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Markttrends
Trumps Autozölle verändern den US-Markt fundamental. Auch deutsche Autobauer sind an vielfacher Front betroffen. Die Aussichten für die Verkaufszahlen verdüstern sich.
08.04.2025
Von Heiko Stumpf | San Francisco
Für die US-Automobilindustrie wird 2025 ein turbulentes Jahr. Mit Donald Trumps Amtsantritt könnten zentrale Maßnahmen der Biden-Regierung, die den Übergang zur Elektromobilität fördern sollten, abgeschwächt oder zurückgenommen werden. Dazu zählen Steuervergünstigungen für Elektroautos und Batterien im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) sowie Emissionsrichtlinien der Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA).
Insbesondere aber sorgen Trumps Autozölle gegen den Rest der Welt für Unsicherheit. Seit dem 3. April 2025 werden in die USA importierte Pkw (inkl. Pick-ups) mit einem Sonderzoll in Höhe von 25 Prozent belegt. Ab dem 3. Mai 2025 gilt dies auch für bestimmte Kategorien von Autoteilen, darunter wichtige Komponenten wie Motoren, Getriebe und Antriebsteile.
Deutsche Autobauer von Zollpolitik unterschiedlich stark betroffen
Die US-Autozölle könnten schwer kalkulierbare Turbulenzen auslösen - nicht zuletzt weil 2024 rund die Hälfte der in den USA verkauften Fahrzeuge importiert wurden. Auch für Deutschland sind die Folgen gravierend: im Jahr 2024 wurden rund 448.000 Pkw aus der Bundesrepublik in die USA exportiert. Damit sind die Vereinigten Staaten der mit Abstand größte Auslandsmarkt für in Deutschland gebaute Autos.
Wie stark die Auswirkungen ausfallen, hängt vom Einzelfall ab. Hersteller mit eigenen US-Produktionsstätten wären zumindest teilweise geschützt: BMW etwa steht mit seinem Werk in Spartanburg, South Carolina, relativ gut da: "Rund 65 Prozent der in den USA verkauften BMW-Fahrzeuge werden hier gebaut", erklärte Konzernchef Oliver Zipse bei der Vorstellung der Zahlen für das 3. Quartal 2024.
Mercedes-Benz fertigt in Tuscaloosa, Alabama, während VW in Chattanooga, Tennessee, produziert. Bis 2026 investieren die Wolfsburger zudem rund 2 Milliarden US-Dollar (US$) in eine E-Auto-Fabrik in Blythewood, South Carolina. Die VW-Konzernmarken Audi und Porsche werden hingegen ausschließlich importiert, eigene US-Produktionsstätten gibt es bislang nicht.
BMW-Chef Zipse und Finanzvorstand von Mercedes-Benz, Harald Wilhelm warnten bereits, dass die US-Zölle mit Milliardenkosten für die jeweiligen Konzerne verbunden sind, was sich auf die Gewinnmargen auswirken wird.
US-Zölle: Deutsche Autobauer in der Mehrfach-Klemme
Die US-Autozölle treffen deutsche Autobauer gleich mehrfach: beim Export aus Europa, an den Produktionsstandorten in den USA und bei den Werken in Mexiko, die ihren Freihandelsvorteil verlieren.
Exporte aus Europa werden teurer: Deutsche Autobauer exportieren aus ihren EU-Werken vor allem Limousinen und andere klassische Pkw in die USA (Coupés, Kombis etc.). Der amerikanische Einfuhrzoll war für diese Fahrzeuge mit 2,5 Prozent bislang gering. Für sogenannte Light Trucks, darunter viele SUVs, galt hingegen schon seit den 1960er Jahren ein höherer Einfuhrzoll von 25 Prozent. Nun steigen die Tarife deutlich. Für Limousinen wird ab sofort ein Zollsatz von 27,5 Prozent fällig ( 2,5 Prozent bisheriger Zoll plus 25 Prozent Sonderzoll). Für Light Trucks steigt der Zolltarif auf 50 Prozent.
An den US-Standorten drohen höhere Kosten: Um den hohen Einfuhrzoll auf Light Trucks zu umgehen, haben deutsche Hersteller in den USA gezielt die Herstellung von schweren Fahrzeugen wie SUVs aufgebaut. BMW etwa in Spartanburg, Mercedes-Benz in Tuscaloosa und VW in Chattanooga. Als Folge der US-Autozölle könnte die Produktion an diesen Standorten ausgebaut werden. Mercedes-Benz denkt bereits darüber nach, in Tuscaloosa ein zusätzliches Modell vom Band laufen zu lassen. Zur Zeit werden dort unter anderem die Modelle GLE und GLS gebaut. Laut Handelsblatt prüfen Audi und Porsche bereits die Möglichkeit einer US-Produktion in Chattanooga.
In den US-Werken sind die deutschen Hersteller aber weiterhin auf Kfz-Teile aus dem Ausland angewiesen. Da viele wichtige Komponenten ebenfalls von US-Autozöllen betroffen sind, drohen steigende Kosten. Laut Presseberichten erreicht Mercedes-Benz in Tuscaloosa einen US-Anteil an der Wertschöpfung von 35 bis 40 Prozent. Für BMW wird ein Wert von knapp einem Drittel genannt.
Im Kreuzfeuer von Gegenzöllen: Der US-Markt ist groß, aber nicht groß genug, um riesige Werke auszulasten. Deswegen haben BMW und Mercedes-Benz ihre US-Standorte zu großen Export-Hubs für SUVs ausgebaut. In Spartanburg, South Carolina steht beispielsweise das größte eigenständige BMW-Werk der Welt. Von den rund 396.000 Fahrzeugen, die 2024 dort gefertigt wurden, gingen mit 225.000 Stück mehr als die Hälfte in den Export. Mercedes-Benz erzielt in Tuscaloosa eine Exportquote von rund 60 Prozent. Nun ruft Trumps aggressive Handelspolitik Gegenmaßnahmen in wichtigen Exportmärkten wie China hervor, welche Exporte aus den USA belasten.
Kein Freihandel mehr für Autos in Nordamerika: Alle drei deutschen Autobauer – BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen – haben in eigene Werke in Mexiko investiert. Dies geschah auch im Vertrauen auf den freien Handel in Nordamerika und die Möglichkeit, von Mexiko aus den US-Markt zu bedienen. Im Jahr 2024 wurden rund 42 Prozent der von VW in den USA verkauften Fahrzeuge in Mexiko produziert. Dies betrifft beispielsweise die Modelle Jetta, Tiguan und Taos. Bei BMW lag der Anteil der aus Mexiko importierten Fahrzeuge bei etwa 10 Prozent.
Nun kündigt Trump das während seiner ersten Amtszeit ausgehandelte Freihandelsabkommen USMCA für den Automobilsektor weitgehend auf. Für in Mexiko gebaute Autos gilt nun ein Zollsatz von 25 Prozent.
Nach über 30 Jahren wieder Autozölle in Nordamerika
Das faktische Ende des freien Handels in Nordamerika trifft die Autoindustrie besonders hart. "In den letzten Jahrzehnten ist durch die Freihandelsabkommen NAFTA und USMCA eine eng vernetzte Zulieferkette in der nordamerikanischen Automobilindustrie entstanden", erklärt Sven Beiker von Silicon Valley Mobility. "Hersteller haben ihre Werke strategisch zwischen den USA, Mexiko und Kanada positioniert. Komponenten passieren oft mehrfach die Grenze, bevor das fertige Auto in den USA verkauft wird“, so Beiker.
Nun kam jedoch der Todesstoß, denn die neuen Autozölle gelten auch für Fahrzeuge, die in Mexiko und Kanada gefertigt werden (lediglich ein in den USA gefertigter Anteil wird angerechnet). Kfz-Teile aus Kanada und Mexiko bleiben vorerst zollfrei - aber nur übergangsweise, bis ein Mechanismus zur Berechnung des US-Anteils festgelegt ist.
Als Erstes trifft dies die zahlreichen Autohersteller, die Werke in Mexiko und Kanada betreiben. Laut der Beratungsfirma Bernstein wurden im Jahr 2024 knapp 22 Prozent der in den USA verkauften Fahrzeuge in Mexiko oder Kanada gefertigt.
Aber auch die Produktionskosten in den US-Werken dürften deutlich steigen. Etwa 40 Prozent der in US-Werken verbauten Kfz-Teile stammen aus Mexiko, weitere 20 Prozent werden aus Kanada geliefert. Bei einem Zollsatz von 25 Prozent dürften viele Zulieferbetriebe auf Dauer nicht mehr profitabel sein. Die einzige Überlebenschance bestünde darin, die Zölle an die Autobauer weiterzugeben, was zu steigenden Preisen bei Neuwagen führt.
des weltweiten Pkw-Absatzes dürften 2025 auf den US-Markt entfallen.
Prognose von S&P Global Mobility
Die Absatzprognosen werden nach unten korrigiert
Die Folgen von Trumps Zollpolitik dürften sich auch in den Absatzzahlen niederschlagen. Die Hoffnungen auf steigende Verkaufszahlen schwinden bereits. Für 2025 hatten die Analysten von Cox Automotive zunächst einen Pkw-Absatz (einschließlich Pick-ups) von 16,3 Millionen Fahrzeugen prognostiziert - dies wäre ein Plus von 1,9 Prozent. Sollten die verhängten Autozölle bestehen bleiben, rechnet Cox Automotive nur noch mit 15,5 Millionen verkauften Fahrzeugen. Gegenüber dem Vorjahr würde dies sogar einen Rückgang um etwa 2,5 Prozent bedeuten.
Zu Beginn dürften die Autozölle zusätzliche Kunden in die Autohäuser treiben, die sich noch schnell ein gutes Angebot sichern wollen. "Nach einem kurzfristigen Anstieg der Nachfrage rechnen wir jedoch mit einem Rückgang der Verkaufszahlen, steigenden Preisen für Neuwagen und der Streichung einzelner Modelle",sagt Jonathan Smoke, Chief Economist von Cox Automotive. Laut der Anderson Economic Group könnten die Preise für in USA gebaute SUV infolge der Zölle um 10.000 bis 12.000 US$ steigen, bei importierten SUV sogar um bis zu 20.000 US$.
Nachfrage nach Geländewagen und Pick-ups ist ungebrochen hoch
Mit einem Anteil von knapp 80 Prozent ist der US-Automarkt wie kaum ein anderer von SUV und Pick-ups geprägt. Sie stehen in der US-Automobilkultur sinnbildlich für Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit. Meistverkauftes Modell ist seit 43 Jahren der Ford F-150. Sedans werden dagegen immer mehr an den Rand gedrängt. Ihr Marktanteil schrumpfte von etwa 50 Prozent im Jahr 2012 auf zuletzt nur noch knapp 20 Prozent.
Bei den Herstellern verteidigte General Motors (GM) seine Spitzenposition. Unter den deutschen Autobauern weist VW mit 659.587 Fahrzeugen die höchste Verkaufszahl aus. Für die Zukunft verfolgt der Konzern ehrgeizige Ziele: Bis 2030 soll sich der Marktanteil in den USA auf 8 Prozent verdoppeln. Unter den Luxusmarken sicherte sich BMW die Spitzenposition mit 399.410 verkauften Wagen, während Mercedes-Benz 374.101 Stück absetzte.
Hersteller | Absatz | Veränderung 2024/2023 | Marktanteil 2024 |
---|---|---|---|
GM | 2.689.346 | 4,3 | 16,8 |
Toyota | 2.332.623 | 3,7 | 14,5 |
Ford | 2.065.161 | 4,2 | 12,9 |
Hyundai/Kia | 1.708.293 | 3,4 | 10,7 |
Honda | 1.423.857 | 8,8 | 8,9 |
Stellantis | 1.309.891 | -14,6 | 8,2 |
Nissan/Mitsubishi | 1.033.851 | 4,8 | 6,4 |
Subaru | 667.725 | 5,6 | 4,2 |
VW | 659.587 | 2,9 | 4,1 |
Tesla *) | 622.600 | -6,0 | 3,9 |
Der Kfz-Bestand in den USA dürfte 2024 die Schwelle von 290 Millionen Fahrzeugen überschreiten. Das Pkw-Durchschnittsalter erreichte einen Höchststand von 12,6 Jahren. Dies schafft Chancen im Aftermarket: Nach Einschätzung der Automotive Aftermarket Suppliers Association könnte der US-Markt 2024 ein Volumen von 535 Milliarden US$ erreichen – und bis 2026 auf 576 Milliarden US$ wachsen.