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Westbalkan modernisiert und erweitert sein touristisches Angebot
Der Westbalkan bietet ein breites Spektrum an Freizeitmöglichkeiten. Der Ausbau der touristischen Infrastruktur birgt Potenzial. GTAI stellt wichtige Investitionsprojekte vor.
27.11.2024
Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad
Der Westbalkan wird als Touristendestination immer beliebter. Die Anreise per Ferienflieger ist aus immer mehr mitteleuropäischen Städten in rund zwei Stunden möglich. Vergleichsweise erschwingliche Preise steigern die Wettbewerbsfähigkeit der Region. Einzig die Infrastruktur wird den Touristenmassen – vor allem in der Sommersaison – kaum mehr Herr. Projekte zum Bau von Hotels, Luxusresorts oder Spas werden meist im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) realisiert.
Im Jahr 2023 verzeichnete der Westbalkan einen Anstieg der Anreisen einheimischer und ausländischer Touristen um 23 Prozent. Bei den Übernachtungen betrug der Zuwachs 27,5 Prozent, berichtet der Regional Cooperation Council (RCC). Dessen Ziel ist es, das fragmentierte Tourismuspotenzial in der Region durch die Schaffung regionaler Angebote zu konsolidieren, um mehr Gäste anzuziehen.
Serbien 2024 das am schnellsten wachsende europäische Reiseziel
Die Aussichten für die kommende Urlaubssaison sind trotz der aktuellen Wirtschaftsflaute in Deutschland weiterhin positiv. Die Bundesrepublik bleibt dank der Diaspora eines der wichtigsten Herkunftsländer der Gäste. Das Zugpferd bildet auch 2024 Albanien mit mehr als 15 Millionen Besuchern. Für Serbien rechnet die European Travel Commission mit einem Anstieg der Ankünfte um ein Drittel im Vergleich zum Vorpandemiejahr 2019. Bei den Übernachtungen beträgt der Zuwachs 58 Prozent. Damit wäre Serbien das am schnellsten wachsende europäische Reiseziel im Jahr 2024. Alleine die Anzahl der Übernachtungen chinesischer Touristen hat sich 2024 mehr als verdoppelt. Grund dafür dürfte unter anderem die Einrichtung neuer Direktverbindungen, wie zwischen Guangzhou und Belgrad, sein.
Jahr | Albanien | Bosnien und Herzegowina | Kosovo | Montenegro | Nordmazedonien | Serbien |
2023 | 22,0 | 7,7 | 2,1* | 26,0 | 5,9 | 6,7 |
2019 | 20,3 | 9,7 | 1,6 | 30,8 | 6,6 | 5,9 |
Die EU betrachtet den Tourismus als Sprungbrett für den Beitritt und nahm diesen in den gemeinsamen Aktionsplan für den regionalen Markt bis 2028 mit auf. Ziel ist es, die wirtschaftliche Angleichung des Westbalkans mit dem Binnenmarkt voranzutreiben. Ein neuer strategischer Ansatz, die Region als Ganzes zu vermarkten, soll die Attraktivität der Branche erhöhen, Investoren anlocken, Arbeitsplätze schaffen sowie Multiplikator-Effekte nutzen.
Maritimtourismus bleibt Zugpferd der Region
Die montenegrinische Küstenlinie mit ihren rund 290 Kilometern Länge ist vor allem bei Strandurlaubern beliebt. Kreuzfahrtschiffe steuern die Hafenstädte wie Kotor, Bar oder Ulcinj an. Zudem entstehen weitere Yachthäfen und Marinas. Im 2. Quartal 2024 stieg der Umsatz der Branche um 2 Prozent auf rund 340 Millionen Euro, berechnet die Zentralbank. Montenegro erzielt damit rund jeden vierten Euro seiner Wirtschaftsleistung mit dem Tourismus. Um auch nach der Sommersaison Gäste ins Land zu locken, entwickelt die Regierung den Ökotourismus mit Fokus auf das Premiumsegment.
Längst kein Geheimtipp mehr ist Albanien. Zwischen Januar und September 2024 stieg die Anzahl der Touristen um 16,5 Prozent auf rund 15,6 Millionen. Diese erwirtschaften rund ein Viertel der albanischen Wirtschaftsleistung, Tendenz steigend. Am beliebtesten sind die Sand- und Kiesstrände entlang der rund 430 Kilometer langen albanischen Riviera. Um die vielen Gäste unterbringen zu können, ist ein Bauboom bei Hotels ausgebrochen. Internationale Geberbanken wie Weltbank oder Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung unterstützen Albanien bei der Entwicklung der Infrastruktur.
Aktivurlaub und Ökotourismus bieten Potenzial
Der Westbalkan wird auch als Reiseziel für Aktivurlauber immer beliebter. Wandern, Radfahren, Kajak und Rafting - Nationalparks wie Fruška Gora, Biogradska Gora oder Prokletije bieten zahlreiche Erholungsmöglichkeiten. Die Bergregionen im Süden Serbiens ermöglichen im Sommer Wandertouren und Besteigungen hoher Gipfel. Auf Wanderwegen wie dem Peaks of Balkan-Trail können Urlauber gleich drei Länder begehen. Der Fernradweg Euro Velo 8 sowie der Southern Coastal Trail ermöglichen Radtouren entlang der Mittelmeerküste Montenegros und Albaniens. Der Ohridsee in Nordmazedonien bietet Investoren Potenzial bei exklusiven Ferienwohnungen und beim Glamping (glamorous Camping).
Neben der Entwicklung von Hotels im Premiumsegment eröffnet der Ökotourismus gute Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum. Ökoethnische Dörfer bieten Touristen ein authentisches Erlebnis eines Aufenthalts in geschützter Natur mit lokalen Spezialitäten.
Serbien entwickelt Spa- und Bädertourismus
Das Land erwirtschaftete in den ersten neun Monaten 2024 mit dem Tourismus rund 2 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus um 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Neben dem Städtetourismus mit Fokus auf Belgrad und Novi Sad und dem Bergtourismus bei Zlatibor und Kopaonik spielt mehr und mehr Spa- und Wellnesstourismus eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Branche.
Serbien möchte mehr Gäste in seine Heil- und Thermalquellen locken. In den landesweit rund 50 Spazentren und über 500 Heilquellen wie Vrnjačka Banja, Sokobanja oder Vrdnik ist das Potenzial längst nicht ausgeschöpft. Die meisten Gäste kommen noch aus dem Inland. Der Bau von Resorts und Wellnesshotels im Premiumsegment hat Potenzial.
Kultur- und Ethnotourismus in Bosnien und Herzegowina im Kommen
Der Westbalkan beheimatet ein reiches kulturelles Erbe. In der Region befinden sich 19 UNESCO-Welterbestätten, darunter römische und mittelalterliche Burgen oder ein Sufi-Kloster. In Bosnien und Herzegowina geben auch das Erbe der osmanischen Herrschaft wie die Baščaršija (Basar) in Sarajevo oder die Brücke von Mostar, sowie der katholische Wallfahrtsort Međugorje einen Einblick in die Geschichte der Region.
Im 1. Halbjahr 2024 stieg das touristische Aufkommen in Bosnien und Herzegowina um rund 15 Prozent. Neben klassischen Herkunftsländern aus Mitteleuropa oder der Türkei kommen auch immer mehr Gäste aus dem arabischen Raum. Sie verbinden einen Erholungsaufenthalt oder Kulturtrip häufig mit einem Immobilienkauf.
Wichtige Investitionsprojekte im Westbalkan
Projektbezeichnung | Investitionssumme | Projektstand | Ansprechpartner |
Bau eines Schifffahrtsmuseums / Shkodra, Albanien | Finanzierung aus Mitteln der EU (46 Mio.) und EBRD (60 Mio. ) | Ausschreibung läuft | Albanischer Entwicklungsfonds (ADF) |
Bau des 5-Sterne-Hotel-Komplexes Galeb / Ulcinj, Montenegro | 15 Mio. | Geplante Fertigstellung: 2028 | Sunny Palace doo |
Umbau und Erweiterung des Lokanda Hotels / Cetinje, Montenegro | 11,4 Mio. | Über öffentlich-private Partnerschaft | Gemeinde Cetinje |
Restaurierung der Festungsanlage Golubački-Grad (Hamam und Römisches Haus) / Golubac, Serbien | 1 Mio. | Ausschreibung läuft | Ministerium für Tourismus und Jugend |
Bau des Luxus-Tourismus-Komplexes „Royal Town Kotor“ / Kotor, Montenegro | k.A. | Umweltverträglichkeitsstudie; geplante Fertigstellung: 2027 | API Investment |
Raumgestaltungsprojekt „Zlatni Grad“ am Ribničko-See im Zlatibor-Gebirge / Zlatibor, Serbien | k.A. | Öffentliches Beschaffungsverfahren | Gemeinde Čajetina |
Erweiterung der 5-Sterne-Hotelanlagen und Bau einer Gondel im Skikomplex Kolasinac / Montenegro | k.A. | Umweltverträglichkeitsprüfung | Kolasin 1600 |
Ausbau eines Reha-Zentrums im Kurort Sijarinska Banja / Serbien | k.A. | Projektdokumentation erstellt; | Rehabilitationszentrum Gejzer |
Bau der Therme Panonske, inkl. eines 4-Sterne-Hotels, Aquaparks und Spa-Centers / Inđija, Serbien | k.A. | Projektierung; | Gemeinde Inđija |
Bau von zwei Spa-Zentren mit Hotels und Schwimmbädern / Mačva, Serbien | k.A. | Planungsphase | Termalna Rivijera Bogatić |