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Branche kompakt | Australien | Medizintechnik

Importbedarf für Medizintechnik steigt kontinuierlich an

Demografische Entwicklungen fordern das Gesundheitswesen heraus. Ein Ausbau der Kapazitäten kommt in Gang. Die Medizintechniknachfrage wird vor allem durch Importe gedeckt.

Von Heiko Stumpf | Sydney

  • Marktentwicklungen und -trends

    Der Absatz von Medizintechnik profitiert von einem steigenden Behandlungsbedarf. Die Bundesstaaten investieren hohe Summen in den Ausbau der Gesundheitsinfrastruktur.

    Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen nimmt zu

    Australiens Markt für Medizintechnik wächst stabil. Zahlen des Marktforschungsinstituts Ibis World beziffern das lokale Absatzvolumen im Finanzjahr 2020/2021 (Juli bis Juni) auf umgerechnet rund 7 Milliarden US-Dollar (US$). In der zuletzt veröffentlichten Prognose von Oktober 2021 wird bis 2026/2027 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von nominal rund 2 Prozent erwartet  - auf Basis der Landeswährung. Prognosen von Fitch Solutions erwarten bis 2026 hingegen ein deutlich höheres Umsatzwachstum mit einer jährlichen Steigerungsrate von durchschnittlich 6,7 Prozent (nominal, auf Basis der Landeswährung).


    Markt für Medizintechnik in Australien

    2019/2020 (in Mio. $A)

    2019/2020 (in Mio. US$) 1)

    2020/2021 (in Mio. $A)

    2020/2021 (in Mio. US$) 1)

    2021/2022 (in Mio. $A) 2)

    2021/2022 (in Mio. US$) 1)  2)

    Lokale Produktion

    4.881

    3.393

    5.050

    3.488

    5.150

    3.870

    Import

    6.354

    4.417

    6.721

    4.642

    6.801

    5.110

    Export

    1.741

    1.210

    1.579

    1.090

    1.740

    1.307

    Marktvolumen

    9.494

    6.600

    10.192

    7.039

    10.211

    7.673

    jeweils Finanzjahr 1. Juli bis 30. Juni; 1) Umgerechnet anhand der Jahresdurchschnittskurse 2019: 1 $A = 0,6952 US$; 2020: 1$A = 0,6906 US$; 2021: 1 $A = 0,7514 US$; 2) PrognoseQuelle: IBIS World

     

    Die Gesundheitseinrichtungen des Landes müssen eine wachsende Bevölkerung versorgen. Nach einer vorübergehenden Stagnation infolge der Coronapandemie dürfte die Einwohnerzahl Australiens in den kommenden Jahren wieder deutlich steigen. Getrieben von einer hohen Zuwanderung wird für 2023 ein Anstieg um rund 1,2 Prozent prognostiziert, dies entspricht einem Zuwachs von mehr als 300.000 Menschen. In den Folgejahren dürfte sich das Tempo weiter steigern.

    In den vergangenen vier Jahren nahmen die Krankenhauseinweisungen um durchschnittlich 2 Prozent zu. Insgesamt gab es 2020/2021 rund 11,8 Millionen stationäre Behandlungen. Davon entfielen etwa 43 Prozent auf die Altersklasse der über 65-Jährigen. Infolge einer längeren Lebenserwartung soll diese versorgungsintensive Bevölkerungsgruppe bis 2040 von derzeit rund 4,3 Millionen Menschen auf 5,6 Millionen wachsen. Dies entspräche einem Anteil von 18,9 Prozent an der Gesamtbevölkerung.

    Zudem befinden sich lebensstilbedingte und chronische Krankheiten auf dem Vormarsch. Nach Daten des nationalen Statistikamtes litten 2020/2021 bereits 46,6 Prozent der Bevölkerung an mindestens einer chronischen Erkrankung. Pro Jahr wurden in Australien zuletzt etwa 150.000 Krebserkrankungen diagnostiziert. Mit einem Anteil von 30 Prozent ist Krebs die häufigste Todesursache, gefolgt von Herzleiden (10,3 Prozent) und Demenzerkrankungen (9 Prozent).

    Diese Entwicklungen spiegeln sich in steigenden Gesundheitsausgaben. Im Finanzjahr 2019/2020 verschlang das Gesundheitssystem umgerechnet rund 140 Milliarden US$. Auf Basis der Landeswährung stiegen die Ausgaben seit 2009/2010 um durchschnittlich 5,3 Prozent pro Jahr. Beobachter erwarten, dass sich die Kostenspirale fortsetzt und prognostizieren für die kommenden fünf Jahre ein durchschnittliches Wachstum von etwa 4,5 Prozent (auf Basis der Landeswährung).

    Privater Krankenhaussektor konzentriert sich auf Routineeingriffe

    Branchenkenner berichten, dass komplexe und innovative Medizintechnik in der Regel zuerst im öffentlichen Sektor Anwendung findet. Im Finanzjahr 2019/2020 gab es insgesamt 695 öffentliche Krankenhäuser mit 62.575 Betten. Diese verfügen über die erforderliche Ausstattung für kritische Eingriffe, insbesondere für die Versorgung von Polytrauma. Daher finden Notfall- und Intensivbehandlungen vor allem im öffentlichen Sektor statt (86 Prozent aller Notoperationen).

    Der private Krankenhaussektor besteht aus 235 Kliniken mit rund 30.000 Betten. Werden private Tageskliniken hinzugewählt, ergibt sich eine Gesamtzahl von etwa 657 Einrichtungen. Dabei ist eine starke Spezialisierung auf elektive Eingriffe erkennbar. Im Finanzjahr 2021/2022 fanden rund 68 Prozent aller planbaren Eingriffe in privaten Krankenhäusern statt.

    Ein gewisses Mitspracherecht haben im Privatsektor die Ärzte, die Implantate häufig direkt bestellen. Die Klinikbetreiber beschaffen hingegen die allgemeine technische Ausstattung.

    Bundesstaaten investieren in die Gesundheitsinfrastruktur

    Der Bau und Betrieb der öffentlichen Krankenhäuser ist Aufgabe der Bundesstaaten. Um den steigenden Behandlungsbedarf zu stemmen, werden große Ausbauprogramme auf den Weg gebracht. Die höchsten Investitionen tätigt der bevölkerungsreichste Staat New South Wales mit der Metropole Sydney. In den kommenden vier Jahren werden 8,9 Milliarden US$ in den Neu- und Ausbau von rund 110 Gesundheitseinrichtungen gesteckt.

    Queensland will bis 2026 rund 2.200 neue Krankenhausbetten schaffen und stellt 7,4 Milliarden US$ zur Verfügung. Zu den Vorhaben zählen der Neubau des Bundaberg Hospitals mit 121 Betten (902 Millionen US$) sowie die Erweiterung des Townsville University Hospital mit 143 Betten (387 Millionen US$). In Victoria besteht eine Projekt-Pipeline von 65 Gesundheitsvorhaben mit einem Investitionsvolumen von 6,6 Milliarden US$.

    Aktuelle Investitionsvorhaben im Gesundheitssektor in Australien (Auswahl; Investitionssummen in Millionen US-Dollar)

    Projekt

    Investitionssumme

    Anmerkung

    New Women's and Children's Hospital

    1.465

    Krankenhausneubau in Adelaide mit mehr als 300 Betten. Geplanter Baubeginn Ende 2022. Fertigstellung im Jahr 2026.

    New Footscray Hospital

    1.127

    Krankenhausneubau in Melbourne mit mehr als 500 Betten. Private Public Partnership. In Bau bis 2025.

    Bankstown Hospital

    977

    Krankenhausneubau in Sydney. Geplanter Baubeginn 2023 mit Fertigstellung bis Ende 2029.

    Melton Hospital

    827

    Krankenhausneubau in Melbourne mit mehr als 100 Betten. Geplanter Baubeginn 2024 mit Fertigstellung 2029.

    Nepean Hospital Redevelopment

    751

    Krankenhausmodernisierung in Sydney. Erweiterung auf über 700 Betten. In Bau bis 2026.

    John Hunter Health and Innovation Precinct

    627

    Krankenhauserweiterung in Newcastle mit insgesamt über 800 Betten. Neubau der Notaufnahme und Intensivstation. In Bau bis 2026.

    Royal Prince Alfred Hospital Redevelopment

    564

    Krankenhauserweiterung in Sydney mit 300 zusätzlichen Betten (derzeit rund 900 Betten). Erweiterung der Notaufnahme und Intensivstation. Geplanter Baubeginn Ende 2022 mit Fertigstellung 2029.

    WA Comprehensive Cancer Centre

    564

    Krankenhausneubau in Perth mit 140 Betten. In Planung mit möglicher Fertigstellung bis 2026.

    New Shellharbour Hospital

    526

    Krankenhausneubau in Wollongong. Geplanter Baubeginn 2023 mit Fertigstellung bis 2028.

    Launceston General Hospital Redevelopment

    501

    Krankenhauserweiterung in Launceston auf Tasmanien. Derzeit rund 360 Betten. Erweiterung um mindestens 76 Betten. Realisierung in mehreren Stufen bis 2032.

    Umgerechnet anhand des durchschnittlichen Wechselkurses von 2021: 1 $A = 0,7514 US$Quelle: Australia and New Zealand Infrastructure Pipeline, Recherchen Germany Trade & Invest

    Auch der private Krankenhaussektor expandiert. Nach Marktstudien von Jones Lang LaSalle (JLL) sollen bis 2030 etwa 2.200 neue Privatbetten entstehen. Marktführer ist Ramsay Healthcare mit 72 Einrichtungen in Australien. Zu den aktuellen Projekten gehört der Neubau des Northern Private Hospital in Melbourne mit 126 Betten (bis 2027) sowie das Townsville Hospital mit 24 Betten (bis 2024). Der Konkurrent Healthscope betreibt 43 private Kliniken in Downunder und verdoppelt bis 2023 die Kapazitäten des Nepean Private Hospitals in Penrith (derzeit 109 Betten).

    Universelles Gesundheitssystem auf Basis von Medicare

    Das australische Gesundheitswesen basiert auf einem komplexen Zusammenspiel zwischen öffentlichem und privatem Sektor im Rahmen des Medicare-Systems. Dieses ermöglicht der gesamten Bevölkerung eine kostenlose Behandlung in den öffentlichen Krankenhäusern. Ausgenommen sind lediglich bestimmte Personengruppen mit vorübergehender Aufenthaltserlaubnis.

    Auch der Besuch von privaten Gesundheitseinrichtungen wird durch Medicare bezuschusst. Dafür sind im Rahmen des Medicare Benefits Schedule (MBS) die Gebühren für über 5.700 medizinische Maßnahmen festgelegt. Bei einer ambulanten Behandlung wird den Patienten durch Medicare zwischen 100 Prozent und 85 Prozent der MBS-Gebühr erstattet. In privaten Krankenhäusern liegt der Erstattungsanteil nur bei 75 Prozent des jeweiligen MBS-Satzes.

    Medicare wird zum Großteil durch Steuermittel gedeckt. Die Patienten tragen hingegen nur einen geringen Anteil (regulärer Beitragssatz 2 Prozent des Einkommens). Rund 70 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben in Australien wurden 2019/2020 aus öffentlichen Kassen bezahlt.

    Die im Privatsektor tätigen Ärzte können für ihre Leistungen jedoch auch Gebühren über dem MBS-Niveau verlangen, sodass es häufig zu hohen Zuzahlungen kommt. Eine Behandlung in einer Privatklinik ist deshalb in der Regel nur für Patienten erschwinglich, die zusätzlich zu Medicare über eine private Krankenversicherung verfügen.

    Anfang 2022 hatten rund 11,6 Millionen Personen eine private Krankenversicherung, welche eine Behandlung in privaten Kliniken ermöglicht. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von 45,1 Prozent. Zusätzlich verfügten 14,2 Millionen Personen über eine private Zusatzversicherung für Leistungen wie beispielsweise Zahnbehandlungen.

    Rahmendaten zum Gesundheitssystem in Australien

    Indikator

    Wert

    Einwohnerzahl (2021 in Mio.)

    25,7

    Bevölkerungswachstum (2021 in % p.a.)

    0,2

    Altersstruktur der Bevölkerung (2021)

      Anteil der unter 14-Jährigen (in %)

    17,3

      Anteil der über 65-Jährigen (in %)

    15,8

    Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2020)

    83,2

    Durchschnittseinkommen im Monat (2021 in US$)

    5.899

    Gesundheitsausgaben pro Kopf (2019/2020 in US$)

    5.510

    Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2019/2020 in %)

    10,2

    Ärzte/100.000 Einwohner (2020)

    390

    Zahnärzte/100.000 Einwohner (2020)

    61

    Krankenhausbetten/100.000 Einwohner

      privat (2016/2017)

    147

      öffentlich (2019/2020)

    247

    Quelle: Australian Bureau of Statistics (ABS); Australian Institute of Health and Welfare (AIHW); OECD

    Insgesamt ist der australische Gesundheitssektor gut ausgestattet. Es besteht jedoch ein großer Nachholbedarf im Bereich der elektiven Eingriffe. Infolge der Maßnahmen in der Covid-19-Pandemie sind in den vergangenen zwei Jahren hunderttausende Operationen ausgefallen, weshalb im öffentlichen Sektor lange Wartelisten bestehen. Auch die Notaufnahmen sind überlastet. Diese sind eine häufige Anlaufstelle für Patienten, welche private Zuzahlungen bei niedergelassenen Ärzten vermeiden wollen.

    Zur Bewältigung der gesundheitlichen Folgen der Covid-19-Pandemie hat die Regierung in Canberra bislang rund 22 Milliarden US$ bereitgestellt. Zu den Maßnahmen zählen 143 neue Einrichtungen zur Behandlung von Atemwegserkrankungen

    Von Heiko Stumpf | Sydney

  • Digital Health

    Elektronische Patientenakten und Rezepte gehören bereits zum Alltag. Ein großes Marktpotenzial bietet sich für Telemedizin.

    Patientendokumentation und Verschreibungen erfolgen elektronisch

    Die Digitalisierung des australischen Gesundheitssektors ist bereits weit fortgeschritten. Nach Angaben des Marktforschungsinstitutes Statista dürfte der australische Markt für digitale Gesundheitsdienstleistungen im Jahr 2022 ein Volumen von 1,8 Milliarden US$ erreichen. Bis 2026 wird ein Anstieg auf 2,3 Milliarden US$ erwartet. 

    Mit dem My Health Record verfügt Australien bereits seit dem Jahr 2019 über eine elektronische Patientenakte. Mit Stand Mai 2022 beinhaltete das System die Daten von etwa 23,3 Millionen Patienten. Dies entspricht einer Partizipationsrate von etwa 96 Prozent. Auch seitens der Leistungserbringer besteht eine sehr hohe Akzeptanz. So sind bereits 99 Prozent der Hausärzte und Apotheken bei My Health Record registriert. Bei den öffentlichen Krankenhäusern sind es 97 Prozent. Nachholbedarf besteht hingegen bei den Fachärzten. In dieser Kategorie nutzen nur 23 Prozent die elektronische Patientenakte.

    Seit Mai 2022 wird auch der gesetzliche Rahmen für elektronische Verschreibungen implementiert. Derzeit erfolgen diese E-Prescriptions mittels eines Token in Form eines Barcodes oder QR-Codes. Diese Codes können in verschiedenen Formen beispielsweise per SMS, E-Mail oder App übertragen werden.

    Im Jahresverlauf 2022 soll auch die großflächige Einführung von sogenannten Active Script Lists (ASL) erfolgen. Dabei handelt es sich um ein elektronisches Register, welches alle gültigen Verschreibungen eines Patienten enthält und die Verwendung eines Token überflüssig macht. Die dafür notwendige Software wird derzeit in zahlreichen Arztpraxen und Apotheken installiert. Zu den bereits aktiven Anbietern gehören eRx Script Exchange oder Shexie Platinum.

    Seit Mai 2020 wurden in Australien mehr als 63 Millionen elektronische Verschreibungen ausgestellt. Daran waren rund 43.000 Rezeptaussteller beteiligt. Für die Implementierung sowohl des My Health Record als auch der E-Prescriptions ist die Australian Digital Health Agency zuständig, welche die zugehörigen Spezifikationen festsetzt.

    Telemedizin fest im Gesundheitssystem verankert

    Um die Covid-19-Pandemie zu bewältigen, setzt Australien auch auf die Stärkung von Telemedizin. Dazu wurden bereits im März 2020 bestimmte telemedizinische Leistungen vorübergehend in das Medicare Benefits Schedule (MBS) aufgenommen. Dieses legt die Erstattungsbeträge für über 5.700 medizinische Maßnahmen im Rahmen des staatlichen Medicare-Systems fest. Seit Anfang 2022 gelten diese Regelungen dauerhaft.

    Die Erweiterung des MBS stellt sicher, dass bestimmte telemedizinische Konsultationen und persönliche Praxisbesuche erstattungsrechtlich im Wesentlichen gleichbehandelt werden. Welche telemedizinischen Leistungen möglich sind, ist dabei in hunderten von neuen MBS-Leistungspunkten geregelt. Diese umfassen Konsultationen von Hausärzten, Fachärzten und anderen Erbringern von Gesundheitsdienstleistungen wie Psychologen.

    Die Nachfrage nach den neuen Angeboten ist groß. Von März 2020 bis Februar 2022 wurden über die neuen Regelungen rund 96 Millionen telemedizinische Konsultationen durchgeführt. Dabei gelten bislang keine technischen Vorgaben, um bestimmte  Plattformen zu nutzen. Auch Konsultationen über WhatsApp oder Zoom sind möglich. Es sind jedoch Richtlinien in Bezug auf die Vertraulichkeit von Patientendaten zu beachten. In Australien gibt es bereits eine Reihe von Anbietern für spezielle Telehealth-Plattformen, dazu zählen Halaxy, Coviu oder Swiftdoc.

    Viele Anwendungsgebiete für virtuelle Lösungen

    Auch im ländlichen Raum sind telemedizinsche Anwendungen bereits weit verbreitet. Fernab der dichtbesiedelten Küstenregionen müssen die Menschen meist sehr weite Entfernungen zurücklegen, um größere Krankenhäuser oder Spezialisten zu erreichen. Die Bundesstaaten betreiben deshalb eine Reihe von Initiativen, um die Versorgungslage mit Hilfe von Telemedizin zu verbessern.

    Dazu zählt beispielsweise der Telestroke Service in New South Wales. Zur Diagnose und Behandlung von Schlaganfallpatienten werden regionale Krankenhäuser über telemedizinische Ausstattung mit Spezialisten im Prince of Wales Hospital in Sydney verbunden. Im Juni 2022 waren 23 regionale Kliniken mit entsprechender Technik ausgestattet. Victoria startete im April 2022 mit einem virtuellen Triage-System für die überlasteten Notaufnahmen in den öffentlichen Krankenhäusern.

    Auch private Anbieter wie das australische Startup Telecare setzen mit ihren Lösungen auf einen verbesserten Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in abgelegenen Regionen. Insbesondere der ländliche Raum ist von einem zunehmenden Ärztemangel betroffen. Die Wartezeit für einen Termin bei einem Facharzt kann über zwölf Monate dauern. Über die digitale Plattform von Telecare sind Termine mit Spezialisten hingegen innerhalb von drei Wochen möglich.

    Der wichtige Rohstoffsektor interessiert sich ebenfalls für digitale Gesundheitsanwendungen. Im Outback sind die Abbaustätten für Mineralien wie Eisenerz, Gold oder Kupfer meist völlig abgeschnitten von jeglicher Zivilisation. Das gleiche gilt für die Offshore-Plattformen in der Öl- und Gasindustrie. Für die Behandlung von Arbeitsunfällen und Erkrankungen setzen die Betreiber bereits stark auf digitale Anwendungen. Exxon Mobil kooperiert beispielsweise mit dem australischen Unternehmen Visionflex und nutzt Systeme für die telemedizinische Wundversorgung.

    Zudem verfügt Australien auch über eine vielfältige und lebendige Unternehmenslandschaft für die Entwicklung von digitalen Gesundheits-Apps, welche Patienten nutzen. Einmal im Jahr trifft sich die digitale Gesundheitsbranche auf dem Digital Health Institute Summit, welcher vom Australian Institute of Digital Health veranstaltet wird.


    Von Heiko Stumpf | Sydney

  • Lokale Branchenstruktur

    Die lokale Nachfrage wird zum Großteil durch Importe bedient. Dennoch florieren zahlreiche lokale Hersteller. Dabei konzentrieren sich heimische Unternehmen auf Nischenmärkte.

    USA sind wichtigstes Lieferland

    Im Bereich der Medizintechnik ist Australien im hohen Maße importabhängig. Rund 70 Prozent des lokalen Bedarfs wird durch Einfuhren gedeckt. Mit Abstand wichtigstes Lieferland sind die Vereinigten Staaten mit einem Anteil von etwa 30 Prozent. Weitere wichtige Partner sind China, Deutschland, Mexiko und die Schweiz.

    Seine Stärken kann Deutschland insbesondere bei den bildgebenden Verfahren so wie im Dentalbereich ausspielen. Bei den Röntgengeräten kam Deutschland im Jahr 2021 beispielsweise auf einen hohen Einfuhranteil von 24,7 Prozent, hinter den USA mit 26,9 Prozent. Im Bereich der zahnmedizinischen Instrumente war Deutschland 2021 mit einem Anteil von rund 29 Prozent sogar das größte Zulieferland (vor den USA und der Schweiz).

    Einfuhr ausgewählter medizintechnischer Produkte nach Australien (in Millionen US-Dollar)

    SITC

    Produktgruppe

    2020

    2021

    davon aus Deutschland (2021)

    774.1

    Elektrodiagnoseapparate und -geräte

    400,1

    420,3

    36,2

    774.2

    Röntgenapparate etc.

    319,7

    413,3

    102,0

    741.83

    Sterilisierapparate

    19,3

    20,2

    5,0

    785.31

    Rollstühle

    77,2

    73,3

    2,8

    872.1

    Zahnmedizinische Instrumente; a.n.g.

    117,3

    155,6

    45,1

    872.21

    Spritzen, Nadeln, Katheter, Kanülen etc.

    410,0

    516,6

    14,7

    872.25

    Ophthalmologische Instrumente

    88,7

    106,2

    9,9

    872.29

    Andere Instrumente, Apparate und Geräte

    1.348

    1.544

    107,5

    872.3

    Therapiegeräte, Atmungsgeräte etc.

    567,7

    581,9

    18,9

    872.4

    Medizinmöbel etc.

    144,3

    134,4

    11,0

    899.6

    Orthopädietechnik, Prothesen etc.

    1.398

    1.635

    114,9

    Summe

    4.322

    5.600

    467,9

    Quelle: UN Comtrade

    Lokale Medizintechnikproduktion befindet sich auf Wachstumskurs

    Trotz der hohen Importquote verfügt Australien auch über nennenswerte eigene Kompetenzen. Mit mehreren namhaften lokalen Herstellern ist die Medizintechnik ein Aushängeschild des verarbeitenden Gewerbes. Im Finanzjahr 2021/2022 dürften die australischen Medizintechnikhersteller einen Umsatz von umgerechnet rund 3,9 Milliarden US$ erzielt haben. Auf Basis der Landeswährung erwartet das Marktforschungsinstitut Ibis World bis 2026/2027 eine jährliche durchschnittliche Wachstumsrate von nominal etwa 5,1 Prozent.

    Dominiert wird der Markt durch die großen Hersteller Resmed und Cochlear. Auf den Umsatz bezogen steuern die beiden Unternehmen rund 60 Prozent zur lokalen Fertigung bei. Das in Australien gegründete Unternehmen Resmed ist auf Behandlungen für Schlafapnoe und Atemwegserkrankungen spezialisiert. Mittlerweile hat Resmed seinen Hauptsitz in das kalifornische San Diego verlegt, ist aber weiterhin mit einer starken Präsenz am Standort Sydney vertreten. Zu Beginn der Covid-19 Pandemie trug Resmed entscheidend zur lokalen Versorgung mit Beatmungsgeräten bei.

    Cochlear wiederum ist ein weltweit führender Hersteller von implantierbaren Hörlösungen. Im Mai 2022 verkündete das Unternehmen einen weiteren Beschäftigungsaufbau mit mehr als 170 neuen Arbeitsplätzen am Stammsitz Macquarie Park in Sydney. Ein weiteres bekanntes australisches Medizintechnikunternehmen ist der auf persönliche Schutzausrüstungen spezialisierte Hersteller Ansell. Die Aktivitäten in Australien beschränken sich jedoch auf den Verwaltungssitz in Melbourne, während sich die Produktionsstätten auf Länder wie Malaysia, Thailand, Indien oder China verteilen.

     

    Führende Branchenunternehmen in Australien (Umsatz in Millionen US-Dollar; Veränderung in Prozent)

    Unternehmen

    Umsatz (2020-2021) 2)

    Veränderung (2019-20/2020-21)

    ResMed Holdings Pty Limited

    1.506

    6,7

    Cochlear Limited

    591,5

    1,6

    Baxter Healthcare Pty Limited 1)

    233,8

    16,3

    1) Umsatz im Kalenderjahr 2021; 2) Finanzjahr 1. Juli bis 30. JuniQuelle: IBIS World

    Neben diesen Branchengrößen ist die Struktur der in Australien gegründeten Betriebe durch kleine Unternehmen und Start-ups geprägt. Nach Daten des nationalen Statistikamtes generieren 95 Prozent der lokalen Unternehmen einen Jahresumsatz von weniger als 5 Millionen australischen Dollar ($A, entspricht rund 3,8 Millionen US$). In der Regel konzentrieren sich die kleineren Hersteller auf bestimmte Nischen mit nur ein bis zwei Produktlinien. Viele dieser spezialisierten Anbieter sind auf den Weltmärkten erfolgreich, die Exportquote der Branche liegt bei insgesamt knapp 34 Prozent.

    Internationale Medizintechnikhersteller sind in Australien in erster Linie durch Vertriebs- und Servicegesellschaften vertreten. Nur wenige Unternehmen wie Baxter Healthcare, Cook Medical oder Becton Dickson verfügen über größere Fertigungskapazitäten in Downunder. Von deutscher Seite sind beispielsweise Fresenius Medicalcare und B. Braun mit kleineren Produktionsstätten aktiv. Beide Unternehmen betreiben in Australien ein eigenes Netz von Dialysezentren, welche mit lokal gefertigten Produkten versorgt werden. Mit einer Anfang 2022 in Sydney eröffneten Anlage kann Fresenius beispielsweise pro Jahr rund 2,4 Millionen Beutel mit Dialyseflüssigkeit produzieren.

    Regierung stellt Fördermittel bereit

    Zur Förderung der Medizintechnikindustrie stellt die nationale Regierung in Canberra eine Reihe von Fördermitteln bereit. So ist die Gesundheitswirtschaft eine von insgesamt sechs Schwerpunktindustrien im Rahmen der Modern Manufacturing Initiative. Das umgerechnet mit rund 1 Milliarde US$ dotierte Programm stellt finanzielle Zuschüsse für die Modernisierung und Erweiterung von Produktionsstätten bereit. Eine erste Vergaberunde wurde bereits abgeschlossen, weitere Förderfenster sollen folgen.

    Die im Mai 2022 ins Amt gewählte Labor-Regierung des neuen Premierministers Anthony Albanese will die Medizintechnik zudem auch im Rahmen des geplanten National Reconstruction Fund fördern. Ziel ist eine breitangelegte Wiederbelebung des verarbeitenden Gewerbes, wofür insgesamt rund 11 Milliarden US$ bereitgestellt werden sollen.

    Weitere Förderprogramme gibt es im Bereich der Forschung und Entwicklung. Zu den wichtigsten Geldtöpfen zählt der Medical Research Future Fund. Weitere Mittel stellt der National Health and Research Council (NHMRC) zur Verfügung. In den vergangenen fünf Jahren flossen über diese Instrumente umgerechnet über 4 Milliarden US$ in die medizinische Forschung.

    Von Heiko Stumpf | Sydney

  • Rahmenbedingungen

    Für den Vertrieb von Medizintechnik ist in vielen Fällen eine CE-Kennzeichnung schon ausreichend. Weitere Verfahren sind für eine Erstattung im Privatsektor erforderlich.

    Alle medizintechnologischen Produkte, die auf dem australischen Markt vertrieben werden, müssen im Australian Register of Therapheutic Goods (ARTG) der Therapeutic Goods Administration (TGA) registriert werden. Dabei unterscheidet die TGA vier verschiedene Risikoklassen. Die Klassifizierung erfolgt in enger Anlehnung an die Regelungen in der EU-Medizinprodukteverordnung.

    Für die Zulassung von Medizinprodukten durch eine ARTG-Registrierung ist eine Konformitätsbewertung erforderlich. Für die niedrigeren Risikoklassen erkennt die TGA dabei eine CE-Kennzeichnung grundsätzlich an. Allerdings behält es sich die australische Zulassungsstelle vor, Dokumente nachzufordern oder ein eigenes Audit durchzuführen. Dies ist im Wesentlichen abhängig von der Qualität der eingereichten Dokumente.

    Für Medizinprodukte der Risikoklasse 3 sowie aktive implantierbare Geräte ist ein Audit der Stufe 2 erforderlich. Dabei können Dokumente aus der EU-Konformitätsbewertung eingereicht werden, was die Audittiefe reduziert. Seit dem 28. Juli 2021 gilt diese Regelung auch für Medizinprodukte der Klasse III mit integrierten Arzneimitteln oder einer integrierten biologischen Komponente.

    Für deutsche Medizintechnikhersteller, welche bereits über eine CE-Kennzeichnung verfügen, ist der Registrierungsaufwand deshalb in der Regel gering. Die Bearbeitungsdauer beträgt für die niedrigen Risikoklassen meist nur rund 3 Monate. Unternehmen, die über keine eigene Niederlassung in Australien verfügen, müssen einen vor Ort ansässigen Sponsor benennen. Dieser ist für das Zulassungsverfahren verantwortlich und erscheint mit seinem Namen auf der Produktkennzeichnung.

    Erstattungsfähigkeit unterliegt eigenen Regeln

    Zusätzlich zu den Registrierungspflichten sind bestimmte Regelungen für die finanzielle Erstattung im Rahmen des Medicare-Systems zu beachten. Private Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte können nur dann eine Rückerstattung geltend machen, wenn eine durchgeführte Behandlung im Medicare Benefits Schedule (MBS) enthalten ist. Das MBS legt die Gebühren für über 5.700 medizinische Maßnahmen fest.

    Für die während der Behandlung verwendeten Medizinprodukte ist ein Health Technology Assessment (HTA) erforderlich, damit eine Erstattung im Rahmen des Medicare-Systems erfolgen kann. Zuständig ist auch in diesem Fall die TGA. Auch die Aufnahme neuer Behandlungsmethoden in das MBS erfordert langwierige Verfahren, wovon die damit verknüpfte Medizintechnik betroffen ist.

    Implantate, die im Privatsektor eingesetzt werden, benötigen wiederum eine Registrierung auf der Prothesis List. Diese enthält auch die von den privaten Krankenversicherungen zu erstattenden Kosten. Die Regierung bemühte sich zuletzt darum, die Preise für die im Privatsektor zugelassenen Implantate zu reduzieren.

    Die Finanzierung der öffentlichen Krankenhäuser basiert hingegen auf dem Activity Based Funding System (ABF). Öffentliche Krankenhäuser sind bei der Beschaffung von Medizinprodukten freier und können Medizintechnik beschaffen, sobald eine Registrierung im ARTG vorliegt. Innovative Medizintechnik findet deshalb zuerst im öffentlichen Sektor Einzug.

    Aktuelle Ausschreibungen finden sich auf den jeweiligen Portalen der Bundesstaaten, wie beispielsweise von New South Wales oder Victoria

    Besonderheiten sind bei der Auswahl von Vertriebspartnern zu beachten. Aufgrund der großen Entfernungen sollte sichergestellt werden, dass potenzielle Distributoren auch über die erforderlichen Kapazitäten verfügen, um den gesamten australischen Markt zu bearbeiten. Unter Umständen empfiehlt sich eine Zusammenarbeit mit mehreren Partnern, die sich auf bestimmte Regionen konzentrieren (z.B. Ost- oder Westküste).

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Heiko Stumpf | Sydney

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Australien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Exportinitiative Gesundheitswirtschaft

    Die Exportinitiative bündelt Unterstützungsangebote für die Internationalisierung der Gesundheitswirtschaft 

    Australian Institute of Health and Welfare

    Informationsdienst der australischen Regierung

    Medical Technology Association of Australia

    Branchenverband

    Australian Institute of Digital Health

    Branchenverband

    AusMedtech

    Fachmesse, nächster Termin 24.-25.03.23 in Adelaide

    Australian Healthcare Week

    Fachmesse, nächster Termin 15.-16.03.23 in Sydney

    Digital Health Institute Summit

    Fachmesse, nächster Termin 5. 08.22 in Perth

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