erscheinen nicht immer rational
Die fortlaufenden Investitionen in Mühlen stoßen beim FBPIDI auf Skepsis: "Wir raten denen immer, stellt lieber mehr Nudeln, Kekse oder Brot her." Generell schauten sich manche Unternehmen vor dem Bau einer Fabrik nicht wirklich ihren Markt an. Sie konzentrierten sich auf die Nachfrage in der unmittelbaren Umgebung, wo sie den Absatz ihrer Produkte angesichts der teils schwierigen Logistik in Äthiopien überwiegend verorteten.
Eigentlich gibt es in Äthiopien schon zu viele Weizenmühlen. Das US-Agrarministerium schätzt deren Auslastung auf unter die Hälfte, Grund sei fehlender Weizen. Knapp ein Viertel davon muss teuer importiert werden, weil die äthiopische Landwirtschaft zum Beispiel wegen fehlender Silos nicht genug liefert. Dabei kommt es auch zu Marktverzerrungen durch Subventionen und zu Spekulation durch Firmen, welche die Erlaubnis zum Import und die dafür nötigen, in Äthiopien stark reglementierten Devisen bekommen. Manche Investitionsentscheidungen für den Bau von Mühlen sollen maßgeblich auf der behördlichen Erlaubnis zum Weizenimport basieren.
Zur Nudelherstellung fehlt außerdem der dafür bevorzugte Hartweizen. Davon produziert Äthiopien immer noch zu wenig, trotz eines Projektes der italienischen Entwicklungszusammenarbeit. Die meisten äthiopischen Mühlen sind dem Vernehmen nach auf Weichweizen ausgelegt. Im Ergebnis bestünden neun von zehn äthiopischen Nudeln aus Weichweizen, die gegen importierte und bessere, wenn auch teurere Ware einen schweren Stand haben. Die Mühlenbetreiber indes scheuten den Aufwand für die Umrüstung auf Hartweizen. Die Mahltechnik für das kleinkörnige Teff unterscheide sich deutlich von der bei Weizen. Der recht großkörnige Mais hingegen stellt demnach keine größeren technischen Ansprüche.
Markt ist wenig transparent
Außer dass konkrete Informationen zu Projekten fehlen, sind auch die Angaben zur bestehenden Marktstruktur oft veraltet, unklar oder widersprüchlich. Ein Grund dafür sind große Schwankungen in der Auslastung der Unternehmen. Als wichtigste Player nennt das FBPIDI die Unternehmen der nachfolgenden Tabellen, wobei der Maßstab dort die tatsächliche, derzeitige Produktion ist. In anderen, aktuell überreichten Listen weist die Behörde davon abweichende Rangfolgen aus.
Eine andere Quelle nennt als gegenwärtig größte Hersteller von Mehl - in dieser Reihenfolge - Ahmed Beshir Flour Mills vor KOJJ Flour Mills und Prima Pasta. Bei Keksen sei dies Brothers Biscuit vor Ahadukes Food Factory und Kality Foods. Anderswo wird KOJJ auch als mit Abstand größter Hersteller von Nudeln genannt vor Africa. Der vertikal integrierte Hersteller Assala habe rund 50 Millionen US-Dollar unter anderem in die Produktion von Nudeln und Keksen investiert.
Größte Brotfabrik ist laut FBPIDI Shegar der privaten Midroc-Gruppe mit einer Tageskapazität von 1,4 Millionen Laiben - vor einer offenbar staatlichen Fabrik (0,6 Millionen, andere Quellen: 1,0 Millionen) in Addis Abebas Stadtteil Lemi-Kura. Daneben gebe es lediglich handwerklich betriebene Bäckereien mit Kapazitäten bis zu 1.000 Broten pro Tag.
Unternehmen | Produkt | Tageskapazität (Tonnen) | Tagesproduktion (Tonnen) | Mitarbeiter 2) |
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Chilalo Food Complex | Spaghetti, Makkaroni | 118 | 54 | 1.890 |
Prima Food Processing | Spaghetti, Makkaroni | 100 | 55 | 214 |
Salim Wazaran Yahya Food Manufacturing | Instantnudeln | 64 | 32 | 214 |
Alvima Food Complex | Spaghetti | 66 | 32 | 205 |
Booeze Food Complex | Spaghetti | 57 | 42 | 180 |
Universal Food Complex | Spaghetti | 120 | 30 | 122 |
Unternehmen | Tageskapazität (Tonnen) | Tagesproduktion (Tonnen) | Mitarbeiter 2) |
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Two Brothers Food Complex | 283 | 120 | 2.300 |
Chilalo Food Complex | 382 | 90 | 1.890 |
Ahadukes Biscuit Factory | 98 | 28 | 480 |
Fikir Food Frocessing | 58 | 20 | 380 |
Eshet Food Processing | 82 | 50 | 160 |
Qutar Food Complex | 86 | 25 | 131 |
Unternehmen | Produkt | Tageskapazität (Tonnen) | Tagesproduktion (Tonnen) | Mitarbeiter 3) |
---|---|---|---|---|
Two Brothers Food Complex | Weizenmehl | 140 | 66 | 2.300 |
Chilalo Food Complex | Weizenmehl | 250 | 130 | 1.890 |
Fikir Food Frocessing | Weizenmehl | 164 | 45 | 380 |
Alvima Food Complex | Weizenmehl | 120 | 24 | 205 |
Oromia Agricultural Cooperatives Federation | Maismehl | 120 | 80 | 216 |
Debrezayit Flour Factory | Maismehl | 100 | 85 | 167 |
Unternehmen | Produkt | Tageskapazität (Tonnen) | Tagesproduktion (Tonnen) | Mitarbeiter 2) |
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Quarit Agro Processing | Mais-Soja-Mischungen | 120 | 60 | 180 |
Faffa Food | Mais-Soja-Mischungen, Ergänzungsnahrungsmittel | 85 | 80 | 118 |
Abay International | Mais-Soja-Mischungen | 200 | 100 | 22 |
Kidan Industrial | Mais-Soja-Mischungen | 200 | 100 | 19 |