Wirtschaftsumfeld | Brasilien | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Löhne und Gehälter
Die Löhne in Brasilien variieren stark. Ein großer Teil der Bevölkerung erhält nur den Mindestlohn. Die Lohnnebenkosten und Steuern sind im internationalen Vergleich hoch.
12.02.2025
Von Dennis Barbosa | São Paulo
Der Mindestlohn ist das zentrale Element der Entlohnungsstruktur in Brasilien. Im Jahr 2025 beträgt er 1.518 Reais (R$). Umgerechnet zum aktuellen Wechselkurs entspricht das etwa 260 US-Dollar (US$). Daten aus dem Jahr 2022 zeigen, dass etwa ein Drittel der brasilianischen Erwerbstätigen nur den gesetzlichen Mindestlohn erhält.
Der Mindestlohn beeinflusst damit direkt die Einkommen der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen und spielt eine wesentliche Rolle bei Tarifverhandlungen in verschiedenen Berufsfeldern. Darüber hinaus dient er als Grundlage für Sozialleistungen wie Renten und Pensionen, was seine Bedeutung für die brasilianische Wirtschaft unterstreicht.
Historische Entwicklung der Mindestlöhne in Brasilien
Die Lohnentwicklung in Brasilien ist eng mit der politischen und wirtschaftlichen Lage des Landes verknüpft. In den 2000er-Jahren, während der ersten Amtszeiten von Luiz Inácio Lula da Silva (2003 bis 2010), kam es zu einer Reihe von realen Erhöhungen des Mindestlohns, die von Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft der Bevölkerung begleitet wurden.
Gegen Ende der Amtszeit von Dilma Rousseff (2011 bis 2016) schwächte sich diese Entwicklung aufgrund der wirtschaftlichen Verschlechterung jedoch ab. Unter den konservativen Regierungen von Michel Temer (2016 bis 2019) und Jair Bolsonaro (2019 bis 2022) gab es Jahre, in denen die Anpassungen des Mindestlohns nicht einmal die Inflation ausglichen.
Im aktuellen, dritten Mandat von Lula, in den Jahren 2023 und 2024, wurden die Mindestlöhne zwar erneut erhöht, jedoch in einem moderateren Tempo als in den frühen 2000er-Jahren.
Löhne nach Qualifikationsniveau
Die berufliche Qualifikation ist ein entscheidender Faktor für die Lohnhöhe in Brasilien. Laut aktuellen Daten der Fundação Getulio Vargas (FGV) verdienen Beschäftigte mit Hochschulabschluss im Durchschnitt 120 Prozent mehr als solche mit niedrigeren Bildungsabschlüssen.
In Bereichen mit hoher Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften, wie Informationstechnologie, Ingenieurwesen und strategisches Management, können die Gehaltsunterschiede noch deutlicher ausfallen. Allerdings trägt das steigende Angebot an qualifizierten Arbeitskräften dazu bei, dass sich diese Unterschiede allmählich verringern. Der Anteil der Erwerbstätigen mit mindestens 16 Jahren Bildung stieg von 13,1 Prozent im Jahr 2012 auf 22 Prozent im Jahr 2024, was Fortschritte im Bereich der Hochschulbildung und technischen Ausbildung widerspiegelt.
Branche | Monatslohn |
---|---|
Durchschnittslohn | 573 |
Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei | 349 |
Verarbeitendes Gewerbe | 587 |
Strom-, Gas-, Wärme- und Kälteversorgung | 994 |
Wasserversorgung, Abfallswirtschaft | 612 |
Baugewerbe | 452 |
Groß und Einzelhande, Reperatur von Kfz | 436 |
Transport und Lagerhaltung | 586 |
Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie | 345 |
Informations- und Kommunikationsleistungen | 985 |
Finanz- und Versicherungswesen | 1.183 |
Die Gehälter in Brasilien variieren stark je nach Hierarchieebene und Branche. Führungspositionen, wie Direktoren, können das Fünf- bis Zehnfache oder sogar mehr im Vergleich zu den Gehältern von Einstiegspositionen, wie Verwaltungsassistenten, verdienen. Werden Boni und leistungsabhängige Vergütungen berücksichtigt, fallen die Gehaltsunterschiede noch extremer aus. Bereiche wie Technologie und Finanzen bieten oft höhere Gehälter als andere Branchen, was die hohe Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften widerspiegelt.
Position | Monatslohn |
---|---|
Durchschnittslohn | 573 |
Führungskraft | 1.332 |
Personal mit akademischer Ausbildung | 1.129 |
Techniker:in | 736 |
Unterstützende Bürokraft | 476 |
Dienstleistungs- und Verkaufskraft | 398 |
Fachkraft in der Land-, Forst- und Fischwirtschaft | 325 |
Handwerker:in | 458 |
Anlagen- und Maschinenbediener:in, Montagekraft | 481 |
Hilfskraft | 278 |
Regionale Lohnunterschiede in Brasilien
In Brasilien bestehen erhebliche Einkommensunterschiede zwischen den Regionen, die durch wirtschaftliche, strukturelle und demografische Faktoren beeinflusst werden. Der Südosten und der Süden sind die wirtschaftlich stärksten Regionen des Landes. Sie beherbergen den Großteil der Unternehmen, darunter viele deutsche multinationale Firmen, und weisen Löhne über dem nationalen Durchschnitt auf.
Im Südosten, der industriell und wirtschaftlich diversifiziertesten Region Brasiliens, lag das durchschnittliche Gehalt 2022 bei 3.841 R$ (rund 744 US$; umgerechnet zum Jahreswechselkurs 2022: 1 US$ = 5,16 R$). Dies geht aus 2024 veröffentlichten Zahlen des Statistikinstituts IBGE hervor. Bundesstaaten wie São Paulo, Rio de Janeiro und Minas Gerais sind Schwerpunkte für nationale und internationale Investitionen.
Der Süden zeichnet sich ebenfalls durch eine hohe Produktivität aus und wies 2022 ein Durchschnittsgehalt von 3.382 R$ (rund 655 US$) auf. Städte wie Curitiba und Joinville sind als Industriestandorte und Technologiezentren bekannt.
Obwohl wirtschaftlich weniger bedeutend, führte die Region Zentrum-West das Ranking 2022 an, mit Durchschnittslöhnen von 3.942 R$ (rund 764 US$). Das liegt vor allem an der Bedeutung der Region für den Agrarsektor, der durch Hochtechnologie und großflächige landwirtschaftliche Betriebe geprägt ist. Zudem trägt der hohe Anteil von öffentlich Bediensteten in der Hauptstadt Brasília zur Erhöhung des regionalen Lohnniveaus bei.
Mit einem Durchschnittsgehalt von 2.809 R$ (rund 544 US$) wies der Nordosten 2022 die niedrigsten Löhne des Landes aus. Allerdings zieht die Region zunehmend Unternehmen an, insbesondere dank der verbesserten Infrastruktur wie Häfen, Straßen und Industrieparks. Niedrige Arbeitskosten und Steueranreize machen die Region für arbeitsintensive Branchen attraktiv.
Hohe Arbeitskosten für Unternehmen
Die Lohnnebenkosten in Brasilien sind hoch. Laut einer Analyse von José Pastore, Professor an der Universität São Paulo (USP) und Forscher der Stiftung für Wirtschaftsforschung (Fipe), können die Zusatzkosten bis zu 103,7 Prozent der Bruttogehälter erreichen. Die Studie wurde im Mai 2024 von der Zeitung O Estado de S. Paulo veröffentlicht.
In die Berechnung fließen alle Sozialabgaben ein, die Unternehmen leisten müssen. Dazu gehören Beiträge zur Sozialversicherung, zum Garantiefonds für Arbeitszeit (FGTS) und zur Bildungssicherung (salário-educação) sowie Kosten für bezahlte Abwesenheitszeiten wie Urlaub und das 13. Monatsgehalt.
Hohe Steuerbelastung im internationalen Vergleich
Wie O Estado de S. Paulo im Mai 2024 berichtete, liegt die Belastung durch Steuern und Sozialabgaben in Brasilien nahe an der Höchstgrenze der OECD-Länder. Laut der Analyse, die auf Daten aus 42 Ländern basiert, zahlen brasilianische Unternehmen durchschnittlich 25,8 Prozent des Gehalts ihrer Beschäftigten als Steuern und Sozialabgaben.
Im internationalen Vergleich liegt Brasilien damit hinter Frankreich, das die höchste Belastung aufweist, aber noch vor wohlhabenden Ländern wie den USA, dem Vereinigten Königreich und Deutschland.
Die Steuerbelastung in Brasilien entspricht damit dem Niveau oder übertrifft sogar das von Ländern mit höherer Produktivität und Einkommen. Laut Experten, die von der Zeitung zitiert wurden, schränkt diese hohe Belastung die Schaffung formaler Arbeitsplätze erheblich ein. Sie wird als eine der Hauptursachen für die hohe Informalitätsrate auf dem brasilianischen Arbeitsmarkt gesehen, bei der ein erheblicher Anteil der Erwerbstätigen keine Arbeitsrechte oder Sozialleistungen genießt.
Renten- und Sozialversicherung INSS (Arbeitgeberanteil) | 20 |
Arbeitslosenversicherung FGTS (Arbeitgeberanteil) | 8 |
Abgabe für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Mutterschutz (Arbeitgeberanteil) | 100 1) |
Sonstige Versicherungen und Sozialabgaben (Arbeitgeberanteil) | 9 2) |