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Branche | Aserbaidschan | Wassersektor

Wasser- und Abwasserbranche offen auch für deutsches Engagement

Aserbaidschan will die Trinkwasserversorgung deutlich ausbauen und mehr in die Abwasserwirtschaft investieren. Know-how und Technologien aus dem Ausland sind gefragt.

Von Uwe Strohbach | Baku

Die Sektoren Wasserversorgung und -entsorgung stehen in Aserbaidschan vor großen Herausforderungen. Trinkwasser rund um die Uhr und eine geregelte Kanalisation sind längst noch nicht überall im Land der Standard. Zudem entspricht die vorhandene Infrastruktur nur selten europäischen Standards und benötigt eine umfassende Sanierung.

Starkes Interesse an Partnerschaften mit ausländischen Akteuren

Für berechtigte Hoffnung, dass sich in den Bereichen Trinkwasser und Abwasser zukünftig vielversprechende Geschäftschancen bieten – auch für deutsche Spezialisten – sorgt die neue "Nationale Strategie für die effektive Nutzung von Wasserressourcen 2040". Sie wird seit Herbst 2024 umgesetzt und enthält unter anderem für den Zeitraum 2025 bis 2027 ein Aktionsprogramm, das den aktuellen Handlungsbedarf umreißt. Im Fokus stehen dabei:

  • Sanierung und Ausbau der Trinkwasser- und Abwasserinfrastruktur; 
  • Pilotprojekte für die Meerwasserentsalzung;
  • Pilotprojekte für die Wiederverwendung von Abwasser als Betriebswasser;
  • Pilotprojekte für die wirtschaftliche Nutzung von Regenwasser;
  • Messstationen für hydrologische, hydrogeologische und meteorologische Werte;
  • Ausrüstungen für das Wassergütemonitoring und smarte Systeme für Überwachungsstationen;
  • internetbasierter Atlas der landesweiten Wasserressourcen;
  • Integration erneuerbarer Energien in wasserwirtschaftliche Objekte;
  • Aus- und Weiterbildung von Fachkräften;
  • Schutz vor Überschwemmungen der Kanalisation bei Starkregen, ein insbesondere die Hauptstadt Baku betreffendes Problem;
  • Neubewertung und optimierte Nutzung der Grundwasserressourcen in der Region Karabach für die Trinkwasserversorgung (aktuelle Schätzung: 2,1 Milliarden Kubikmeter).
Mehr Anschlüsse, weniger VerlusteZielsetzungen der Wasserstrategie bis 2030
Indikator

2025

2026

2027

2030 

Anschlussdichte der Wasserversorgung (in % der Bevölkerung großer Städte) *)

75

80

85

90

Wasserverluste der Wasserversorgung (in % des Bruttowasseraufkommens)

36

34

33

30

Anschlussdichte der Abwasserentsorgung (in % der Bevölkerung großer Städte) 

41

42

43

47

*) Ein Anschluss bedeutet nicht automatisch auch eine stabile Wasserversorgung. Unterbrechungen von durchschnittlich zwei Stunden sind die Regel (SAIDI-Wert für 2023).Quelle: "Nationale Strategie für die effektive Nutzung von Wasserressourcen 2040" 2024

Ansprechpartner vor Ort für ausländische Lieferanten von Ausrüstungen und Investoren sowie für Anbieter von Know-how ist die staatliche Agentur für Wasserressourcen (Azərbaycan Dövlət Su Ehtiyatları Agentliyi; ADSEA). Sie koordiniert sämtliche Aktivitäten im Land mit einem Bezug zum Medium Wasser – Trinkwasser, Abwasser, Bewässerung.

Neue Behörde bündelt Zuständigkeiten im Wassersektor

Als staatliche Agentur ist die ADSEA seit 2024 für sämtliche Aktivitäten in der Wasser- und Bewässerungswirtschaft zuständig. Unter dem Dach der neuen Institution kümmern sich fünf Unterbehörden um die verschiedenen Zweige des Wassersektors. Die Neuordnung soll Verwaltungsabläufe optimieren.

Branchenkenner sehen die Konzentration in einer Behörde kritisch. Ihrer Einschätzung nach sollten vielmehr die Kommunen oder der Privatsektor die Themen Trink- und Abwasser verantworten, das Landwirtschaftsministerium die öffentliche Bewässerungswirtschaft.

Die aserbaidschanische Seite ist insbesondere an fortschrittlichen Technologien und dem Fachwissen erfahrener ausländischer Partner interessiert. Entsprechend wurde mittlerweile auch der Wassersektor für Aktivitäten der privaten Hand im Wassersektor im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften (Public-private partnership; PPP) geöffnet.

Saudi-arabisch-türkisches Firmenkonsortium errichtet erste Anlage zur Meerwasserentsalzung

Das bislang einzige Beispiel für eine PPP mit einem ausländischen Partner in der Wasserwirtschaft Aserbaidschans ist eine Anlage zur Entsalzung von Wasser aus dem Kaspischen Meer. Für ihren Bau und anschließenden Betrieb erhielten Anfang 2025 ACWA Power aus Saudi-Arabien und IC İçtaş İnşaat aus der Türkei gemeinsam den Zuschlag. Sie wird im Industriepark Sumqayıt (Sumgait) im Nordwesten der Hauptstadt Baku errichtet. Nach der Inbetriebnahme der Anlage, die für etwa Mitte 2027 geplant ist, soll sie rund 300.000 Kubikmeter Trinkwasser pro Tag für den Großraum Baku bereitstellen können. Die Laufzeit des PPP-Projekts beträgt 27,5 Jahre. Als technischer Berater ist die Mekorot National Israel Water Co. aus Israel mit eingebunden.

Es wäre die erste Möglichkeit zur Meerwasserentsalzung für das Land. Es liegt laut Experten auf der Hand, dass Aserbaidschan weitere solche Anlagen gebrauchen könnte, um seinen Trinkwasserbedarf langfristig abzusichern. Ob es weitere dieser kostspieligen Vorhaben geben wird, hängt vom Erfolg des Pilotprojekts der Firmen aus Saudi-Arabien und der Türkei ab.

Milliardenschwere Investitionen im Wassersektor vonnöten

Der Kapitalbedarf der Branche ist gewaltig. Allein die Lösung der Trinkwasser- und Abwasserprobleme im Ballungsgebiet Baku (Halbinsel Abşeron) dürfte umgerechnet 12 Milliarden US-Dollar (US$) verschlingen, so ADSEA-Schätzungen. Im Großraum der aserbaidschanischen Hauptstadt lebt etwa ein Drittel der insgesamt rund 10 Millionen starken Bevölkerung des Landes.

Die Kosten, um die dringendsten Aufgaben innerhalb der nächsten zehn Jahre zu lösen, beziffern Experten der Weltbank auf 3,5 Milliarden US$. Dieser Betrag könnte um 800 Millionen US$ niedriger ausfallen, sollten korrektive Eingriffe ins Wassermanagement und in die Tarifpolitik sowie ein gezieltes Minimieren der Wasserverluste im Leitungsnetz von Erfolg gekrönt sein. Um die vorrangigsten Vorhaben umsetzen zu können, wird sich die öffentliche Hand stärker als bisher einbringen.   

Zuletzt standen die Budgetmittel jedoch nicht immer wie geplant bereit, was dazu führte, dass manches laufende Wasserprojekt langsamer als erhofft vorankam. Das Statistikkomitee gibt die Investitionen der gesamten Branche im Zeitraum 2022 bis 2024 mit durchschnittlich knapp 500 Millionen US$ pro Jahr an. Aus dem Staatshaushalt wird der Sektor 2025 rund 320 Millionen US$ erhalten. Weitere öffentliche Gelder stehen für Wasservorhaben in der Region Karabach bereit. Hinzu kommen internationale Finanzhilfen und privates Kapital in einem jeweils überschaubaren Rahmen.

Die Agentur für Wasserressourcen ist Mitinitiator der Baku Water Week, einer neuen spezialisierten internationalen Fachmesse und -konferenz für Wasserwirtschaft. Zum Debüt der Messe im März 2024 beteiligten sich 90 Unternehmen aus 16 Ländern. Die Folgeveranstaltung ist vom 10. bis 12. September 2025 geplant.

Zu den aktuell aktiven internationalen Geldgebern zählt beispielsweise die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Sie sagte Anfang 2025 eine weitere Tranche zu, um ein bereits seit längerer Zeit laufendes, größeres Wasserprojekt fortzuführen. Das neue Darlehen beläuft sich auf 35 Millionen Euro. Insgesamt kostet das Vorhaben in Gəncə (Gandscha), der drittgrößten Stadt des Landes, etwa 410 Millionen Euro.

Wichtige Kenndaten der Wasserwirtschaft AserbaidschansIn Millionen Kubikmeter
 

2023

Frischwasserverbrauch

9.772

  Trinkwasser (Haushalte und Kleingewerbe)

343

  Industrie

2.145

  Bewässerung, landwirtschaftliche Versorgung

7.239

Wasserverluste

3.034

Abwassereinleitung

4.986

Quelle: Staatliches Statistikkomitee 2025

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