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Wirtschaftsausblick | Bosnien und Herzegowina

Beitrittsperspektive belebt Wirtschaft in Bosnien und Herzegowina

Die EU gibt grünes Licht für Beitrittsverhandlungen und sorgt damit auch in der Wirtschaft für Optimismus. Impulse kommen vom privaten Konsum - und von deutschen Investoren.

Von Martin Gaber | Belgrad

Top-Thema: Grünes Licht für Beitrittsverhandlungen

Die EU nimmt Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina auf. Dafür haben die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten im Frühjahr 2024 grünes Licht gegeben. Die EU-Kommission hat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit innenpolitischen Reformen begründet. Offen ist jedoch, wann die erste Beitrittskonferenz stattfindet und die Gespräche damit eröffnet werden. Voraussetzung dafür sind weitere Reformen. Kritiker sind skeptisch. "Es hat sich nichts verbessert. Es ist eine Belohnung für nicht geleistete Reformen," sagt Florian Bieber, der das Zentrum für Südosteuropastudien an der Uni Graz leitet. Für die Wirtschaft dürfte der Schritt dennoch ein positives Zeichen sein und Hoffnung auf weitere Reformen schüren.

Wirtschaftsentwicklung: Momentum für Wachstum

Die Wirtschaft in Bosnien und Herzegowina erhält durch das positive Signal Auftrieb. So wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Bosnien und Herzegowinas im Jahr 2024 real um 2,5 Prozent zulegen, so die Frühjahrs-Prognose des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Die Europäische Kommission ist in ihrem Frühjahrsbericht etwas pessimistischer und rechnet mit 2,3 Prozent. In jedem Fall dürfte das magere Plus von 1,6 Prozent aus dem Vorjahr übertroffen werden. 

Und auch die Unternehmen blicken optimistisch auf das Jahr. Das zeigt die jährliche Konjunkturumfrage der deutschen Auslandshandelskammer in Bosnien und Herzegowina (AHK BiH). Demnach rechnen 97 Prozent der befragten Betriebe mit einer Verbesserung oder einer gleichbleibenden Geschäftslage. Nur 3 Prozent erwarten eine Verschlechterung.

Privater Konsum treibt das Wachstum an

Impulse für das Wachstum kommen vor allem vom privaten Konsum. Dafür sorgt ein Mix aus verschiedenen Faktoren: Gehälter konnten im 1. Quartal 2024 um fast 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zulegen, so Zahlen der Statistikbehörde. Hinzu kommt, dass die beiden Entitäten Republika Srpska (RS) und Föderation Bosnien und Herzegowina (FBuH) die Mindestlöhne deutlich anheben. In der RS steigt der Mindestlohn in diesem Jahr um 28 Prozent auf 900 Konvertible Mark (KM) netto (rund 460 Euro). In der FBuH sind Steuerreformen angekündigt. Das könnte den Netto-Mindestlohn dann sogar um 40 Prozent steigen lassen. 

Zudem kurbeln wachsende Touristenzahlen und Rücküberweisungen aus dem Ausland den Konsum an. Das beflügelt den Einzelhandel, der mit einem Plus von knapp 16 Prozent im ersten Quartal gut in das Jahr startet. 

Ausländische Investitionen klettern auf höchsten Stand seit 2007

Die nun scheinbar greifbare EU-Perspektive entfacht auch Interesse bei ausländischen Investoren. "Die Entscheidung des Europäischen Rats erhöht das Vertrauen in Bosnien und Herzegowina, vor allem wenn es um das Potenzial von Investitionen aus dem Ausland geht," sagt Vjekoslav Vuković, Präsident der Außenhandelskammer Bosnien und Herzegowinas. Der Balkanstaat verzeichnete in den ersten drei Quartalen 2023 Zuflüsse von knapp 1,44 Milliarden KM (rund 740 Millionen Euro) und damit mehr als im gesamten Jahr 2022. Das ist zugleich der höchste Wert seit 2007, wie Zahlen der Zentralbank zeigen. Laut Prognose der Zentralbank dürfte der Wert für das Gesamtjahr 2023 auf 1,7 Milliarden KM steigen. 

Auch das Interesse aus Russland scheint hoch: So wird für die ersten neun Monate 2023 Russland mit über 300 Millionen KM als wichtigster Investor geführt. Laut Experten ist unklar, ob damit Sanktionen umgangen werden. Das Unternehmen NeftegazInKor, eine Tochter des russischen Staatskonzerns Zarubezhneft, ist der größte Investor aus Russland. Bosnien und Herzegowina hat sich zwar den Sanktionen gegen Russland angeschlossen, setzt diese allerdings nicht um. 

Außenhandel konsolidiert sich nach starken Wachstumsraten

Bosnien und Herzegowinas Außenhandel erfährt nach zuletzt starken Jahren einen Knick. Zwar rechnet die nationale Direktion für Wirtschaftsplanung (DEP) mit einem Plus für 2024, doch die aktuelle Entwicklung unterstreicht das nicht. Die Importe ziehen wieder an, die Ausfuhren liegen jedoch weiterhin deutlich unter dem Vorjahreswert. So kommt es nun vor allem darauf an, wie sich die Konjunktur in der EU entwickelt. Bosnien und Herzegowina liefert fast drei Viertel seiner Ausfuhren in die Europäische Union und ist entsprechend abhängig von der dortigen Nachfrage. Der Außenhandel hatte nach der Coronapandemie mit Wachstumsraten jenseits von 30 Prozent einen Boom erlebt und scheint nun in eine Konsolidierungsphase zu kommen.

Deutsche Perspektive: Attraktiver Standort für die Beschaffung

Aus deutscher Perspektive ist Bosnien und Herzegowina ein attraktiver Standort für die Beschaffung. Seit der Covid-Pandemie bietet sich das Land für eine Diversifizierung von Lieferketten an. Nicht nur bei der Beschaffung, auch bei Investitionen zeigen deutsche Unternehmen Interesse. "Wir können stetig steigende Anfragen deutscher Unternehmen verzeichnen, die sich für einen Markteintritt in Bosnien und Herzegowina interessieren," sagt Azra Ramić, stellvertretende Leiterin der Auslandshandelskammer in Sarajevo. Das belegt das Beispiel Mubea. Der Autozulieferer kündigte an, in den nächsten Jahren 38 Millionen Euro in den Standort zu investieren. "Bis 2030 oder 2032 wollen wir rund 1.000 Beschäftigte in Bosnien und Herzegowina haben," sagt Christian Carius von Mubea auf dem Automotive Summit in Sarajevo. Und auch Lidl dürfte bald an den Start gehen. Neben einzelnen Filialen hat der Discounter auch den Grundstein für ein Logistikzentrum gelegt. 

Zudem treibt der Windparkentwickler wpd sein Vorhaben im Bereich erneuerbare Energien weiter voran. Das Bremer Unternehmen plant insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro aufzubringen. Wpd hat nach eigenen Angaben vorläufige Netzanschlüsse für seine Windparks Čadilj, Marino Brdo und Ruđer Bošković mit einer installierten Kapazität von 330 Megawatt erhalten. 

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