Nach einem Rekordjahr stellen die Investoren weniger Risikokapital zur Verfügung. Australische Start-ups wachsen dadurch langsamer. Die Regierung könnte die Förderung verstärken.
Für die Finanzierung von Start-ups in Australien war 2021 ein Rekordjahr. Gemäß des State of Australian Startup Funding Report sammelten junge Unternehmen in Down Under umgerechnet rund 7,6 Milliarden US-Dollar (US$, 10,1 Milliarden australische Dollar ($A), durchschnittlicher Wechselkurs 2021: 1 $A=0,7514 US$) an Wagniskapital ein. Damit wurde der Vorjahreswert mehr als verdreifacht.
Risikokapitalgeber setzen auf einheimische Start-ups
Australische Start-ups haben Zugang zu einem hochentwickelten Wagniskapitalmarkt. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 682 Finanzierungsgeschäfte geschlossen, daran waren 891 individuelle Geldgeber beteiligt. Zu beobachten ist ein verstärktes Interesse ausländischer Venture Capital Fonds, die an einem Viertel aller Deals beteiligt waren.
Dabei treten vor allem US-amerikanische Gesellschaften wie Global Founders Capital (GFC), TigerGlobal oder Sequoia in Erscheinung. Aber auch asiatische Investoren haben die sich in Down Under bietenden Chancen entdeckt. Dazu gehören Vulpes Ventures aus Singapur oder Horizon Ventures aus Hongkong.
Das Fundament des australischen Marktes für Risikokapital bildet jedoch eine über zwei Jahrzehnte gewachsene Struktur aus einheimischen Venture Capital Fonds. Nach Schätzungen sind in Australien über 100 Venture Capital-Gesellschaften aktiv. Das Spitzentrio bilden dabei die Unternehmen Blackbird, SquarePeg und Airtree Ventures.
Allerdings konzentrieren sich australische Risikokapitalgeber noch hauptsächlich auf lokale Start-ups. Bei Investitionen in ausländische Beteiligungen ist ein Fokus auf Nordamerika und den asiatischen Raum (beispielsweise Singapur) zu erkennen. Für deutsche Start-ups dürfte eine Finanzierung in Australien vor allem dann in Frage kommen, wenn auch eine lokale Präsenz ins Auge gefasst wird.
Ein Wagniskapitalgeber, welcher die Brücke zwischen Deutschland und Australien schlagen kann, ist Possible Ventures mit Standorten in München und Melbourne. Gegründet wurde die Gesellschaft von dem australischen Investor Chris Hitchen, der viele Jahre in Deutschland verbracht hat. Dadurch ist Possible Ventures an zahlreichen deutschen und australischen Start-ups beteiligt.
Start-ups steht weniger Geld zur Verfügung
Nach dem Boomjahr 2021 haben sich die Bedingungen zur Start-up-Finanzierung zuletzt verschlechtert. Dazu tragen neben hohen Inflationsraten insbesondere steigende Zinsen bei. Nach mehreren Erhöhungen lag der Leitzins der australischen Zentralbank im September 2022 bei 2,35 Prozent. Im Jahresverlauf 2022 dürfte es deshalb einen Rückgang des zur Verfügung gestellten Risikokapitals geben.
Da es schwieriger wird, neue Kapitalrunden zu realisieren, muss das von Start-ups eingesammelte Kapital für deutlich längere Zeiträume ausreichen (sogenannter Runway). Die anvisierte Wachstumsgeschwindigkeit wird deshalb gedrosselt. Viele Start-ups wie Mr Yum, Eucalpytus, Sendle oder Airtasker haben Beschäftigte entlassen. Zudem wurden die Bewertungen von gefeierten Start-ups wie Canva zurückgestuft.
Ein Austrockenen des Zuflusses von Wagniskapital ist in Australien aber nicht zu befürchten. Denn die Venture Capital-Gesellschaften sind weiterhin ausreichend kapitalisiert und können neue Fonds und Programme aufsetzen. Dazu trägt auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit Pensionsfonds bei. Die sogenannten Superannuation Funds in Australien sind eine Megaindustrie und verwalten ein Vermögen von über 2,5 Billionen US$. Gesellschaften wie Hostplus verstärken ihr Engagement in der Start-up-Finanzierung und kooperieren mit Venture Capital-Firmen.
Business Angels sind gut vernetzt
Starts-ups in der Frühphase haben Zugang zu einer sachkundigen Szene von Angel-Investoren. Nach Schätzungen sind rund 2.500 Business Angels in Australien aktiv. Viele davon haben sich in Gruppen oder Syndikaten zusammengeschlossen. Zu den bekannten Namen zählen Aussie Angels, Sydney Angels oder Melbourne Angels.
Das Ökosystem nährt sich dabei selbst, denn über 80 Prozent der Angel-Investoren stammen selbst aus der Gründerszene. Bekannt für sein Engagement ist beispielsweise Mike Cannon-Brookes, Mitbegründer der Softwareschmiede Atlassian, welcher sich mit Grok Ventures an jungen Unternehmen beteiligt. Zudem gibt es in Australien zahlreiche Crowdfunding-Plattformen wie Equitise, On Market, Venture Crowd oder Birchal.
Regierung stellt Fördermittel bereit
Seitens der nationalen Regierung in Canberra erhalten Start-ups finanzielle Unterstützung im Rahmen des Accelerating Commercialisation Program. Möglich sind Zuschüsse bis zu einer Höhe von maximal 1 Million australischen Dollar (entspricht rund 750.000 US$).
Start-ups mit Technologiefokus können zudem eine Förderung durch die Research and Development Tax Incentive (RDTI) in Anspruch nehmen. Diese gewährt großzügige steuerliche Vergünstigungen für Forschungsausgaben. Im Normalfall können zwischen 38,5 Prozent und 43,5 Prozent der getätigten Ausgaben erstattet werden.
Anfang 2022 wurde vom damaligen Premierminister Scott Morrison das mit 1,1 Milliarden US$ dotierte Programm Australia's Economic Accelerator vorgestellt. Forschungsprojekte mit hohen Chancen für eine Kommerzialisierung sollen Zuschüsse von bis zu 5 Millionen australische Dollar erhalten (entspricht rund 3,8 Millionen US$).
Zudem soll es zusätzliche Mittel für den Risikokapitalfonds Main Sequence Ventures geben. Dieser wird von der staatlichen Forschungsinstitution Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSRIO) betrieben und investiert in Technologie-Start-ups.
Allerdings ist noch offen, ob und in welcher Form das Programm von der seit Mai 2022 regierenden Labor Partei umgesetzt wird. Klarheit dürfte es erst im Oktober 2022 geben, wenn die neue Regierung ihren ersten Haushalt vorstellt. Durch die neue Labor-Regierung wurde zudem die Schaffung eines Critical Technology Fonds angekündigt, welcher mit rund 800 Millionen US$ ausgestattet werden soll.
Von Heiko Stumpf
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Sydney