Branchen | Brasilien | Arzneimittel, Diagnostika
Hohe Konkurrenz im Wachstumsmarkt
Brasilianische Hersteller expandieren. Besonders gute Aussichten haben verschreibungsfreie Medikamente und Generika.
19.07.2023
Von Gloria Rose | São Paulo
Über die kommenden fünf Jahre soll Brasiliens Pharmamarkt kräftig wachsen. In den ersten vier Monaten 2023 verzeichnete der Herstellerverband Sindusfarma in US-Dollar (US$) einen Anstieg des Einzelhandelsumsatzes um 10,4 Prozent. Der Umsatz in brasilianischen Reais (R$) lag 11,5 Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums. Allerdings ging die Absatzmenge um 1 Prozent zurück.
Wachstumstrend setzt sich fort, aber mit schmaleren Margen
Für das Gesamtjahr 2023 erwartet das Marktforschungsinstitut IQVIA eine Steigerung des Umsatzes in lokaler Währung um 10,5 Prozent. Die gesetzliche Erhöhung der Preisobergrenzen für Medikamente fiel geringer aus als erwartet. Nach den zweistelligen Anpassungen in den Vorjahren gestattete die Regulierungsbehörde des Pharmamarktes Câmara de Regulação do Mercado de Medicamentos (CMED) zum 1. April 2023 nur eine Anhebung um maximal 5,6 Prozent. Damit erhöht sich der Kostendruck für die Hersteller, die einen Großteil der Vorprodukte und Wirkstoffe importieren und somit dem Wechselkursrisiko stark ausgesetzt sind.
Etwa 60 Prozent des Umsatzes erzielt Brasiliens Pharmaindustrie im Einzelhandel über Apotheken und den stark zunehmenden E-Commerce. Ein Viertel der Verkäufe geht auf die Rechnung des öffentlichen Gesundheitswesens Sistéma Único de Saúde (SUS); der Rest entfällt auf private Gesundheitseinrichtungen.
Indikator *) | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | Veränderung 2022/21 |
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Umsatz Medikamente insgesamt (Mrd. US$) | 17,5 | 15,0 | 16,4 | 20,7 | 26,2 |
Absatzmenge Medikamente insgesamt (in Mio. Einheiten) | 4.356 | 4.719 | 4.946 | 5.340 | 8,0 |
Umsatz Generika (Mrd. US$) | 2,5 | 2,3 | 2,6 | 3,0 | 15,4 |
Absatzmenge Generika (in Mio. Einheiten) | 1.482 | 1.645 | 1.749 | 1.892 | 8,2 |
Erste Maßnahmen der neuen Regierung
Der achtgrößte Pharmamarkt weltweit rechnet mit einer Kehrtwende bei den staatlichen Ausgaben für Medikamente. Unter Präsident Lula soll dem Programm Farmácia Popular in diesem Jahr ein Rekordwert von nahezu 600 Millionen US$ zur Verfügung stehen.
Die Regierung verfolgt zudem industriepolitische Ziele. Im April 2023 richtete sie die Grupo Executivo do Complexo Econômico-Industrial da Saúde (Geceis) ein, die Fördermaßnahmen zur Produktion und Innovation in der Gesundheitswirtschaft entwickeln soll. Dazu zählt insbesondere die Stimulierung der lokalen Wirkstoffproduktion.
Obwohl Brasilien zu den Top-10-Märkten weltweit gehört und zwei Drittel der Arzneimittel vor Ort produziert werden, importieren die Hersteller über 90 Prozent aller zugrundeliegenden Wirkstoffe und Vorprodukte. Drei Viertel der Einfuhren stammen aus China und Indien. Laut dem Verband der Wirkstoffproduzenten Abiquifi werden lediglich 124 pharmazeutische Wirkstoffe vor Ort produziert, davon nur 15 gefördert durch öffentlich-private Produktionspartnerschaften.
Die Gründung von Geceis kann protektionistische Strömungen begünstigen. So versucht der Verband Grupo FarmaBrasil über Geceis Einfluss auf die Regelungen der öffentlichen Beschaffung im EU-Mercosur-Assoziierungsabkommen zu nehmen. Das ist ein wichtiges Thema, schließlich ist der Staat der mit Abstand größte Pharma-Abnehmer des Landes.
Unternehmen | Umsatz 2021 | Verkauf in Einheiten 2021 |
---|---|---|
EMS | 1.892 | 357,4 |
Eurofarma | 1.799 | 230,7 |
Cimed | 1.224 | 371,2 |
Aché | 1.187 | 203,2 |
Neo Química | 1.131 | 416,9 |
Sanofi | 723 | 167,5 |
Medley | 705 | 173,0 |
Sandoz | 593 | 71,8 |
Teuto | 556 | 193,2 |
Novo Nordisk | 556 | k.A. |
Brasilianische Hersteller übernehmen Portfolios und expandieren
Mit der Marktdurchdringung von Generika und Biosimilars gewinnen brasilianische Pharmakonzerne an Bedeutung. Eine Entscheidung des obersten Gerichtshofs von Mai 2021 verkürzte die Patentlaufzeit in Brasilien. Direkt betroffen waren 3.435 Patente und Gebrauchsmuster für Pharmazeutika. Aber auch aufgrund der gesunkenen Kaufkraft erwartet der Herstellerverband PróGenéricos ein beschleunigtes Marktwachstum der Nachahmerpräparate. Er rechnet damit, dass im laufenden Jahr 20 neue Generika auf den brasilianischen Markt kommen. Der Umsatz mit Biosimilars stieg 2022 um 24 Prozent. PróGenericos setzt sich für eine Förderpolitik für Biosimilars ein.
Besonders intensiv legt auch der Verkauf verschreibungsfreier Arzneimittel (Over The Counter - OTC) zu. Das Marktforschungsinstitut IQVIA verzeichnete 2022 ein Wachstum des Absatzes von OTC-Produkten um 25 Prozent auf 5,35 Milliarden US$. Stimuliert wird der OTC-Verkauf durch den Trend der Apotheken, ihr Angebot auch um Gesundheitsdienstleistungen wie Tests und Impfungen zu erweitern. Und die Apotheken gewinnen weiter an Bedeutung: Zum 1. August 2023 tritt eine Richtlinie der Gesundheitsaufsichtsbehörde Anvisa in Kraft, die es Apotheken und Arztpraxen erlaubt, eine breite Palette von Labortests anzubieten. Auch der stetig zunehmende Onlinevertrieb begünstigt das Segment. Brasiliens größter Pharmakonzern EMS nutzt die Chance und erwarb im Mai 2023 die OTC-Marke Dermacyd des französischen Konzerns Sanofi.
Bislang übernahmen die lokalen Pharmahersteller Portfolios der multinationalen Konzerne für den brasilianischen Markt. Mittlerweile expandieren sie auch gezielt in Auslandsmärkte, um sich für den verschärften Preiswettbewerb am brasilianischen Markt zu stärken. So erwarb Grupo NC Farma, zu der der Marktführer EMS gehört, im Jahr 2022 gleich drei mexikanische Unternehmen der japanischen Taisho Pharmaceutical Group. Auch die Nummer zwei, Eurofarma, ist aktiv. Ende 2022 erhielt das Unternehmen als erster Pharmahersteller Brasiliens die Zulassung für den US-Markt. Dagegen konzentriert sich Cimed auf die Steigerung seines Anteils am brasilianischen Markt.
Höhere Investitionen und eine neue Partnerschaft
In den ersten Monaten des Jahres 2023 kündigten die Pharmaunternehmen União Química und Biolab an, ihre jeweiligen Investitionen am Standort Pouso Alegre im Bundesstaat Minas Gerais zu verdoppeln. Das Werk von Biolab kostet damit nun fast 200 Millionen US$ und soll im 2. Halbjahr 2024 die Produktion aufnehmen.
Im Rahmen der Delegationsreise von Präsident Lula da Silva nach China schloss die Stiftung Fundação Oswaldo Cruz (Fiocruz) ein Abkommen mit dem chinesischen Forschungsinstitut CAS-TWAS zur Einrichtung eines gemeinsamen Forschungszentrums.
Unter der Leitung von Fiocruz soll in Santa Cruz (Rio de Janeiro) der größte und modernste Produktionskomplex für Vakzine und Biopharmazeutika in Lateinamerika entstehen. Für den Complexo Industrial de Biotecnologia em Saúde (Cibs) soll das Baukonsortium rund 1 Milliarde US$ aufwenden.
Bezeichnung | Anmerkungen |
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Brasilianisches Gesundheitsministerium | |
Gesundheitsaufsichtsbehörde | |
Verband der Pharmaindustrie und -forschung | |
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Verband der Wirkstoffproduzenten | |
Fachmesse in São Paulo, 13. bis 15.06.2023 | |
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