Wirtschaftsumfeld | Brasilien | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Lohnkosten
Die Löhne und Gehälter variieren stark - je nach Region und Branche. Lohnkosten für hochqualifizierte Fachkräfte erreichen mancherorts westeuropäisches Niveau.
20.12.2022
Von Johannes Dimas | Rio de Janeiro
Löhne und Gehälter
In Brasilien gilt ein gesetzlicher Mindestlohn, dessen Höhe die Bundesregierung jährlich unter Berücksichtigung der Inflation anpasst. Für das Jahr 2022 beträgt der Mindestlohn 1.212 brasilianische Real (R$). Das entspricht rund 229 Euro im Monat (Wechselkurs der Deutschen Bundesbank Ende September 2022: 1 Euro = 5,29 R$).
Wegen tariflicher Vereinbarungen oder bundesstaatlicher Festlegungen ist der tatsächlich anzusetzende Mindestlohn oft höher. Das gilt besonders für den wirtschaftlich starken Süden und Südosten. Die Bundesstaaten können den Mindestlohn auch nach Berufsbildern staffeln.
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | |
|---|---|---|---|---|
real (in Real)1) | 3.388 | 3.372 | 3.327 | 3.292 |
real (in Euro)2) | 928 | 779 | 754 | 546 |
Veränd. in %3) | 2,1 | -0,5 | -1,3 | -1,1 |
Informationen zur Beschäftigung werden jährlich in der Statistik RAIS des Wirtschaftsministeriums und fortlaufend vom Statistikamt IBGE veröffentlicht. Die hier verwendete RAIS-Statistik gibt die realen Bruttomonatslöhne der formal Beschäftigten an. Grundlage sind verpflichtende Meldungen aller Arbeitgeber. Die Daten von IBGE werden oft zitiert, weil sie aktueller sind. Sie beruhen allerdings auf einer empirischen Erhebung des Haushaltseinkommens. Bei der Lohn- und Gehaltsentwicklung muss für die Zeit der Pandemie berücksichtigt werden, dass ein vorherrschender Wegfall von niedrig entlohnten Jobs den Durchschnitt der verbliebenen Beschäftigten nur rein statistisch anhebt ("composition effect").
Die Höhe der Löhne und Gehälter variiert regional sehr stark. In der Hauptstadt Brasília sind sie im Durchschnitt am höchsten. Dies liegt an der im Bundesdistrikt konzentrierten öffentlichen Verwaltung. In der Fläche haben die Bundesstaaten des Südens (Paraná, Santa Catarina und Rio Grande do Sul) und des Südostens (Rio de Janeiro und Minas Gerais) sowie speziell São Paulo das höchste Lohnniveau. Im Nordosten liegen die Löhne und Gehälter in den Metropolregionen und den Hauptstädten der drei wirtschaftlich stärksten Bundesstaaten (Bahia, Pernambuco und Ceará) im Durchschnitt höher als im Umland.
| 2020 (in Real)1) | Veränderung 2020/19 (in %)2) | 2020 (in Euro)3) | |
|---|---|---|---|
Landesdurchschnitt | 3.292 | -1,1 | 546 |
Hauptstadt | 5.916 | -5,0 | 982 |
Hochlohnregion (Südosten) | 3.442 | -1,8 | 571 |
Niedriglohnregion (Nordosten) | 2.729 | 0,7 | 453 |
Das Lohnniveau von Unternehmen zur Exploration von Rohstoffen, von Energieversorgern sowie internationaler und ausländischer Institutionen ist im Schnitt doppelt so hoch wie der Landesdurchschnitt.
| 2020 (in Real) 1) | Veränderung 2019/2020 (in %)2) | 2020 (in Euro)3) | |
|---|---|---|---|
Insgesamt, darunter: | 3.292 | -1,1 | 546 |
Agrarwirtschaft | 2.046 | 0,6 | 340 |
Bergbau inklusive Öl- und Gasförderung | 6.588 | -1,7 | 1.094 |
Verarbeitendes Gewerbe | 3.126 | -2,1 | 519 |
Energieversorger | 7.796 | -3,3 | 1.294 |
Wasser-, Abwasser- und Abfallwirtschaft | 3.797 | -2,9 | 630 |
Bauwirtschaft | 2.479 | -2,6 | 411 |
Kfz-Handel und Reparatur | 2.204 | -2,0 | 366 |
Dienstleistungen gesamt, darunter: | 3.786 | -0,5 | 628 |
Transport, Lagerung und Post | 2.916 | -4,3 | 484 |
Unterkunft und Verpflegung | 1.598 | -10,2 | 265 |
Informations- und Kommunikationstechnik | 4.996 | -2,8 | 829 |
Finanz- und Versicherungswesen | 7.239 | -1,7 | 1.202 |
Immobiliensektor | 2.489 | -3,5 | 413 |
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung und soziale Sicherheit | 4.981 | 1,9 | 827 |
Bildungswesen | 4.255 | -5,8 | 706 |
Gesundheits- und Sozialdienste | 3.011 | -0,6 | 500 |
Haushaltsdienste | 1.518 | -4,7 | 252 |
Internationale und ausländische Institutionen | 6.693 | 0,2 | 1.111 |
Detaillierte Abfragen zur Entlohnung, unter anderem nach Position und Region, erlaubt das Portal Salario.com.br. Hier zeigt sich beispielsweise, dass die Geschäftsführerin eines größeren Unternehmens in der Stadt São Paulo im Durchschnitt fast doppelt so viel verdient wie im Landesdurchschnitt.
August 2022 (in Real)1) | Veränderung August 2022/September 2021 (in %) 2) | August 2022 (in Euro)3) | |
|---|---|---|---|
Geschäftsführer/-in eines größeren Unternehmens | 11.549 | k. A. | 2.217 |
Geschäftsführer/-in eines kleinen bis mittleren Unternehmens | 9.904 | k. A. | 1.901 |
Vertriebsleiter-/in | 5.259 | 19,7 | 1.009 |
Ingenieur-/in | 9.210 | 13,9 | 1.768 |
Programmierer-/in | 5.419 | 18,9 | 1.040 |
Sekretär/-in mit Fremdsprachenkenntnissen | 3.450 | 22,5 | 662 |
Buchhalter/-in | 4.747 | 14,3 | 911 |
Kraftfahrer/-in | 2.167 | 12,8 | 416 |
2020 (in Real)1) | Veränderung 2020/19 (in %)2) | 2020 (in Euro)3) | |
|---|---|---|---|
Analphabet/-in | 1.853 | 3,0 | 308 |
Fundamental (1.-9. Klasse) unvollständig | 1.982 | -2,2 | 329 |
Fundamental (1.-9. Klasse) abgeschlossen | 2.097 | -2,5 | 348 |
Médio (10.-12. Klasse) unvollständig | 1.877 | -1,4 | 312 |
Médio (10.-12. Klasse) abgeschlossen | 2.300 | -2,3 | 382 |
Universität unvollständig | 3.154 | -2,5 | 524 |
Universität vollständig | 6.563 | -1,5 | 1.090 |
Weitere Lohnbestandteile
In Brasilien sind zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers über das normale Grundgehalt üblich. Verbreitet sind Zuschüsse in Form von Gutscheinen, zum Beispiel für die Verpflegung (VR, vale-refeição oder VA, vale-alimentação) oder als Wegegeld (VT, vale transporte). Letzteres kann abhängig vom Verhältnis der Fahrtkosten zum Lohn verpflichtend sein.
Unter bestimmten Bedingungen sind außerdem Gefahrenzulagen oder ein Familienzuschuss zu zahlen. Befristete Lohnfortzahlungen sind im Falle von Mutter- beziehungsweise Vaterschaft oder bei Kuren gesetzlich geregelt.
Regelmäßig übernimmt oder bezuschusst der Arbeitgeber eine private Krankenversicherung. Des Weiteren werden Leistungen hinsichtlich einer privaten Altersversorgung, der Weiterbildung oder die Bereitstellung von Notebooks gewährt.
Offizielle Feiertage, die sich regional unterscheiden können, gelten als freie Tage. Für die Arbeit an Feiertagen oder für Überstunden sind Aufschläge obligatorisch. Diese liegen meist bei 50 Prozent der normalen Vergütung. Hinzu kommen das für formal Angestellte gesetzlich festgeschriebene 13. Monatsgehalt, Lohnfortzahlungen in Urlaubszeiten, gegebenenfalls ein Weihnachtsgeld sowie Beiträge zum "Sistema S".
Die zumeist privatrechtlich organisierten Institutionen des "Sistema S" (z. B. Senai, SENAC) bieten unter anderem Aus- und Weiterbildungen für Arbeitskräfte an. Fortbildungen werden innerhalb der einzelnen Wirtschaftssektoren organisiert. Diesem System wird Verfassungsrang zugeschrieben.
Eine Kündigung zieht meist weitere Kosten nach sich, zum Beispiel eine Abfindung an die Arbeitskraft und an die Arbeitslosenversicherung FGTS. Deswegen bilden viele Unternehmen Rückstellungen für den Fall einer Kündigung.
Sozialversicherungsbeiträge
Beiträge zur Sozialversicherung, Steuern und weitere Abgaben im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Arbeitskräften variieren unter anderem mit dem für das Unternehmen zutreffenden Steuerregime und für einige Berufsgruppen. Insgesamt können so zusätzliche Kosten von zwei Drittel der Grundvergütung auf den Arbeitgeber zukommen. Ein Teil davon fällt erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Für kleine Unternehmen, die als sogenannte "Simples Nacional" geführt werden, entfallen einige der in der folgenden Tabelle zugrundeliegenden Positionen.
Renten- und Sozialversicherung INSS (Arbeitgeberanteil) | 20 |
Arbeitslosenversicherung FGTS (Arbeitgeberanteil) | 8 |
Abgabe für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Mutterschaftsschutz (Arbeitgeberanteil)* | 100 |
Sonstige Versicherungen und Sozialabgaben (Arbeitgeberanteil) | 9 |
Entlastung für Branchen mit hohem Personalbedarf
Das Programm CPRB (Contribuição Previdenciária sobre Receita Bruta) entlastet personalintensive Branchen. Arbeitgeber können die Beiträge für die Sozialversicherung bis auf einen niedrigen einstelligen Prozentsatz reduzieren. Auf Antrag werden hier die Beiträge auf Grundlage des Bruttoumsatzes bemessen. Das seit 2011 bestehende Programm wurde zuletzt bis Ende 2023 verlängert. Es gilt für eine Vielzahl von Branchen in der Industrie, Bauwirtschaft sowie dem Dienstleistungs- und Verkehrssektor.
