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Transformation verändert Kfz-Zulieferlandschaft in Südosteuropa

Die Kfz-Industrie in Südosteuropa ist stark in die Lieferketten deutscher Autobauer integriert. Lokale Hersteller müssen sich an neue Trends im Zielmarkt anpassen – oder aufgeben.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad

Der Großteil der Kfz-Zulieferbetriebe in Südosteuropa produziert vor allem für die europäische Autoindustrie. Auch deutsche Lieferanten siedeln sich unter anderem wegen der im EU-Vergleich günstigen Lohnkosten in der Region an. Beide stehen derzeit vor demselben Problem: Die Transformation der Branche zur E-Mobilität hat die Neustrukturierung bewährter Lieferketten zur Folge. Hinzu kommt die aktuelle Schwäche der deutschen Autoindustrie, die sich in einer sinkenden Nachfrage nach Bauteilen aus Südosteuropa niederschlägt. Erste Auswirkungen in der Region zeigen sich bereits durch die Übernahme des Kabelbaumspezialisten Leoni durch einen chinesischen Investor - in Form von Entlassungen und Werksschließungen.

Kabelzulieferer verlassen Bulgarien

Für Bulgarien sind diese Werksschließungen besonders tragisch. Das bis dato wichtige Produkt der bulgarischen Kfz-Industrie waren Kabelbäume. Doch wegen steigender Lohnkosten wird die lokale Fertigung unrentabel. Bereits vor der Übernahme durch die chinesische Luxshore Mitte September 2024 kündigte Leoni an, sein Werk in Pleven Ende 2024 zu schließen. Auch Konkurrent Sumito Electric Bordnetze SE (SEBN) will im März 2025 sein Werk in Mesdra zumachen. Im zweiten SEBN-Werk in Karnobat werden 100 Stellen abgebaut.

 

Der deutsche Hersteller von Filtern und Luftführungen für die Autoindustrie, Kayser Automotive hingegen, glaubt weiter an den Standort und investiert rund 10 Millionen Euro in eine neue Produktionsstätte in Pleven.

Ihr Engagement erweitern auch chinesische Autobauer. Der Erstausrüster (Original Equipment Manufacturer; OEM) Dongfeng will in Europa E-Mobile produzieren und erwägt den Bau einer Fabrik in Bulgarien. Der Zulieferer von Aluminium-Komponenten, Shanghai Unison, investiert in der Industriezone Trakia bei Plovdiv rund 35 Millionen Euro in ein neues Werk. 

Die chinesische Automobilindustrie umgeht mit einer Produktion in der Region die Zölle der EU, denn Mitglieder wie Bulgarien und Rumänien haben einen direkten Zugang zum Markt der Union; Serbien und die Türkei exportieren zollfrei dank Freihandelsabkommen. 

Rumänien ist wichtigster Lieferant der Region

Die Automobilindustrie in Rumänien ist im Gegensatz zu Bulgarien viel solider aufgestellt. Sie ist fest eingebunden in internationale Lieferketten. Dabei spielen Produkte mit niedriger Wertschöpfung wie Kabelbäume eine viel geringere Rolle. Es dominieren Getriebe, auch vor Reifen, Lichtanlagen oder Steuerungsgeräten und Sensoren. Das Land hält mit Abstand die Pole-Position als wertmäßig wichtigster Teilelieferant aus der Region. Lokale Hersteller im Segment oberhalb von Bordnetzen und Kabelbäumen profitieren daher von den im EU-Vergleich noch immer relativ günstigen Lohnkosten.

Den größten Pluspunkt von Rumäniens Kfz-Industrie bilden die beiden internationalen Kfz-Hersteller Dacia und Ford Otosan. Beide investieren in neue Kapazitäten zur Produktion von Elektroautos. Diese Projekte locken weitere Zulieferer an. Diehl Controls plant den Aufbau einer Produktion von elektronischen Bauteilen für die Kfz-Industrie in Brasov. SEBN will die Produktion aus Bulgarien in die Werke in Rumänien und Moldau verlagern. Leoni hat einen Großteil der Beschäftigen hingegen bereits entlassen.

Zulieferer investieren in Serbien in neue Werke

Serbiens Kfz-Industrie ist durch Lieferanten geprägt. Aktuell geht auch hier der Trend und der Wunsch weg von einfachen, aber arbeitsintensiven Tätigkeiten hin zur Herstellung von Produkten mit einer tiefergehenden Wertschöpfung, sowie in Forschung und Entwicklung.

Große Hoffnung setzt die serbische Regierung auf den Aufbau einer Lithium-Wertschöpfungskette. Neben dem geplanten Abbau des Rohstoffs im Jadar-Tal soll eine Fertigung von Katalysatoren und Batteriezellen angesiedelt werden. Sie bilden die Grundlage für die künftige Produktion von Elektromobilen im Westbalkanland. Stellantis investiert bereits rund 170 Millionen Euro in die Serienproduktion des Fiat-Modells Grande Panda mit Elektro- und Hybridantrieb.

Daneben bauen Zulieferer ihr Engagement vor Ort weiter aus. Continental kündigte an, weitere 150 Millionen Euro in ein neues Werk in Serbien investieren zu wollen. Die deutsche PWO-Gruppe nimmt rund 90 Millionen Euro für einen neuen Entwicklungs- und Produktionsstandort in Čačak in die Hand. Die chinesische Minth Group steckt in den kommenden 10 Jahren rund 870 Millionen Euro in ein Werk zur Produktion von Gehäusen für E-Mobil-Batterien.

Türkei spürt Nachfragerückgang aus Europa

Auch für die türkische Kfz-Industrie sind die EU und Deutschland die wichtigsten Exportmärkte. Mehr als zwei Drittel der türkischen Produktion von Autos und Bussen gehen ins Ausland. Doch aufgrund der aktuell sinkenden Nachfrage verhängen Autobauer wie der Fiat-Fertiger Tofas oder Toyota wochenlange Fertigungsstopps. Die Folge sind eine sinkende Auslastung der landesweit rund 300 Zuliefererbetriebe und ein Rückgang der Rentabilität.

Die Türkei ist mit 1,3 Millionen verkauften Kfz im Jahr 2023 bei weitem der wichtigste Absatzmarkt der Region. Für 2024 rechnen Experten mit einer nachlassenden Kfz-Nachfrage. Hauptgrund sind steigende Preise bei gleichzeitig eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten in Folge der restriktiven Geldpolitik der Zentralbank. Einzig die Verkäufe von Stromern und Hybridfahrzeugen steigen, vor allem Dank der Reduzierung der Sondersteuer ÖTV auf Hybridautos um bis zu 70 Prozent seit Juli 2024. E-Mobile aus China werden hingegen mit einem Einfuhrzoll von 40 Prozent belegt.

Als Produktionsstandort bleibt die Türkei für europäische und chinesische Autobauer interessant: BYD investiert 1 Milliarde US-Dollar in ein Werk zur Fertigung von E-Mobilen in Manisa. Damit umgeht der Konzern auch die Zölle der EU bei Lieferungen auf den gemeinsamen Markt. Renault setzt hingegen weiter auf Verbrenner und will rund 400 Millionen Euro in eine neue Linie zur Produktion des Diesel betriebenen SUV-Modells Duster investieren.

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