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Klimaschutz-AtlasKlimaziele: Argentinien muss weiter nachjustieren
Das lateinamerikanische Land hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt, doch die zur Umsetzung erforderlichen Maßnahmen bleiben bislang schwammig.
04.09.2023
Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires
Argentinien gehört zu den Unterzeichnerstaaten des Pariser Klimaschutzabkommens und hat mit der Verabschiedung des Gesetzes 27.270 im September 2016 seine damit eingegangen Verpflichtungen ratifiziert. Bis 2050 will Argentinien laut mehrfacher Ankündigung der Regierung klimaneutral sein. Für 2030 wurden die Klimaziele sogar nachgeschärft:
- Im Dezember 2020 legte Argentinien seinen zweiten nationalen Beitrag (Nationally Determined Contributions, NDC) vor und sagte darin zu, seine Emissionen bis 2030 auf 359 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent (MtCO2e) zu begrenzen. Dies würde eine Reduzierung der Emissionen um 2,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2016 bedeuten.
- Ende 2021 legte Argentinien noch eins drauf. Nach dem aktuellen Ziel sollen die Nettoemissionen 349 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent im Jahr 2030 nicht überschreiten.
Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion soll steigen
Das Staatssekretariat für Energie legte im Oktober 2021 Leitlinien für einen Energiewendeplan bis 2030 vor. In diesen Leitlinien zur Begrenzung der energiebedingten Emissionen werden verschiedene Szenarien zur Stromversorgung erörtert mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten beim Ausbau erneuerbarer Energieträger. Im Szenario "Energiewende mit nationalen Kapazitäten“ (REN 20) würde der Anteil der Erneuerbaren bis 2030 insgesamt 20 Prozent der Stromerzeugung erreichen, im Szenario "Energiewende mit beschleunigtem Ausbau der Erneuerbaren" (REN 30) 30 Prozent. Das bisher geltende Gesetz 27.191 sieht einen Anteil Erneuerbarer von 20 Prozent bereits für 2025 vor. Staatspräsident Alberto Fernández hat sich jedoch für das 30-Prozent-Ziel für 2030 ausgesprochen.
Nationaler Klimaplan in Kraft
Auf Basis des Gesetzes 27.520 von 2019 über Mindeststandards für die Anpassung und die Eindämmung des globalen Klimawandels wurde im November 2022 auf der UN-Konferenz COP 27 in Sharm El-Sheikh endlich der erwartete "Nationale Plan zur Anpassung und Eindämmung des Klimawandels bis 2030" präsentiert. Beteiligt waren das interministerielle Nationale Klimawandel-Kabinett (GNCC) in Abstimmung mit verschiedenen Regierungsbereichen, der öffentlichen Verwaltung auf Bundesebene, dem Bundesrat für Umwelt COFEMA (Vertreter der Provinzen) und verschiedenen Akteuren der Zivilgesellschaft.
Im Zentrum des Plans stehen die beiden Begriffe "Abschwächung" (mitigacíon) und "Anpassung" (adaptación). Das Ziel in Bezug auf die Abschwächung sieht vor, dass die Nettoemissionen im Jahr 2030 den Wert von 349 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent nicht überschreiten. Bei der Anpassung sollen Kapazitäten aufgebaut werden, um die Widerstandsfähigkeit in den argentinischen Regionen und Sektoren zu stärken.
Das Dokument enthält 250, allerdings sehr schwammige, Maßnahmen wie
- "die Entwicklung einer nationalen Vision und eines Narrativs über die Verluste und Schäden, die mit dem Klimawandel verbunden sind",
- "die Förderung zur Gründung eines Runden Tisches zum Klimawandel und zur Gesundheit im Gesundheitsministerium",
- "die Sensibilisierung der Gemeinden zu den Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit",
- "die Entwicklung eines Steuersystems zu nachhaltigen Finanzen" oder
- "die Formulierung und Implementierung einer nationale Strategie für nachhaltige Finanzen".
Diese Maßnahmen sollen auf der Grundlage folgender "sechs strategischer Achsen" bis 2030 umgesetzt werden:
- Erhalt der biologischen Vielfalt und der Gemeingüter,
- nachhaltige Bewirtschaftung von Nahrungsmittelsystemen und Wäldern,
- nachhaltige Mobilität,
- nachhaltige und widerstandsfähige Gebiete,
- Energiewende und
- produktive Transition
Die Gesamtkosten für die Umsetzung des Plans werden auf 185 Milliarden US$ geschätzt.
Wie vor diesem Hintergrund das Pariser Abkommen erfüllt werden kann, ist zumindest fraglich. Schon die bis 2030 gesetzten Ziele sind nicht ausreichend, um Argentinien auf dem 1,5-Grad-Pfad zu halten. Das geht aus Berechnungen der Organisation Climate Transparency hervor. Dazu bedürfe es einer weiteren Absenkung des offiziellen Zielwerts für 2030 um zusätzlich ein Drittel.
Wenig spürbare Steuer auf Kohlendioxidemissionen
Als wenig "bissig" zeigt sich auch die 2018 eingeführte CO2-Steuer. Sie gilt für die meisten flüssigen Brennstoffe, allerdings nicht für Erdgas, den im Land am häufigsten verwendeten fossilen Brennstoff. Deshalb trifft sie nur geschätzte 20 Prozent der Emissionen des Landes. Sie wird in argentinischen Pesos (arg$) festgesetzt. Die Steuersätze lagen zum 1. April 2023 je nach Brennstoff zwischen 16,07 Pesos (Gasöl) und 37,71 Pesos je Liter (Kerosin). Umgerechnet entsprach dies zum Zeitpunkt der Einführung zwischen 0,08 und 0,18 US$. Die Aktualisierung der Sätze hinkt der aktuell enormen Geldentwertung von 100 Prozent jährlich hinterher.
Ein Handelssystem für Kohlendioxid gibt es in Argentinien bisher nicht.
Unternehmen wollen auf Nachhaltigkeit achten
Auch wenn die argentinische Politik angesichts der wirtschaftlichen Talfahrt des Landes und bei einer Armutsquote von mehr als 40 Prozent im Wahljahr 2023 andere Prioritäten setzt als den Klimawandel, so will sich wenigstens die Wirtschaft zunehmend nachhaltig aufstellen. Dies ergab zumindest eine von SAP in Auftrag gegebene Befragung. Motivation dafür sind weniger regulatorische Vorgaben, als vielmehr die Sorge um den Ruf der Firma und die persönliche Einstellung der Mitglieder der Unternehmensführung. Für eine Mehrheit der Befragten (53 Prozent) ist Nachhaltigkeit gar Teil des Unternehmenszwecks.
Jahr | Ist-Werte | Ziele |
---|---|---|
1990 | 292,7 | |
2000 | 337,4 | |
2010 | 434,8 | |
2018 | 405,0 | |
2030 | 349,0 | |
2050 | Netto-Null-Ziel |